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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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heraufbeschworen, damit er ihr bei dem Unterbau eines festen dauerhaften Staats¬
gebäudes in ihrem Sinne Hilfe leiste, so wie mau den Teufel nach den mittel¬
alterlichen Sagen zum Baue der Dome benutzte. Ob dies klug und sittlich sei,
ist eine andere Frage. So viel ist gewiß: Die Leidenschaft paßt in kein Rechen-
exempel, in keine Combination hinein -- und es dürste schwer halten, die Besen
wieder in die Ecke zu stelle", nachdem die Geister ihre Dienste gethan. --

Die Czechen werfen sich mit allzu sicherem Vertrauen der Regierung in die
Arme, blos deshalb, weil ihre Politik auch dem äußern Scheine nach nicht mehr
deutsch ist. Die Idylle von Kremsier hat bereits begonnen -- und schon seit
geraumer Zeit sind die Flüchtlinge der Rechten dahin abgereist. Sie erhielten
ein feierliches Geleite, und vaterländische Gesänge, wie d"S "l>"-i slgvimv" oder
"Kalk llomov n"ij" tönten ihnen nach. Kurz vor der Abfahrt des Eisenbahn-
zuges hielt noch Dr. Rieger eine Abschiedsrede, in der er das Benehmen der
czechischen Deputirten rechtfertigte, und die kühne Behauptung aufstellte: es gebe
keine Reaction. Man muß es als Thorheit schelten, wenn der Radikalismus das
Gespenst der Reaction unnöthiger Weise an die Wand malt; aber eben so un¬
besonnen ist es, sie zu leugnen, wenn sie wirklich da ist. Wie Don Quixote
gegen die Windmühlen, so ist der Wiener Demokrat schon längst gegen das
Traumgebilde der Reaction in den Kampf gezogen. Als aber die Windmühle sich
in einen wirklichen Niesen verwandelte, da vermochte der Ritter der neuen No
maudit nichts gegen den letztern, weil er in dein phantastischen Kampfe gegen die
erstere alle Kraft erschöpft hatte. Die Ezechen ihrerseits lassen den Niesen nur
als Windmühle gelten - und verfallen so in den entgegengesetzten Jdealis
mus. Die Reaction mußte kommen, damit der maßlos herausdrängende, revolu¬
tionäre Trieb eine Grenze finde, und an die Nothwendigkeit euier bestimmten
Form erinnert werde; weil aber auch die Reaction nicht an sich selbst das ver¬
nünftige Maß hat, so muß sie es an der entschiedenen, sittlichen Haltung der
Völker und ihrer Vertreter finden. Dazu ist vor allem nöthig , daß man die
Existenz der Reaction nicht leugne. --

Die czechische Partei hat durch, ihre jetzige, streng loyale Haltung eine große
Eroberung an dem gesammten bewegungsscheuen Philistertum gemacht. Jetzt
gelten die Ezechen trotz der Excesse der Pfingstwoche für die eigentlich braven
Leute, für die wahren aufrichtigen Freunde der Ordnung, sowie Jellachich der
getreueste Dienernder Dynastie ist, obgleich vor etlichen Monaten das Bild des
Erzherzogs Stephan in Agram verbrannt wurde. Damals als es noch schien,
daß die Ezechen die Revolution auf eigene Hand ins Unbestimmte fortsetzen wol¬
len, traten die Philister durch das loyale Aushängeschild des "constitutionellen"
Vereins verlockt, massenweise auf die Seite der deutschen Partei; und so fanden
die Ezechen willkommenen Anlaß, eine durch die Aufnahme solcher Elemente ge¬
drückte Fraction reactionär zu schelten, und das Deutschthum neuerdings mit dem


heraufbeschworen, damit er ihr bei dem Unterbau eines festen dauerhaften Staats¬
gebäudes in ihrem Sinne Hilfe leiste, so wie mau den Teufel nach den mittel¬
alterlichen Sagen zum Baue der Dome benutzte. Ob dies klug und sittlich sei,
ist eine andere Frage. So viel ist gewiß: Die Leidenschaft paßt in kein Rechen-
exempel, in keine Combination hinein — und es dürste schwer halten, die Besen
wieder in die Ecke zu stelle», nachdem die Geister ihre Dienste gethan. —

Die Czechen werfen sich mit allzu sicherem Vertrauen der Regierung in die
Arme, blos deshalb, weil ihre Politik auch dem äußern Scheine nach nicht mehr
deutsch ist. Die Idylle von Kremsier hat bereits begonnen — und schon seit
geraumer Zeit sind die Flüchtlinge der Rechten dahin abgereist. Sie erhielten
ein feierliches Geleite, und vaterländische Gesänge, wie d«S „l>«-i slgvimv" oder
„Kalk llomov n»ij" tönten ihnen nach. Kurz vor der Abfahrt des Eisenbahn-
zuges hielt noch Dr. Rieger eine Abschiedsrede, in der er das Benehmen der
czechischen Deputirten rechtfertigte, und die kühne Behauptung aufstellte: es gebe
keine Reaction. Man muß es als Thorheit schelten, wenn der Radikalismus das
Gespenst der Reaction unnöthiger Weise an die Wand malt; aber eben so un¬
besonnen ist es, sie zu leugnen, wenn sie wirklich da ist. Wie Don Quixote
gegen die Windmühlen, so ist der Wiener Demokrat schon längst gegen das
Traumgebilde der Reaction in den Kampf gezogen. Als aber die Windmühle sich
in einen wirklichen Niesen verwandelte, da vermochte der Ritter der neuen No
maudit nichts gegen den letztern, weil er in dein phantastischen Kampfe gegen die
erstere alle Kraft erschöpft hatte. Die Ezechen ihrerseits lassen den Niesen nur
als Windmühle gelten - und verfallen so in den entgegengesetzten Jdealis
mus. Die Reaction mußte kommen, damit der maßlos herausdrängende, revolu¬
tionäre Trieb eine Grenze finde, und an die Nothwendigkeit euier bestimmten
Form erinnert werde; weil aber auch die Reaction nicht an sich selbst das ver¬
nünftige Maß hat, so muß sie es an der entschiedenen, sittlichen Haltung der
Völker und ihrer Vertreter finden. Dazu ist vor allem nöthig , daß man die
Existenz der Reaction nicht leugne. —

Die czechische Partei hat durch, ihre jetzige, streng loyale Haltung eine große
Eroberung an dem gesammten bewegungsscheuen Philistertum gemacht. Jetzt
gelten die Ezechen trotz der Excesse der Pfingstwoche für die eigentlich braven
Leute, für die wahren aufrichtigen Freunde der Ordnung, sowie Jellachich der
getreueste Dienernder Dynastie ist, obgleich vor etlichen Monaten das Bild des
Erzherzogs Stephan in Agram verbrannt wurde. Damals als es noch schien,
daß die Ezechen die Revolution auf eigene Hand ins Unbestimmte fortsetzen wol¬
len, traten die Philister durch das loyale Aushängeschild des „constitutionellen"
Vereins verlockt, massenweise auf die Seite der deutschen Partei; und so fanden
die Ezechen willkommenen Anlaß, eine durch die Aufnahme solcher Elemente ge¬
drückte Fraction reactionär zu schelten, und das Deutschthum neuerdings mit dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/364>, abgerufen am 23.11.2024.