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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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mit England zu unterziehen hätte. Es sucht Oestreich von sich abhängig und dadurch
für seine Pläne unschädlich zu machen. Bei den steten Gefahren, welche der östrei¬
chischen Monarchie von Innen und von Außen drohen, so lange sie nichts als der
eiserne Reis ist, welcher ungleichartige, widerstrebende Völkerschaften mit feindlicher
Gewalt zusammenhängt, kann Rußland der altöstreichischen Politik sich leicht un¬
entbehrlich machen, wenn es den Bestand ihrer Länder garantirt. Weiter kann
diese mühselige, von alle Seiten schon vollauf beschäftigte Politik nicht reichen.
Sie erkauft jene Garantie gern mit dem Opfer, allen Plänen auf die entscheiden¬
den Posten im Südosten zu entsagen. So beseitigt Rußland ans die bequemste
Weise einen gefährlichen Concurrenten, das östreichische Regime aber sucht sich in
Deutschland durch jenen uns wohl bekannten Mctternichschen Einfluß zu entschädi¬
gen. Es ist keine Frage, daß diese Gefahr bei den jetzigen östreichischen Verhält¬
nissen am nächsten liegt. Denn die Emente ist nicht durch grvßblickende Staatsmänner,
sondern durch die alte bureaukratisch militärische Regierung gebändigt worden. Ein
solches Oestreich, eine Beute der russischen Intriguen, ohne lebendige Entwicklung
seiner Kräfte nach Außen, ohne den Durchgang des östlichen Handels würde sich
industriell für sich abzuschließen und ein Gleichgewicht zwischen seiner Industrie und
seiner natürlichen Produktion herzustellen suchen. Es würde der deutschen Industrie
den Eingang verschließen. Einer solchen traurigen Eventualität zu begegnen ist
die Aufgabe der deutschen und der östreichischen Volker. Dentschland muß sich
jedes Metteruichschcu Einflusses kräftig erwehren und dadurch Oestreich auf den
Osten zurückweisen. Die Völker Oestreichs müssen durch besonnenes, festes und
klares Fortschreiten in der volksthümlichen und constitutionellen Entwickelung ihre
Kräfte erstarken und den natürlichen Ausweg finden lassen. --

Werfen wir "och einen flüchtigen Blick aus die Argumente, welche gegen die
Trennung Oestreichs in der Paulskirche geltend gemacht worden, so unterscheiden
wir vier Gruppen von Ansichten. Die erste Gruppe ist die der spicßbnrgerliÄieu
Sentimentalität und Bedenklichkeit. Wie verzärtelte Geschwister lieber in der Fa¬
milie verkümmern, als sich zum Gang des Lebens trennen, so wollen diese Herren
durchaus von ihren Brüdern nicht lassen, obgleich das Familienverhältniß von
gestern oder vielmehr eine Ciubildnng ist. Dann, meinen sie, es hat Schade, so
viel Land und Leute zu verlieren. Fragt sich nur, wobei man mehr verliert, und
wir wissen doch aus der Knabenzeit von Marathon und Salamis, daß es die
unbeholfene Masse nicht thut. Die zweite Gruppe sind die sogenannten reinen
Demokraten. Sie wollen keine kräftige Negierung in Dentschland und darum eine
unbesiegbare Schwierigkeit. Die dritte Gruppe sagt: wir dürfen Oestreich um
keinen Preis von uns lassen, aber wenn es sich, was Gott verhüten wolle, dem
strengen Bundesstaat nicht fügt (und sie geben zu verstehen, daß das eine Un¬
möglichkeit sein dürfte), so muß es doch geschehen! Sie sind eigentlich für die
Trennung. Schade nur um den Umweg und den Mangel positiver Ueberzeugung.


mit England zu unterziehen hätte. Es sucht Oestreich von sich abhängig und dadurch
für seine Pläne unschädlich zu machen. Bei den steten Gefahren, welche der östrei¬
chischen Monarchie von Innen und von Außen drohen, so lange sie nichts als der
eiserne Reis ist, welcher ungleichartige, widerstrebende Völkerschaften mit feindlicher
Gewalt zusammenhängt, kann Rußland der altöstreichischen Politik sich leicht un¬
entbehrlich machen, wenn es den Bestand ihrer Länder garantirt. Weiter kann
diese mühselige, von alle Seiten schon vollauf beschäftigte Politik nicht reichen.
Sie erkauft jene Garantie gern mit dem Opfer, allen Plänen auf die entscheiden¬
den Posten im Südosten zu entsagen. So beseitigt Rußland ans die bequemste
Weise einen gefährlichen Concurrenten, das östreichische Regime aber sucht sich in
Deutschland durch jenen uns wohl bekannten Mctternichschen Einfluß zu entschädi¬
gen. Es ist keine Frage, daß diese Gefahr bei den jetzigen östreichischen Verhält¬
nissen am nächsten liegt. Denn die Emente ist nicht durch grvßblickende Staatsmänner,
sondern durch die alte bureaukratisch militärische Regierung gebändigt worden. Ein
solches Oestreich, eine Beute der russischen Intriguen, ohne lebendige Entwicklung
seiner Kräfte nach Außen, ohne den Durchgang des östlichen Handels würde sich
industriell für sich abzuschließen und ein Gleichgewicht zwischen seiner Industrie und
seiner natürlichen Produktion herzustellen suchen. Es würde der deutschen Industrie
den Eingang verschließen. Einer solchen traurigen Eventualität zu begegnen ist
die Aufgabe der deutschen und der östreichischen Volker. Dentschland muß sich
jedes Metteruichschcu Einflusses kräftig erwehren und dadurch Oestreich auf den
Osten zurückweisen. Die Völker Oestreichs müssen durch besonnenes, festes und
klares Fortschreiten in der volksthümlichen und constitutionellen Entwickelung ihre
Kräfte erstarken und den natürlichen Ausweg finden lassen. —

Werfen wir »och einen flüchtigen Blick aus die Argumente, welche gegen die
Trennung Oestreichs in der Paulskirche geltend gemacht worden, so unterscheiden
wir vier Gruppen von Ansichten. Die erste Gruppe ist die der spicßbnrgerliÄieu
Sentimentalität und Bedenklichkeit. Wie verzärtelte Geschwister lieber in der Fa¬
milie verkümmern, als sich zum Gang des Lebens trennen, so wollen diese Herren
durchaus von ihren Brüdern nicht lassen, obgleich das Familienverhältniß von
gestern oder vielmehr eine Ciubildnng ist. Dann, meinen sie, es hat Schade, so
viel Land und Leute zu verlieren. Fragt sich nur, wobei man mehr verliert, und
wir wissen doch aus der Knabenzeit von Marathon und Salamis, daß es die
unbeholfene Masse nicht thut. Die zweite Gruppe sind die sogenannten reinen
Demokraten. Sie wollen keine kräftige Negierung in Dentschland und darum eine
unbesiegbare Schwierigkeit. Die dritte Gruppe sagt: wir dürfen Oestreich um
keinen Preis von uns lassen, aber wenn es sich, was Gott verhüten wolle, dem
strengen Bundesstaat nicht fügt (und sie geben zu verstehen, daß das eine Un¬
möglichkeit sein dürfte), so muß es doch geschehen! Sie sind eigentlich für die
Trennung. Schade nur um den Umweg und den Mangel positiver Ueberzeugung.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/361>, abgerufen am 24.11.2024.