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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Wenn ich hierdurch der menschlichen mit Einsicht, Ueberlegung und Beharr¬
lichkeit verrichteten Arbeit volle Gerechtigkeit wiederfahren lasse, so muß ich nicht
minder die Unentbehrlichkeit des Kapitals, der angesammelten Vorräthe, zu jedem
irgend erheblichen Fortschritt der menschlichen Betriebsamkeit nachweisen. Es ist
unbegreiflich , warum man die sogenannte Geldmacht anfeindet, dieselbe sogar als
ein Hinderniß in der Entwickelung der Cultur bezeichnet: ähnlich den Kinderwär-
terinnen, welche zur Beruhigung des Kindes, welches auf den Fußboden gefallen
ist, diesen schlagen, weil er dem Kinde Schmerzen gemacht hat.

Da liegen die unentwässerteu Sümpfe, die öden Grundstücke, auf welchen
magere Viehheerden ein nutzloses Dasein fristen, auf welche" hier und da ein
verkrüppelter Baum oder Strauch steht, die unter dem Namen Anger, Huthungen,
Weiden, Almenden bekannt sind. Die nassen Stellen sind durch den Tritt des
Viehes voller Löcher, die höhern voller Maulwurfshügel, in welchen Ameisen Hausen.
Die Bestandtheile des Bodens sind von Natur so, daß diese Flächen in fruchtba¬
res Acker- und Wiesenland umzuwandeln wären. Warum liegen solche ausge¬
dehnte Strecken brach? Autwort: weil es an Kapital gebricht, sie zu kultiviren
und mit Gebäuden, so wie mit andern Erfordernissen des Anbaues zu versehen.

Man vertheile solche Grundstücke ganz umsonst an arbeitsfähige gesunde Ar¬
beiter. Sie können von ihnen keinen Gebrauch machen, wenn sie ohne Vermögen
sind. Es gehört zur Begründung der kleinsten Tagelöhnerwirthschaft, zur Er¬
bauung der bescheidensten Wohnung und zur Urbarmachung und Bestellung eines
einzigen halben Morgens Gartenland mehr Kapitalvermögen als in der Regel eine
Arbeiterfamilie bei Fleiß und Sparsamkeit in einem langen Leben ansammelt. Dies
wird allgemein zugestanden und die vielen Vorschläge, zur Gründung von Hypo¬
theken- und andern Banken und Geldinstituten überhaupt haben nur den einen
Zweck, dem Mangel an Kapital abzuhelfen. Es wird freilich bei diesen Vorschlä¬
gen zu leicht übersehen, daß die Vermehrung der Ausgleichungsmittel noch lange
kein eigentliches Kapital, nämlich einen angesammelten Vorrath nutzbarer Güter
schafft, der für die Befriedigung der nächsten Bedürfnisse entbehrlich ist und zu
Anlagen verwendet werden kann, die ihrer Natur nach nur später einen Ertrag
gewähren können.

Je ungünstiger das Klima eines Landes ist, wodurch ein größerer Aufwand
für Wohnung, Bekleidung und Feuerung zur bloßen Lebenssristung erforderlich
wird, um so nothwendiger ist das Bestehen der menschlichen Gesellschaft von dem
Vorhandensein von Kapitalien abhängig. Der Wilde in der heißen Zone kann
sich vor den sengenden Sonnenstrahlen in einer Erdhütte verbergen. Die Palme
liefert ihm Früchte. Dennoch ist das Dasein jener menschlichen Wesen, die das¬
selbe ohne Arbeit, Intelligenz und Kapital fristen, von denen der Affen wenig
verschieden. In den gemäßigten Klimaten, wo bis jetzt allein ein sittlicher Wesen
würdiges Dasein angetroffen wird, ist dasselbe nur auf einer innigen Verbindung


Wenn ich hierdurch der menschlichen mit Einsicht, Ueberlegung und Beharr¬
lichkeit verrichteten Arbeit volle Gerechtigkeit wiederfahren lasse, so muß ich nicht
minder die Unentbehrlichkeit des Kapitals, der angesammelten Vorräthe, zu jedem
irgend erheblichen Fortschritt der menschlichen Betriebsamkeit nachweisen. Es ist
unbegreiflich , warum man die sogenannte Geldmacht anfeindet, dieselbe sogar als
ein Hinderniß in der Entwickelung der Cultur bezeichnet: ähnlich den Kinderwär-
terinnen, welche zur Beruhigung des Kindes, welches auf den Fußboden gefallen
ist, diesen schlagen, weil er dem Kinde Schmerzen gemacht hat.

Da liegen die unentwässerteu Sümpfe, die öden Grundstücke, auf welchen
magere Viehheerden ein nutzloses Dasein fristen, auf welche» hier und da ein
verkrüppelter Baum oder Strauch steht, die unter dem Namen Anger, Huthungen,
Weiden, Almenden bekannt sind. Die nassen Stellen sind durch den Tritt des
Viehes voller Löcher, die höhern voller Maulwurfshügel, in welchen Ameisen Hausen.
Die Bestandtheile des Bodens sind von Natur so, daß diese Flächen in fruchtba¬
res Acker- und Wiesenland umzuwandeln wären. Warum liegen solche ausge¬
dehnte Strecken brach? Autwort: weil es an Kapital gebricht, sie zu kultiviren
und mit Gebäuden, so wie mit andern Erfordernissen des Anbaues zu versehen.

