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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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dieser drei mächtigen Faktoren begründet. Hat irgendwo einer derselben ein Über¬
gewicht erlangt, so wird die Gesellschaft in ihrem Wohlsein gestört. Fehlt die
Arbeitskraft und muß sie mit unverhältnißmäßigen Kapital erworben werden, so
ist dieses ein Nachtheil. Der Grund und Boden wird dann fast werthlos, wie
in den vereinigten Staaten und in allen schwach bevölkerten Ländern, wo man
Einen Morgen Landes mit dem Lohne weniger Tagewerke erwerben kann. Zwi¬
schen dem Kapitale und der Arbeitskraft besteht eine noch innigere Verbindung als
zwischen dieser mit dem Boden. Der letztere kann ohne die Vermittelung des Ka¬
pitals niemals einen irgend erheblichen Einfluß auf die Ernährung der Menschen
oder, was einerlei ist, auf die Erhaltung der Arbeitskraft ausüben. Zur Be¬
nutzung der amerikanischen Prairien gehört Vieh, welches nur durch Kapital er-
worben werden kann. Für Sachkenner ist es keinem Zweifel unterworfen, daß
dnrch größere Kapitalsanlagen auf den Grund und Boden wenigstens noch 20
Millionen Menschen in Deutschland Brot finden würden und daß ein Verlassen
der Heimath so vieler Landsleute unterbleiben könnte, wenn die Kapitalien vor¬
handen wären, um allen Boden seiner natürlichen Ertragsfähigkeit gemäß benutzen
zu können.

Wer sich von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen will, der unter¬
suche die Zustände des Ackerbaues in solchen Gegenden, wo er mit dem erforder¬
lichen Kapitale betrieben wird, gegen andere, wo es daran gebricht und betrachte
serner, wie die dnrch Kapital und vermehrte Arbeit gesteigerte Boden-Production
auf die Manufacturen und Fabriken zurückwirkt, und es wird ihm klar werden,
welcher Unsinn in der Behauptung liegt, die Geldmacht müsse unterdrückt oder
gar vernichtet werden. Es heißt dies so viel, als alle bisher gepflegten und
gegründeten Anstalten zur Beförderung der Veredelung des menschlichen Ge¬
schlechts vernichten und dem Vaterlande ein Schicksal bereiten, wie eS ehemals
der civilisirten Welt durch die Hunnen und Vandalen zu Theil wurde.

Der Haß gegen die sogenannte Geldmacht, angeblich entsprungen aus eini¬
gen Handlungen des Uebermuthes, auch wohl des Mißbrauches der Geldmittel
einiger thörichten Reichen, ist gerade so begründet, als wenn man dem ehrenhaf¬
ten Stande der Arbeiter die Thorheiten zur Last legen wollte, welche sich die
Proletarier in diesem Jahre in Paris, Berlin und Wien haben zu Schulden
kommen lassen. Wem ist unbekannt, daß sich diese Horden, die man ganz un¬
passend mit dem achtungswürdigen Namen "Arbeiter" belegt hat, zum größten
Theile aus den Verlornen, verdorbenen und zu jedem ordentlichen Geschäft un¬
brauchbaren Männern aller Klassen, ja auch sogar ans entlassenen und entsprun¬
genen Sträflingen gebildet hatten? Wie kann man diese, zu einer Räuberbande
eher, wie zu einer regelmäßigen Thätigkeit passenden Rotten mit Männern in
eine Parallele stellen, die für ein geringes Lohn die anstrengenden, aber unent¬
behrlichen Verrichtungen der menschlichen Gesellschaft übernehmen und durch ihre


dieser drei mächtigen Faktoren begründet. Hat irgendwo einer derselben ein Über¬
gewicht erlangt, so wird die Gesellschaft in ihrem Wohlsein gestört. Fehlt die
Arbeitskraft und muß sie mit unverhältnißmäßigen Kapital erworben werden, so
ist dieses ein Nachtheil. Der Grund und Boden wird dann fast werthlos, wie
in den vereinigten Staaten und in allen schwach bevölkerten Ländern, wo man
Einen Morgen Landes mit dem Lohne weniger Tagewerke erwerben kann. Zwi¬
schen dem Kapitale und der Arbeitskraft besteht eine noch innigere Verbindung als
zwischen dieser mit dem Boden. Der letztere kann ohne die Vermittelung des Ka¬
pitals niemals einen irgend erheblichen Einfluß auf die Ernährung der Menschen
oder, was einerlei ist, auf die Erhaltung der Arbeitskraft ausüben. Zur Be¬
nutzung der amerikanischen Prairien gehört Vieh, welches nur durch Kapital er-
worben werden kann. Für Sachkenner ist es keinem Zweifel unterworfen, daß
dnrch größere Kapitalsanlagen auf den Grund und Boden wenigstens noch 20
Millionen Menschen in Deutschland Brot finden würden und daß ein Verlassen
der Heimath so vieler Landsleute unterbleiben könnte, wenn die Kapitalien vor¬
handen wären, um allen Boden seiner natürlichen Ertragsfähigkeit gemäß benutzen
zu können.

