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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Beamtenthum u. s. w. zu identificiren. Jetzt, wo die Deutschen unverholen ihre
Sympathien für Wien an den Tag legen, haben die farblosen Konservativen nichts
Eiligeres zu thun, als das Programm der czechischcn Partei, so gut als es geht,
sich geläufig zu machen. -- Jene Partei aber, die weder in die verächtliche Po¬
litik des dynastischen Centrums, noch in die einseitige der slavischen Rechten ein¬
geht, und durch ein starkes und untrennbares Oestreich will -- die Partei der
"Organisation", zu der die Männer der Grenzboten gehören, hat sich hier noch
nicht constituirt; denn die wenigen Einzelnen, die ihr angehören, bilden mit ihren
isolirten Ueberzeugungen noch keine Partei. Sowie ehemals die Opposition ge¬
gen die unbeschränkte monarchische Willkür von Altöstreich im Auslande den festen
Stützpunct suchte, um von da aus durch die Mittel der Kritik die Befreiung des
Vaterlandes allmälig anzubahnen: ebenso sucht zum zweiten Male die vernünf¬
tige Opposition gegen den schrankenlosen demokratischen Absolutismus und gegen
die Willkür der nationalen Selbstsucht von Außen her auf die Neugestaltung
Oestreichs einzuwirken, weil sie noch zu Hause nicht vermittelnd und einigend
zwischen die leidenschaftlich bewegten Parteien zu treten vermag. Das bekannte
Motto der slavischen Politik ist wohl auch die "Integrität der Monarchie;" aber
diese Politik ist unverläßlich, weil sie allein und einzig durch den dunklen Fata-
lismus des Nationalgefühls bestimmt wird, und der feste 'Mittelpunct des Be¬
griffs ihr gänzlich abgeht. Sie ist darum weit mehr Religion als Politik. Der¬
selbe Fatalismus, der die czechischen Patrioten zu dem loyalen Verhalten von
hente nöthigt, rieß sie im Juni zu den blutigen Excessen der Pfingsttage fort.
Die Politik der Czechen ist in ihrer Wurzel,, in ihren letzten Bestimmungsgnm-
den von der magyarischen und polnischen Politik durchaus nicht verschieden; nur
die-äußern, factischen Voraussetzungen haben ihr eine so wesentlich andere Rich¬
tung gegeben, -- und auch diesen allein, nicht aber ihrer innern Berechtigung
hat sie ihre Lebensfähigkeit zu danken. So kam es denn, daß die nationale Po¬
litik, von derselben Nothwendigkeit getrieben, in Ungarn eine destructive, in Böh¬
men dagegen eine conservirende Wirkung auf den Gesammtstaat ausübte, ohne
daß sich hier von .Schuld oder Verdienst viel reizen ließe. Denn diese Politik ist
unfrei, weil sie nur dem dunklen Triebe-eines Gottes folgt. Es ist gut, daß
sich in Ermanglung eines andern, bessern Gegensatzes das unfähige Pathos der
Linken an dem energischen Widerspruch der slavischen Rechten, die Politik Kost
such's an dem gereizten Nationalgefühl der Südslaven bricht. Wenn aber durch
die Politik Palacky's und die Waffenthaten Jellachichs mittelbar oder unmittelbar
die stattliche Einheit Oestreichs gerettet wird -- so ist dies kein Verdienst der
P 25. artei ^- sondern eine Fügung des Weltgeistes.




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Beamtenthum u. s. w. zu identificiren. Jetzt, wo die Deutschen unverholen ihre
Sympathien für Wien an den Tag legen, haben die farblosen Konservativen nichts
Eiligeres zu thun, als das Programm der czechischcn Partei, so gut als es geht,
sich geläufig zu machen. — Jene Partei aber, die weder in die verächtliche Po¬
litik des dynastischen Centrums, noch in die einseitige der slavischen Rechten ein¬
geht, und durch ein starkes und untrennbares Oestreich will — die Partei der
„Organisation", zu der die Männer der Grenzboten gehören, hat sich hier noch
nicht constituirt; denn die wenigen Einzelnen, die ihr angehören, bilden mit ihren
isolirten Ueberzeugungen noch keine Partei. Sowie ehemals die Opposition ge¬
gen die unbeschränkte monarchische Willkür von Altöstreich im Auslande den festen
Stützpunct suchte, um von da aus durch die Mittel der Kritik die Befreiung des
Vaterlandes allmälig anzubahnen: ebenso sucht zum zweiten Male die vernünf¬
tige Opposition gegen den schrankenlosen demokratischen Absolutismus und gegen
die Willkür der nationalen Selbstsucht von Außen her auf die Neugestaltung
Oestreichs einzuwirken, weil sie noch zu Hause nicht vermittelnd und einigend
zwischen die leidenschaftlich bewegten Parteien zu treten vermag. Das bekannte
Motto der slavischen Politik ist wohl auch die „Integrität der Monarchie;" aber
diese Politik ist unverläßlich, weil sie allein und einzig durch den dunklen Fata-
lismus des Nationalgefühls bestimmt wird, und der feste 'Mittelpunct des Be¬
griffs ihr gänzlich abgeht. Sie ist darum weit mehr Religion als Politik. Der¬
selbe Fatalismus, der die czechischen Patrioten zu dem loyalen Verhalten von
hente nöthigt, rieß sie im Juni zu den blutigen Excessen der Pfingsttage fort.
Die Politik der Czechen ist in ihrer Wurzel,, in ihren letzten Bestimmungsgnm-
den von der magyarischen und polnischen Politik durchaus nicht verschieden; nur
die-äußern, factischen Voraussetzungen haben ihr eine so wesentlich andere Rich¬
tung gegeben, — und auch diesen allein, nicht aber ihrer innern Berechtigung
hat sie ihre Lebensfähigkeit zu danken. So kam es denn, daß die nationale Po¬
litik, von derselben Nothwendigkeit getrieben, in Ungarn eine destructive, in Böh¬
men dagegen eine conservirende Wirkung auf den Gesammtstaat ausübte, ohne
daß sich hier von .Schuld oder Verdienst viel reizen ließe. Denn diese Politik ist
unfrei, weil sie nur dem dunklen Triebe-eines Gottes folgt. Es ist gut, daß
sich in Ermanglung eines andern, bessern Gegensatzes das unfähige Pathos der
Linken an dem energischen Widerspruch der slavischen Rechten, die Politik Kost
such's an dem gereizten Nationalgefühl der Südslaven bricht. Wenn aber durch
die Politik Palacky's und die Waffenthaten Jellachichs mittelbar oder unmittelbar
die stattliche Einheit Oestreichs gerettet wird — so ist dies kein Verdienst der
P 25. artei ^- sondern eine Fügung des Weltgeistes.




