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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Eine neue constituirende Versammlung zu beruft", wäre mit der höchsten Gefahr
für den Staat verknüpft gewesen -- die deutsche Reform, die wir bei dieser
Gelegenheit als befreundetes Blatt begrüßen, hat sich darüber in einem trefflichen
leitenden Artikel ausgesprochen. So blieb nichts übrig, als die Verfassung zu
octroyiren. Daß dies schnell geschehen ist und daß die Verfassung sich soviel als
möglich an die Berathung der Versammlung hält -- burleske Beschlüsse, wie den
über Aufhebung des Adels, natürlich ausgenommen -- ist dem Ministerium als
großes Verdienst anzurechnen. Wir stehen zwar nicht dafür, daß auch jetzt die
Partei Unruh im Bunde mit ihren Freunden, den Berliner Demokraten ausruft:
diuo8 D-M-W8 et clon-t lei-cutis! und ihre alte Agitation fortsetzt, etwa mit die¬
sen Motiven: "daß die Krone eine gute, für das Land wohlthätige Verfassung
gegeben hat, ist ein neues Attentat auf die Souveränität des Volks, denn es ist
höchst frech und unehrerbietig, besser sein zu wollen als die souveränen Deputirten
Dierschke, Unruh und Michel Mroß!" Allein eine solche Agitation würde ohne
erhebliche Wirkung sein.

Die neuen Stände, -- wie natürlich in zwei Wahlkammern getheilt -- sind
auf den Februar einberufen. Mittlerweile wird die Verfassung in Frankfurt been¬
digt sein, und die preußischen Deputirten, die bisher in der Paulskirche tagten,
werden dann für Berlin gewählt werden können. Damit wird die neue Versamm¬
lung eine gesündere Färbung annehmen. Außerdem wird ein Hauptgrund der
bisherigen Agitation wegfallen, die bloße Jagd nach Portefeuilles; denn wir trauen
zwar den Herrn v. Kirchmann, v. Unruh, v. Berg, Nodbertus u. s. w. sehr
viel zu, wollen aber doch nicht so weit gehen, ihnen den Wahn aufzubürden, als
könnten sie Hoffnung auf eine Stellung im Kabinet haben, so lange im preußischen
Staatsgebäude noch ein Stein auf dem andern steht.

Nun noch ein kurzes Wort an die Anhänger des -melen regime. Sie wer¬
den durch die letzten Ereignisse sich vielfach veranlaßt gesehen haben, auf ihre
frühern Ideen zurückzukommen. Sie könnten leicht in den Wahn versetzt werden,
sie wären mit ihrer Opposition gegen den Geist der neuern Zeit im Rechte ge¬
wesen. Ein solcher Wahn wäre verhängnißvoll. Aus welcher Classe sind die
wüthendsten Feinde des gesammten Staatslebens hervorgegangen? Die Waldeck,
Kirchmann, Unruh, Nodbertus u. s. w.? Aus der in sich faulen und hohlen
Bureaukratie. Und wo finden sich die entschiedensten Vorfechter des Staats? In
den apokryphischen Elementen des Grundbesitzes und des Handels, die von der
Fäulniß des alten Staats nicht angesteckt waren, die vielmehr damals wie jetzt
dem Uebermuth der einseitigen bureaukratischen Bildung den entschiedensten Wi¬
derstand entgegensetzt. Mögen das die Herrn Manteuffel u. s. w. nicht vergessen!
Die Opfer, welche der Bürger bringt, gelten nicht ihnen, selbst nicht der Krone,
die nur ein Symbol ist; sie gelten der sittlichen Ordnung, die der alte Ab-


Eine neue constituirende Versammlung zu beruft», wäre mit der höchsten Gefahr
für den Staat verknüpft gewesen — die deutsche Reform, die wir bei dieser
Gelegenheit als befreundetes Blatt begrüßen, hat sich darüber in einem trefflichen
leitenden Artikel ausgesprochen. So blieb nichts übrig, als die Verfassung zu
octroyiren. Daß dies schnell geschehen ist und daß die Verfassung sich soviel als
möglich an die Berathung der Versammlung hält — burleske Beschlüsse, wie den
über Aufhebung des Adels, natürlich ausgenommen — ist dem Ministerium als
großes Verdienst anzurechnen. Wir stehen zwar nicht dafür, daß auch jetzt die
Partei Unruh im Bunde mit ihren Freunden, den Berliner Demokraten ausruft:
diuo8 D-M-W8 et clon-t lei-cutis! und ihre alte Agitation fortsetzt, etwa mit die¬
sen Motiven: „daß die Krone eine gute, für das Land wohlthätige Verfassung
gegeben hat, ist ein neues Attentat auf die Souveränität des Volks, denn es ist
höchst frech und unehrerbietig, besser sein zu wollen als die souveränen Deputirten
Dierschke, Unruh und Michel Mroß!" Allein eine solche Agitation würde ohne
erhebliche Wirkung sein.

