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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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die sich wie eine Krankheit forterben von Geschlecht zu Geschlecht. Es thut mir
aufrichtig leid um den lebhaften, gemüthlichen Elsner: aber durch seine Rede in
der Frankfurter Angelegenheit und durch seinen Antrag hat er sich den Todesstoß
versetzt. Als Berg gleich nach der Sitzung an offner Tafel von einem Radikalen
gefragt ward, weshalb er gegen das Amendement gestimmt habe, erwiderte er
kurz: "Ich habe noch nie gestohlen!" -- und das ist die Bezeichnung, die sol¬
chem Treiben gebührt. Es war eine empörende Scene am Sonnabend: 102 De¬
putate fehlten und 2 enthielten sich der Abstimmung; alle Schlesier der rechten
Seite harten den Saal verlassen. "Mit Ja zu stimmen, ist gegen unser Gewis¬
sen" -- sagte mir.draußen einer derselben -- "und ein Nein ist unser Tod, wenn
wir nach Hause kommen." Wahrlich, wenn irgendwo, so thut in Schlesien jetzt
Energie noth: hoffen wir sie von den Kommissarien, welche die Minister augen¬
blicklich in die Provinz entsandt haben! Meinen Ekel und Unwillen aber werden
Sie begreifen, wenn Sie die stenographischen Berichte der heutigen Sitzung lesen:
den gemeinen Antrag Grabe l's gegen die früheren Minister, den Hohn gegen den
alten Pfuel, weil er seine Reden ablas, Nadamontaden Brill's und all das
Andere! --

Bleibt neben diesen rationalen Größen noch eine irrationale in Rechnung zu
ziehen, wenn man sich ein klares Bild von unsern jetzigen Zuständen entwerfen
will: ich meine den alten Wrangel. Obwohl ich seine Wichtigkeit nicht abläug-
nen will, scheint es mir doch, daß Sie dieselbe, für jetzt wenigstens, zu hoch an¬
schlagen. Nein, noch ruht, Gott sei Dank! der Schwerpunkt unserer Angelegen¬
heiten in der Kammer, der Bürgerwehr, der Nation und nicht in dem Schwerte
eines glücklichen Soldaten; mancherlei müßte sich noch ereignen, ehe es so weit
käme. Das Auftreten im dänischen Kriege, namentlich die Erklärung "centralge-
waltlicher General" zu sein, haben um Wrangel einen gewissen romantischen Schim¬
mer geworfen, hinter dem man, wie gewöhnlich, geneigt ist, mehr zu suchen, als
man nachher finden kann. Er ist und bleibt am Ende doch nur ein Graudegeu
vom alten Schlage. Hätte er die Fähigkeit, große selbstständige Pläne zu ent¬
werfen, die günstige Gelegenheit beim Schöpfe zu fassen und die Ereignisse zu
leiten, statt ihnen nachzugehen, dann hätte er sicher nicht diesen Armeebefehl er¬
lassen, hätte sich nicht gleich bei seinem ersten Auftreten ein so entsetzliches Ridi-
kule gegeben -- der schlimmste Fehler, den er in seiner Lage begehen konnte.
Wollte er seine Stellung benutzen, fo war es zuerst nothwendig, das Volk zu ge¬
winnen, ohne sich mit ihm familiär zu machen: er mußte dastehen, wie eine dro¬
hende Wolke, die wohlthätigen Regen bringen konnte und zerschmetternden Blitz.
Statt dessen zog er es vor, gleich als Blitzstrahl unter die Berliner zu fahren:
doch es war leider nur ein kalter. Dem Schreck, von dein man sich bald erholte,
folgte allgemeine Heiterkeit -- was kann anch lächerlicher sein, als .in^nor ton""",
dem man das zündende Feuer gestohlen? Und der Heiterkeit -- was man noch


die sich wie eine Krankheit forterben von Geschlecht zu Geschlecht. Es thut mir
aufrichtig leid um den lebhaften, gemüthlichen Elsner: aber durch seine Rede in
der Frankfurter Angelegenheit und durch seinen Antrag hat er sich den Todesstoß
versetzt. Als Berg gleich nach der Sitzung an offner Tafel von einem Radikalen
gefragt ward, weshalb er gegen das Amendement gestimmt habe, erwiderte er
kurz: „Ich habe noch nie gestohlen!" — und das ist die Bezeichnung, die sol¬
chem Treiben gebührt. Es war eine empörende Scene am Sonnabend: 102 De¬
putate fehlten und 2 enthielten sich der Abstimmung; alle Schlesier der rechten
Seite harten den Saal verlassen. „Mit Ja zu stimmen, ist gegen unser Gewis¬
sen" — sagte mir.draußen einer derselben — „und ein Nein ist unser Tod, wenn
wir nach Hause kommen." Wahrlich, wenn irgendwo, so thut in Schlesien jetzt
Energie noth: hoffen wir sie von den Kommissarien, welche die Minister augen¬
blicklich in die Provinz entsandt haben! Meinen Ekel und Unwillen aber werden
Sie begreifen, wenn Sie die stenographischen Berichte der heutigen Sitzung lesen:
den gemeinen Antrag Grabe l's gegen die früheren Minister, den Hohn gegen den
alten Pfuel, weil er seine Reden ablas, Nadamontaden Brill's und all das
Andere! —

Bleibt neben diesen rationalen Größen noch eine irrationale in Rechnung zu
ziehen, wenn man sich ein klares Bild von unsern jetzigen Zuständen entwerfen
will: ich meine den alten Wrangel. Obwohl ich seine Wichtigkeit nicht abläug-
nen will, scheint es mir doch, daß Sie dieselbe, für jetzt wenigstens, zu hoch an¬
schlagen. Nein, noch ruht, Gott sei Dank! der Schwerpunkt unserer Angelegen¬
heiten in der Kammer, der Bürgerwehr, der Nation und nicht in dem Schwerte
eines glücklichen Soldaten; mancherlei müßte sich noch ereignen, ehe es so weit
käme. Das Auftreten im dänischen Kriege, namentlich die Erklärung „centralge-
waltlicher General" zu sein, haben um Wrangel einen gewissen romantischen Schim¬
mer geworfen, hinter dem man, wie gewöhnlich, geneigt ist, mehr zu suchen, als
man nachher finden kann. Er ist und bleibt am Ende doch nur ein Graudegeu
vom alten Schlage. Hätte er die Fähigkeit, große selbstständige Pläne zu ent¬
werfen, die günstige Gelegenheit beim Schöpfe zu fassen und die Ereignisse zu
leiten, statt ihnen nachzugehen, dann hätte er sicher nicht diesen Armeebefehl er¬
lassen, hätte sich nicht gleich bei seinem ersten Auftreten ein so entsetzliches Ridi-
kule gegeben — der schlimmste Fehler, den er in seiner Lage begehen konnte.
Wollte er seine Stellung benutzen, fo war es zuerst nothwendig, das Volk zu ge¬
winnen, ohne sich mit ihm familiär zu machen: er mußte dastehen, wie eine dro¬
hende Wolke, die wohlthätigen Regen bringen konnte und zerschmetternden Blitz.
Statt dessen zog er es vor, gleich als Blitzstrahl unter die Berliner zu fahren:
doch es war leider nur ein kalter. Dem Schreck, von dein man sich bald erholte,
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/40>, abgerufen am 25.12.2024.