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[0365] Beamtenthum u. s. w. zu identificiren. Jetzt, wo die Deutschen unverholen ihre Sympathien für Wien an den Tag legen, haben die farblosen Konservativen nichts Eiligeres zu thun, als das Programm der czechischcn Partei, so gut als es geht, sich geläufig zu machen. — Jene Partei aber, die weder in die verächtliche Po¬ litik des dynastischen Centrums, noch in die einseitige der slavischen Rechten ein¬ geht, und durch ein starkes und untrennbares Oestreich will — die Partei der „Organisation", zu der die Männer der Grenzboten gehören, hat sich hier noch nicht constituirt; denn die wenigen Einzelnen, die ihr angehören, bilden mit ihren isolirten Ueberzeugungen noch keine Partei. Sowie ehemals die Opposition ge¬ gen die unbeschränkte monarchische Willkür von Altöstreich im Auslande den festen Stützpunct suchte, um von da aus durch die Mittel der Kritik die Befreiung des Vaterlandes allmälig anzubahnen: ebenso sucht zum zweiten Male die vernünf¬ tige Opposition gegen den schrankenlosen demokratischen Absolutismus und gegen die Willkür der nationalen Selbstsucht von Außen her auf die Neugestaltung Oestreichs einzuwirken, weil sie noch zu Hause nicht vermittelnd und einigend zwischen die leidenschaftlich bewegten Parteien zu treten vermag. Das bekannte Motto der slavischen Politik ist wohl auch die „Integrität der Monarchie;" aber diese Politik ist unverläßlich, weil sie allein und einzig durch den dunklen Fata- lismus des Nationalgefühls bestimmt wird, und der feste 'Mittelpunct des Be¬ griffs ihr gänzlich abgeht. Sie ist darum weit mehr Religion als Politik. Der¬ selbe Fatalismus, der die czechischen Patrioten zu dem loyalen Verhalten von hente nöthigt, rieß sie im Juni zu den blutigen Excessen der Pfingsttage fort. Die Politik der Czechen ist in ihrer Wurzel,, in ihren letzten Bestimmungsgnm- den von der magyarischen und polnischen Politik durchaus nicht verschieden; nur die-äußern, factischen Voraussetzungen haben ihr eine so wesentlich andere Rich¬ tung gegeben, — und auch diesen allein, nicht aber ihrer innern Berechtigung hat sie ihre Lebensfähigkeit zu danken. So kam es denn, daß die nationale Po¬ litik, von derselben Nothwendigkeit getrieben, in Ungarn eine destructive, in Böh¬ men dagegen eine conservirende Wirkung auf den Gesammtstaat ausübte, ohne daß sich hier von .Schuld oder Verdienst viel reizen ließe. Denn diese Politik ist unfrei, weil sie nur dem dunklen Triebe-eines Gottes folgt. Es ist gut, daß sich in Ermanglung eines andern, bessern Gegensatzes das unfähige Pathos der Linken an dem energischen Widerspruch der slavischen Rechten, die Politik Kost such's an dem gereizten Nationalgefühl der Südslaven bricht. Wenn aber durch die Politik Palacky's und die Waffenthaten Jellachichs mittelbar oder unmittelbar die stattliche Einheit Oestreichs gerettet wird — so ist dies kein Verdienst der P 25. artei ^- sondern eine Fügung des Weltgeistes. Grmjbotm. lV. i«««.46

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/365>, abgerufen am 27.11.2024.