Die neuen Stände, — wie natürlich in zwei Wahlkammern getheilt — sind
auf den Februar einberufen. Mittlerweile wird die Verfassung in Frankfurt been¬
digt sein, und die preußischen Deputirten, die bisher in der Paulskirche tagten,
werden dann für Berlin gewählt werden können. Damit wird die neue Versamm¬
lung eine gesündere Färbung annehmen. Außerdem wird ein Hauptgrund der
bisherigen Agitation wegfallen, die bloße Jagd nach Portefeuilles; denn wir trauen
zwar den Herrn v. Kirchmann, v. Unruh, v. Berg, Nodbertus u. s. w. sehr
viel zu, wollen aber doch nicht so weit gehen, ihnen den Wahn aufzubürden, als
könnten sie Hoffnung auf eine Stellung im Kabinet haben, so lange im preußischen
Staatsgebäude noch ein Stein auf dem andern steht.

Nun noch ein kurzes Wort an die Anhänger des -melen regime. Sie wer¬
den durch die letzten Ereignisse sich vielfach veranlaßt gesehen haben, auf ihre
frühern Ideen zurückzukommen. Sie könnten leicht in den Wahn versetzt werden,
sie wären mit ihrer Opposition gegen den Geist der neuern Zeit im Rechte ge¬
wesen. Ein solcher Wahn wäre verhängnißvoll. Aus welcher Classe sind die
wüthendsten Feinde des gesammten Staatslebens hervorgegangen? Die Waldeck,
Kirchmann, Unruh, Nodbertus u. s. w.? Aus der in sich faulen und hohlen
Bureaukratie. Und wo finden sich die entschiedensten Vorfechter des Staats? In
den apokryphischen Elementen des Grundbesitzes und des Handels, die von der
Fäulniß des alten Staats nicht angesteckt waren, die vielmehr damals wie jetzt
dem Uebermuth der einseitigen bureaukratischen Bildung den entschiedensten Wi¬
derstand entgegensetzt. Mögen das die Herrn Manteuffel u. s. w. nicht vergessen!
Die Opfer, welche der Bürger bringt, gelten nicht ihnen, selbst nicht der Krone,
die nur ein Symbol ist; sie gelten der sittlichen Ordnung, die der alte Ab-


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[0411] Eine neue constituirende Versammlung zu beruft», wäre mit der höchsten Gefahr für den Staat verknüpft gewesen — die deutsche Reform, die wir bei dieser Gelegenheit als befreundetes Blatt begrüßen, hat sich darüber in einem trefflichen leitenden Artikel ausgesprochen. So blieb nichts übrig, als die Verfassung zu octroyiren. Daß dies schnell geschehen ist und daß die Verfassung sich soviel als möglich an die Berathung der Versammlung hält — burleske Beschlüsse, wie den über Aufhebung des Adels, natürlich ausgenommen — ist dem Ministerium als großes Verdienst anzurechnen. Wir stehen zwar nicht dafür, daß auch jetzt die Partei Unruh im Bunde mit ihren Freunden, den Berliner Demokraten ausruft: diuo8 D-M-W8 et clon-t lei-cutis! und ihre alte Agitation fortsetzt, etwa mit die¬ sen Motiven: „daß die Krone eine gute, für das Land wohlthätige Verfassung gegeben hat, ist ein neues Attentat auf die Souveränität des Volks, denn es ist höchst frech und unehrerbietig, besser sein zu wollen als die souveränen Deputirten Dierschke, Unruh und Michel Mroß!" Allein eine solche Agitation würde ohne erhebliche Wirkung sein. Die neuen Stände, — wie natürlich in zwei Wahlkammern getheilt — sind auf den Februar einberufen. Mittlerweile wird die Verfassung in Frankfurt been¬ digt sein, und die preußischen Deputirten, die bisher in der Paulskirche tagten, werden dann für Berlin gewählt werden können. Damit wird die neue Versamm¬ lung eine gesündere Färbung annehmen. Außerdem wird ein Hauptgrund der bisherigen Agitation wegfallen, die bloße Jagd nach Portefeuilles; denn wir trauen zwar den Herrn v. Kirchmann, v. Unruh, v. Berg, Nodbertus u. s. w. sehr viel zu, wollen aber doch nicht so weit gehen, ihnen den Wahn aufzubürden, als könnten sie Hoffnung auf eine Stellung im Kabinet haben, so lange im preußischen Staatsgebäude noch ein Stein auf dem andern steht. Nun noch ein kurzes Wort an die Anhänger des -melen regime. Sie wer¬ den durch die letzten Ereignisse sich vielfach veranlaßt gesehen haben, auf ihre frühern Ideen zurückzukommen. Sie könnten leicht in den Wahn versetzt werden, sie wären mit ihrer Opposition gegen den Geist der neuern Zeit im Rechte ge¬ wesen. Ein solcher Wahn wäre verhängnißvoll. Aus welcher Classe sind die wüthendsten Feinde des gesammten Staatslebens hervorgegangen? Die Waldeck, Kirchmann, Unruh, Nodbertus u. s. w.? Aus der in sich faulen und hohlen Bureaukratie. Und wo finden sich die entschiedensten Vorfechter des Staats? In den apokryphischen Elementen des Grundbesitzes und des Handels, die von der Fäulniß des alten Staats nicht angesteckt waren, die vielmehr damals wie jetzt dem Uebermuth der einseitigen bureaukratischen Bildung den entschiedensten Wi¬ derstand entgegensetzt. Mögen das die Herrn Manteuffel u. s. w. nicht vergessen! Die Opfer, welche der Bürger bringt, gelten nicht ihnen, selbst nicht der Krone, die nur ein Symbol ist; sie gelten der sittlichen Ordnung, die der alte Ab-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/411>, abgerufen am 22.07.2024.