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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Da es Thatsache ist-, daß die Zahl der Menschen, oder, was dasselbe ist,
die Arbeitskraft im Zunehmen ist, so ist klar, daß zur Erhaltung des Gleichge¬
wichts auch eine Zunahme des Kapitals nothwendig wird. Ein Mißverhältniß
in den Urkrästen der menschlichen Betriebsamkeit kann nicht ohne Einfluß auf
das Wohlbefinden des Ganzen bleiben. Betrachten wir die Folgen, wenn die
Kapitale, d. h. die für den augenblicklichen Bedarf entbehrlichen Vorräthe ge¬
ringer werden. Der civilisirte Mensch unterscheidet sich von dem rohen Wilden
unter andern besonders dnrch die immerwährende Sorge für die Zukunft. Er
weiß, daß am Ende seines Lebens seine Kräfte abnehmen, daß seine Bedürfnisse,
wenn nicht zunehmen, doch dieselben bleiben, während seine Arbeitskraft geringer
wird , endlich ganz aufhört. Er weiß serner, daß noch vor seinem natürlichen
Lebensabend eine Krankheit, ein Unfall ihn arbeitsunfähig machen kann. Wenn
er von diesen Thatsachen recht klar überzeugt ist, so wird er nothwendig darauf
hingewiesen, in der rüstigsten Zeit seines Lebens etwas zu sparen, ein Kapital zu
erwerben.

Der veredelte Mensch steht aber nicht allein. Er hat eine Familie. Er
liebt seine Kinder mehr, als sich selbst. Diese sind in früheren Jahren unfähig,
sich eine richtige Vorstellung von der Zukunft zu machen. Sie gehen fröhlich in
das sorgenvolle Leben hinein, ohne an seine Mühen, seine Gefahren und seine
Entbehrungen zu denken. Diese Pflicht übernimmt der Familienvater. Er sorgt
nicht blos für ihre Erziehung zu irgend einem Berufe, er bestrebt sich auch, ihnen
dazu einen Vorrath zu hinterlassen, oder, wenn die Kinder noch bei seinen Leb¬
zeiten eine eigne Haushaltung gründen, sie dabei zu unterstützen, wäre es auch
nur mit einem Bette, einem Stück Vieh, oder dem nöthigsten Arbeitsgerät!).

Hierin liegt der Grund aller Kapitalsansammluugen. Er ist an sich eben so
wohl aus der Klugheit, wie aus der edleren Lebensanschauung entsprungen. Das
Menschengeschlecht verdankt dieser Neigung nicht nur alle Fortschritte in den Ge¬
werben, die seine Existenz begründen, sondern anch alle Anstalten der Kunst und
Wissenschaft, welche das Leben verschönern und einzelnen Gliedern der Gesellschaft
die Mittel gewähren, über die Gesetze der Natur, über den Zusammenhang der
Dinge und über die Mittel zur Beförderung der Sittlichkeit nachzudenken.

Jeder Umstand, der diesem natürlichen Bestreben, an die Zukunft zu denken,
die Existenz des Einzelnen sicher zu stellen, und für das Wohl seiner Kinder zu
sorgen, störend entgegenwirkt, benachtheiligt das ganze menschliche Geschlecht.
Was ist die) Geldmacht, die man zerstören will! doch nur die Anhäufung vieler
Ersparnisse in einer Hand. Nur Unwissende und Befangene können sich ein Ge¬
spenst aus der Idee formiren, es könne endlich alles Geldvermögen in die Ge¬
walt eines einzigen Menschen kommen. Als ob ein solcher Schatz, die Möglich¬
keit vorausgesetzt, einen andern Werth hätte, als der große Diamant in der
Krone eines Königs. Der Crösus, im Besitz einer so unermeßlichen Menge edler


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Da es Thatsache ist-, daß die Zahl der Menschen, oder, was dasselbe ist,
die Arbeitskraft im Zunehmen ist, so ist klar, daß zur Erhaltung des Gleichge¬
wichts auch eine Zunahme des Kapitals nothwendig wird. Ein Mißverhältniß
in den Urkrästen der menschlichen Betriebsamkeit kann nicht ohne Einfluß auf
das Wohlbefinden des Ganzen bleiben. Betrachten wir die Folgen, wenn die
Kapitale, d. h. die für den augenblicklichen Bedarf entbehrlichen Vorräthe ge¬
ringer werden. Der civilisirte Mensch unterscheidet sich von dem rohen Wilden
unter andern besonders dnrch die immerwährende Sorge für die Zukunft. Er
weiß, daß am Ende seines Lebens seine Kräfte abnehmen, daß seine Bedürfnisse,
wenn nicht zunehmen, doch dieselben bleiben, während seine Arbeitskraft geringer
wird , endlich ganz aufhört. Er weiß serner, daß noch vor seinem natürlichen
Lebensabend eine Krankheit, ein Unfall ihn arbeitsunfähig machen kann. Wenn
er von diesen Thatsachen recht klar überzeugt ist, so wird er nothwendig darauf
hingewiesen, in der rüstigsten Zeit seines Lebens etwas zu sparen, ein Kapital zu
erwerben.

Der veredelte Mensch steht aber nicht allein. Er hat eine Familie. Er
liebt seine Kinder mehr, als sich selbst. Diese sind in früheren Jahren unfähig,
sich eine richtige Vorstellung von der Zukunft zu machen. Sie gehen fröhlich in
das sorgenvolle Leben hinein, ohne an seine Mühen, seine Gefahren und seine
Entbehrungen zu denken. Diese Pflicht übernimmt der Familienvater. Er sorgt
nicht blos für ihre Erziehung zu irgend einem Berufe, er bestrebt sich auch, ihnen
dazu einen Vorrath zu hinterlassen, oder, wenn die Kinder noch bei seinen Leb¬
zeiten eine eigne Haushaltung gründen, sie dabei zu unterstützen, wäre es auch
nur mit einem Bette, einem Stück Vieh, oder dem nöthigsten Arbeitsgerät!).