Man vertheile solche Grundstücke ganz umsonst an arbeitsfähige gesunde Ar¬
beiter. Sie können von ihnen keinen Gebrauch machen, wenn sie ohne Vermögen
sind. Es gehört zur Begründung der kleinsten Tagelöhnerwirthschaft, zur Er¬
bauung der bescheidensten Wohnung und zur Urbarmachung und Bestellung eines
einzigen halben Morgens Gartenland mehr Kapitalvermögen als in der Regel eine
Arbeiterfamilie bei Fleiß und Sparsamkeit in einem langen Leben ansammelt. Dies
wird allgemein zugestanden und die vielen Vorschläge, zur Gründung von Hypo¬
theken- und andern Banken und Geldinstituten überhaupt haben nur den einen
Zweck, dem Mangel an Kapital abzuhelfen. Es wird freilich bei diesen Vorschlä¬
gen zu leicht übersehen, daß die Vermehrung der Ausgleichungsmittel noch lange
kein eigentliches Kapital, nämlich einen angesammelten Vorrath nutzbarer Güter
schafft, der für die Befriedigung der nächsten Bedürfnisse entbehrlich ist und zu
Anlagen verwendet werden kann, die ihrer Natur nach nur später einen Ertrag
gewähren können.

Je ungünstiger das Klima eines Landes ist, wodurch ein größerer Aufwand
für Wohnung, Bekleidung und Feuerung zur bloßen Lebenssristung erforderlich
wird, um so nothwendiger ist das Bestehen der menschlichen Gesellschaft von dem
Vorhandensein von Kapitalien abhängig. Der Wilde in der heißen Zone kann
sich vor den sengenden Sonnenstrahlen in einer Erdhütte verbergen. Die Palme
liefert ihm Früchte. Dennoch ist das Dasein jener menschlichen Wesen, die das¬
selbe ohne Arbeit, Intelligenz und Kapital fristen, von denen der Affen wenig
verschieden. In den gemäßigten Klimaten, wo bis jetzt allein ein sittlicher Wesen
würdiges Dasein angetroffen wird, ist dasselbe nur auf einer innigen Verbindung


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[0386] Wenn ich hierdurch der menschlichen mit Einsicht, Ueberlegung und Beharr¬ lichkeit verrichteten Arbeit volle Gerechtigkeit wiederfahren lasse, so muß ich nicht minder die Unentbehrlichkeit des Kapitals, der angesammelten Vorräthe, zu jedem irgend erheblichen Fortschritt der menschlichen Betriebsamkeit nachweisen. Es ist unbegreiflich , warum man die sogenannte Geldmacht anfeindet, dieselbe sogar als ein Hinderniß in der Entwickelung der Cultur bezeichnet: ähnlich den Kinderwär- terinnen, welche zur Beruhigung des Kindes, welches auf den Fußboden gefallen ist, diesen schlagen, weil er dem Kinde Schmerzen gemacht hat. Da liegen die unentwässerteu Sümpfe, die öden Grundstücke, auf welchen magere Viehheerden ein nutzloses Dasein fristen, auf welche» hier und da ein verkrüppelter Baum oder Strauch steht, die unter dem Namen Anger, Huthungen, Weiden, Almenden bekannt sind. Die nassen Stellen sind durch den Tritt des Viehes voller Löcher, die höhern voller Maulwurfshügel, in welchen Ameisen Hausen. Die Bestandtheile des Bodens sind von Natur so, daß diese Flächen in fruchtba¬ res Acker- und Wiesenland umzuwandeln wären. Warum liegen solche ausge¬ dehnte Strecken brach? Autwort: weil es an Kapital gebricht, sie zu kultiviren und mit Gebäuden, so wie mit andern Erfordernissen des Anbaues zu versehen. Man vertheile solche Grundstücke ganz umsonst an arbeitsfähige gesunde Ar¬ beiter. Sie können von ihnen keinen Gebrauch machen, wenn sie ohne Vermögen sind. Es gehört zur Begründung der kleinsten Tagelöhnerwirthschaft, zur Er¬ bauung der bescheidensten Wohnung und zur Urbarmachung und Bestellung eines einzigen halben Morgens Gartenland mehr Kapitalvermögen als in der Regel eine Arbeiterfamilie bei Fleiß und Sparsamkeit in einem langen Leben ansammelt. Dies wird allgemein zugestanden und die vielen Vorschläge, zur Gründung von Hypo¬ theken- und andern Banken und Geldinstituten überhaupt haben nur den einen Zweck, dem Mangel an Kapital abzuhelfen. Es wird freilich bei diesen Vorschlä¬ gen zu leicht übersehen, daß die Vermehrung der Ausgleichungsmittel noch lange kein eigentliches Kapital, nämlich einen angesammelten Vorrath nutzbarer Güter schafft, der für die Befriedigung der nächsten Bedürfnisse entbehrlich ist und zu Anlagen verwendet werden kann, die ihrer Natur nach nur später einen Ertrag gewähren können. Je ungünstiger das Klima eines Landes ist, wodurch ein größerer Aufwand für Wohnung, Bekleidung und Feuerung zur bloßen Lebenssristung erforderlich wird, um so nothwendiger ist das Bestehen der menschlichen Gesellschaft von dem Vorhandensein von Kapitalien abhängig. Der Wilde in der heißen Zone kann sich vor den sengenden Sonnenstrahlen in einer Erdhütte verbergen. Die Palme liefert ihm Früchte. Dennoch ist das Dasein jener menschlichen Wesen, die das¬ selbe ohne Arbeit, Intelligenz und Kapital fristen, von denen der Affen wenig verschieden. In den gemäßigten Klimaten, wo bis jetzt allein ein sittlicher Wesen würdiges Dasein angetroffen wird, ist dasselbe nur auf einer innigen Verbindung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/386>, abgerufen am 22.07.2024.