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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Ja, noch mehr: Pfuel würde durch eigensinniges Beharren auf seinem Po¬
sten auch die Segnungen in Frage stellen, wahrscheinlich vernichten, die er bis jetzt
dem Lande gebracht hat. Es ist ihm geglückt, die Ultras vom Centrum zu tren¬
nen; wenn beide Parteien sich wiederum mit einander vereinen, so dürste der
Bund leicht ein unauflöslicher sein. Jede Ministerkrisis muß jetzt, der Natur der
Sache nach, gefährlicher sein als die vorhergehende und die Radikalen der Herr¬
schaft näher bringen. Mag der Zusammenstoß erfolgen, wie er will -- so viel
ist gewiß: gestalten sich die Dinge noch einmal wie am 7. September, so wird
die äußerste Linke Alles aufbieten, um sich den Sieg nicht wieder entreißen zu
lassen, den man ihr diesmal noch glücklich entwunden. Noch einmal läge dann
die Wahl vor zwischen Pöbelherrschaft oder bewaffneter Reaction und wahrschein¬
lich wäre keine Vermittlung mehr möglich. --

In dem Falle dagegen, daß es dem Ministerium mit seinen patriotischen
Ideen wirklich Ernst ist, würde es jetzt leichter als je sein, ein neues Cabinet zu
finden, das in der Kammer eine feste Stütze hätte, ohne den Angrissen ehrgeiziger
Parteiführer ausgesetzt zu sein, von den Radikalen völlig unabhängig wäre und
das Zutrauen des Volkes besäße, ohne in Potsdam Widerwillen zu erregen. Mit
der Bildung desselben müßte dann jedenfalls Rvdbertus beauftragt werden, dieser
hätte aber nicht mehr nöthig, so weit links zu gehen, wie unmittelbar nach dem
7. September. Er würde sich jetzt ganz auf das Centrum beschränken und daher
nicht mehr bei Hofe auf unüberwindliche Antipathien stoßen. Von Waldeck kann
nicht ferner die Rede sein: er hat sich in der letzten Zeit völlig unmöglich ge¬
macht, besitzt fast nur noch bei den Radikalen Credit und wäre im Ministerium
eher ein Stein des Anstoßes, als eine Stütze desselben. Aus dem jetzigen Kabinet
würde Rodbertus jedenfalls Bonin herübernehmen, der als tüchtiger Finanz¬
mann bekannt, auch durch seine Antecedentien weniger compromittirt ist, als seine
College". Wenn es möglich wäre, den greisen Pfuel zur Beibehaltung seines
Portefeuilles als Kriegsminister zu bewegen, so müßte auch das geschehen; doch
wird der 78 jährige Mann sich schwerlich darauf einlassen. Aus dem Centrum
würden sodann Unruh und Blom eintreten, die sich beide in der letzten Zeit
durch ein eben so entschiedenes als gemäßigtes Benehmen ausgezeichnet haben.
Blom und Berg waren es, die durch ihren Antrag wegen der Frankfurter
Gräuel deu Bruch zwischen Konstitutionellen und Radikalen entschieden, Unruh
griff besonders vortheilhaft in die Debatte über die Kölner Ereignisse ein. Phil¬
lips ist leider durch Schwäche, welche er bei der Führung des Präsidiums wäh¬
rend Grabow's Krankheit gezeigt hat, bei seiner eigenen Partei in großen
Mißcredit gerathen. Die Rechte benahm sich gegen ihn auf wahrhaft empörende
Weise; während sie sich ganz ruhig und still verhielt, sobald Jonas präsidirte,
lärmte und tobte sie, wie in einer Bierkneipe, wenn Phillips die Leitung über¬
nahm. Am übelsten war es, daß dieser sich bei Gelegenheit des Antrags von


Ja, noch mehr: Pfuel würde durch eigensinniges Beharren auf seinem Po¬
sten auch die Segnungen in Frage stellen, wahrscheinlich vernichten, die er bis jetzt
dem Lande gebracht hat. Es ist ihm geglückt, die Ultras vom Centrum zu tren¬
nen; wenn beide Parteien sich wiederum mit einander vereinen, so dürste der
Bund leicht ein unauflöslicher sein. Jede Ministerkrisis muß jetzt, der Natur der
Sache nach, gefährlicher sein als die vorhergehende und die Radikalen der Herr¬
schaft näher bringen. Mag der Zusammenstoß erfolgen, wie er will — so viel
ist gewiß: gestalten sich die Dinge noch einmal wie am 7. September, so wird
die äußerste Linke Alles aufbieten, um sich den Sieg nicht wieder entreißen zu
lassen, den man ihr diesmal noch glücklich entwunden. Noch einmal läge dann
die Wahl vor zwischen Pöbelherrschaft oder bewaffneter Reaction und wahrschein¬
lich wäre keine Vermittlung mehr möglich. —

In dem Falle dagegen, daß es dem Ministerium mit seinen patriotischen
Ideen wirklich Ernst ist, würde es jetzt leichter als je sein, ein neues Cabinet zu
finden, das in der Kammer eine feste Stütze hätte, ohne den Angrissen ehrgeiziger
Parteiführer ausgesetzt zu sein, von den Radikalen völlig unabhängig wäre und
das Zutrauen des Volkes besäße, ohne in Potsdam Widerwillen zu erregen. Mit
der Bildung desselben müßte dann jedenfalls Rvdbertus beauftragt werden, dieser
hätte aber nicht mehr nöthig, so weit links zu gehen, wie unmittelbar nach dem
7. September. Er würde sich jetzt ganz auf das Centrum beschränken und daher
nicht mehr bei Hofe auf unüberwindliche Antipathien stoßen. Von Waldeck kann
nicht ferner die Rede sein: er hat sich in der letzten Zeit völlig unmöglich ge¬
macht, besitzt fast nur noch bei den Radikalen Credit und wäre im Ministerium
eher ein Stein des Anstoßes, als eine Stütze desselben. Aus dem jetzigen Kabinet
würde Rodbertus jedenfalls Bonin herübernehmen, der als tüchtiger Finanz¬
mann bekannt, auch durch seine Antecedentien weniger compromittirt ist, als seine
College». Wenn es möglich wäre, den greisen Pfuel zur Beibehaltung seines
Portefeuilles als Kriegsminister zu bewegen, so müßte auch das geschehen; doch
wird der 78 jährige Mann sich schwerlich darauf einlassen. Aus dem Centrum
würden sodann Unruh und Blom eintreten, die sich beide in der letzten Zeit
durch ein eben so entschiedenes als gemäßigtes Benehmen ausgezeichnet haben.
Blom und Berg waren es, die durch ihren Antrag wegen der Frankfurter
Gräuel deu Bruch zwischen Konstitutionellen und Radikalen entschieden, Unruh
griff besonders vortheilhaft in die Debatte über die Kölner Ereignisse ein. Phil¬
lips ist leider durch Schwäche, welche er bei der Führung des Präsidiums wäh¬
rend Grabow's Krankheit gezeigt hat, bei seiner eigenen Partei in großen
Mißcredit gerathen. Die Rechte benahm sich gegen ihn auf wahrhaft empörende
Weise; während sie sich ganz ruhig und still verhielt, sobald Jonas präsidirte,
lärmte und tobte sie, wie in einer Bierkneipe, wenn Phillips die Leitung über¬
nahm. Am übelsten war es, daß dieser sich bei Gelegenheit des Antrags von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/38>, abgerufen am 22.07.2024.