Hierin liegt der Grund aller Kapitalsansammluugen. Er ist an sich eben so
wohl aus der Klugheit, wie aus der edleren Lebensanschauung entsprungen. Das
Menschengeschlecht verdankt dieser Neigung nicht nur alle Fortschritte in den Ge¬
werben, die seine Existenz begründen, sondern anch alle Anstalten der Kunst und
Wissenschaft, welche das Leben verschönern und einzelnen Gliedern der Gesellschaft
die Mittel gewähren, über die Gesetze der Natur, über den Zusammenhang der
Dinge und über die Mittel zur Beförderung der Sittlichkeit nachzudenken.

Jeder Umstand, der diesem natürlichen Bestreben, an die Zukunft zu denken,
die Existenz des Einzelnen sicher zu stellen, und für das Wohl seiner Kinder zu
sorgen, störend entgegenwirkt, benachtheiligt das ganze menschliche Geschlecht.
Was ist die) Geldmacht, die man zerstören will! doch nur die Anhäufung vieler
Ersparnisse in einer Hand. Nur Unwissende und Befangene können sich ein Ge¬
spenst aus der Idee formiren, es könne endlich alles Geldvermögen in die Ge¬
walt eines einzigen Menschen kommen. Als ob ein solcher Schatz, die Möglich¬
keit vorausgesetzt, einen andern Werth hätte, als der große Diamant in der
Krone eines Königs. Der Crösus, im Besitz einer so unermeßlichen Menge edler


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[0389] Da es Thatsache ist-, daß die Zahl der Menschen, oder, was dasselbe ist, die Arbeitskraft im Zunehmen ist, so ist klar, daß zur Erhaltung des Gleichge¬ wichts auch eine Zunahme des Kapitals nothwendig wird. Ein Mißverhältniß in den Urkrästen der menschlichen Betriebsamkeit kann nicht ohne Einfluß auf das Wohlbefinden des Ganzen bleiben. Betrachten wir die Folgen, wenn die Kapitale, d. h. die für den augenblicklichen Bedarf entbehrlichen Vorräthe ge¬ ringer werden. Der civilisirte Mensch unterscheidet sich von dem rohen Wilden unter andern besonders dnrch die immerwährende Sorge für die Zukunft. Er weiß, daß am Ende seines Lebens seine Kräfte abnehmen, daß seine Bedürfnisse, wenn nicht zunehmen, doch dieselben bleiben, während seine Arbeitskraft geringer wird , endlich ganz aufhört. Er weiß serner, daß noch vor seinem natürlichen Lebensabend eine Krankheit, ein Unfall ihn arbeitsunfähig machen kann. Wenn er von diesen Thatsachen recht klar überzeugt ist, so wird er nothwendig darauf hingewiesen, in der rüstigsten Zeit seines Lebens etwas zu sparen, ein Kapital zu erwerben. Der veredelte Mensch steht aber nicht allein. Er hat eine Familie. Er liebt seine Kinder mehr, als sich selbst. Diese sind in früheren Jahren unfähig, sich eine richtige Vorstellung von der Zukunft zu machen. Sie gehen fröhlich in das sorgenvolle Leben hinein, ohne an seine Mühen, seine Gefahren und seine Entbehrungen zu denken. Diese Pflicht übernimmt der Familienvater. Er sorgt nicht blos für ihre Erziehung zu irgend einem Berufe, er bestrebt sich auch, ihnen dazu einen Vorrath zu hinterlassen, oder, wenn die Kinder noch bei seinen Leb¬ zeiten eine eigne Haushaltung gründen, sie dabei zu unterstützen, wäre es auch nur mit einem Bette, einem Stück Vieh, oder dem nöthigsten Arbeitsgerät!). Hierin liegt der Grund aller Kapitalsansammluugen. Er ist an sich eben so wohl aus der Klugheit, wie aus der edleren Lebensanschauung entsprungen. Das Menschengeschlecht verdankt dieser Neigung nicht nur alle Fortschritte in den Ge¬ werben, die seine Existenz begründen, sondern anch alle Anstalten der Kunst und Wissenschaft, welche das Leben verschönern und einzelnen Gliedern der Gesellschaft die Mittel gewähren, über die Gesetze der Natur, über den Zusammenhang der Dinge und über die Mittel zur Beförderung der Sittlichkeit nachzudenken. Jeder Umstand, der diesem natürlichen Bestreben, an die Zukunft zu denken, die Existenz des Einzelnen sicher zu stellen, und für das Wohl seiner Kinder zu sorgen, störend entgegenwirkt, benachtheiligt das ganze menschliche Geschlecht. Was ist die) Geldmacht, die man zerstören will! doch nur die Anhäufung vieler Ersparnisse in einer Hand. Nur Unwissende und Befangene können sich ein Ge¬ spenst aus der Idee formiren, es könne endlich alles Geldvermögen in die Ge¬ walt eines einzigen Menschen kommen. Als ob ein solcher Schatz, die Möglich¬ keit vorausgesetzt, einen andern Werth hätte, als der große Diamant in der Krone eines Königs. Der Crösus, im Besitz einer so unermeßlichen Menge edler «r«nj»ot«n. IV. 1»»». 49

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/389>, abgerufen am 22.07.2024.