Wer sich von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen will, der unter¬
suche die Zustände des Ackerbaues in solchen Gegenden, wo er mit dem erforder¬
lichen Kapitale betrieben wird, gegen andere, wo es daran gebricht und betrachte
serner, wie die dnrch Kapital und vermehrte Arbeit gesteigerte Boden-Production
auf die Manufacturen und Fabriken zurückwirkt, und es wird ihm klar werden,
welcher Unsinn in der Behauptung liegt, die Geldmacht müsse unterdrückt oder
gar vernichtet werden. Es heißt dies so viel, als alle bisher gepflegten und
gegründeten Anstalten zur Beförderung der Veredelung des menschlichen Ge¬
schlechts vernichten und dem Vaterlande ein Schicksal bereiten, wie eS ehemals
der civilisirten Welt durch die Hunnen und Vandalen zu Theil wurde.

Der Haß gegen die sogenannte Geldmacht, angeblich entsprungen aus eini¬
gen Handlungen des Uebermuthes, auch wohl des Mißbrauches der Geldmittel
einiger thörichten Reichen, ist gerade so begründet, als wenn man dem ehrenhaf¬
ten Stande der Arbeiter die Thorheiten zur Last legen wollte, welche sich die
Proletarier in diesem Jahre in Paris, Berlin und Wien haben zu Schulden
kommen lassen. Wem ist unbekannt, daß sich diese Horden, die man ganz un¬
passend mit dem achtungswürdigen Namen „Arbeiter" belegt hat, zum größten
Theile aus den Verlornen, verdorbenen und zu jedem ordentlichen Geschäft un¬
brauchbaren Männern aller Klassen, ja auch sogar ans entlassenen und entsprun¬
genen Sträflingen gebildet hatten? Wie kann man diese, zu einer Räuberbande
eher, wie zu einer regelmäßigen Thätigkeit passenden Rotten mit Männern in
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behrlichen Verrichtungen der menschlichen Gesellschaft übernehmen und durch ihre


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[0387] dieser drei mächtigen Faktoren begründet. Hat irgendwo einer derselben ein Über¬ gewicht erlangt, so wird die Gesellschaft in ihrem Wohlsein gestört. Fehlt die Arbeitskraft und muß sie mit unverhältnißmäßigen Kapital erworben werden, so ist dieses ein Nachtheil. Der Grund und Boden wird dann fast werthlos, wie in den vereinigten Staaten und in allen schwach bevölkerten Ländern, wo man Einen Morgen Landes mit dem Lohne weniger Tagewerke erwerben kann. Zwi¬ schen dem Kapitale und der Arbeitskraft besteht eine noch innigere Verbindung als zwischen dieser mit dem Boden. Der letztere kann ohne die Vermittelung des Ka¬ pitals niemals einen irgend erheblichen Einfluß auf die Ernährung der Menschen oder, was einerlei ist, auf die Erhaltung der Arbeitskraft ausüben. Zur Be¬ nutzung der amerikanischen Prairien gehört Vieh, welches nur durch Kapital er- worben werden kann. Für Sachkenner ist es keinem Zweifel unterworfen, daß dnrch größere Kapitalsanlagen auf den Grund und Boden wenigstens noch 20 Millionen Menschen in Deutschland Brot finden würden und daß ein Verlassen der Heimath so vieler Landsleute unterbleiben könnte, wenn die Kapitalien vor¬ handen wären, um allen Boden seiner natürlichen Ertragsfähigkeit gemäß benutzen zu können. Wer sich von der Richtigkeit dieser Behauptung überzeugen will, der unter¬ suche die Zustände des Ackerbaues in solchen Gegenden, wo er mit dem erforder¬ lichen Kapitale betrieben wird, gegen andere, wo es daran gebricht und betrachte serner, wie die dnrch Kapital und vermehrte Arbeit gesteigerte Boden-Production auf die Manufacturen und Fabriken zurückwirkt, und es wird ihm klar werden, welcher Unsinn in der Behauptung liegt, die Geldmacht müsse unterdrückt oder gar vernichtet werden. Es heißt dies so viel, als alle bisher gepflegten und gegründeten Anstalten zur Beförderung der Veredelung des menschlichen Ge¬ schlechts vernichten und dem Vaterlande ein Schicksal bereiten, wie eS ehemals der civilisirten Welt durch die Hunnen und Vandalen zu Theil wurde. Der Haß gegen die sogenannte Geldmacht, angeblich entsprungen aus eini¬ gen Handlungen des Uebermuthes, auch wohl des Mißbrauches der Geldmittel einiger thörichten Reichen, ist gerade so begründet, als wenn man dem ehrenhaf¬ ten Stande der Arbeiter die Thorheiten zur Last legen wollte, welche sich die Proletarier in diesem Jahre in Paris, Berlin und Wien haben zu Schulden kommen lassen. Wem ist unbekannt, daß sich diese Horden, die man ganz un¬ passend mit dem achtungswürdigen Namen „Arbeiter" belegt hat, zum größten Theile aus den Verlornen, verdorbenen und zu jedem ordentlichen Geschäft un¬ brauchbaren Männern aller Klassen, ja auch sogar ans entlassenen und entsprun¬ genen Sträflingen gebildet hatten? Wie kann man diese, zu einer Räuberbande eher, wie zu einer regelmäßigen Thätigkeit passenden Rotten mit Männern in eine Parallele stellen, die für ein geringes Lohn die anstrengenden, aber unent¬ behrlichen Verrichtungen der menschlichen Gesellschaft übernehmen und durch ihre

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/387>, abgerufen am 25.08.2024.