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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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taken Abscheu gegen die englische Politik hingerissen. Allein diese Politik ist be-
wundernswerth und vollkommen berechtigt. Ein Volk von 40 Mill. Idealisten, das
aus Schwärmerei für einen Namen, und wäre es der Name Republik, sich der Rohheit
und Charlatanerie überantwortet, oder sich von solchen theoretischen Abstraktionen
bethören läßt, wie die Gleichberechtigung der Nationalitäten d. h. die Gleichberechti¬
gung des geistig freien Inhalts und der ungewaschene" Natur, ein solches Volk ver¬
dient keinen Antheil an der Weltgeschichte. Es wird lächerlich, wenn es sich zur gut¬
müthigen Narrheit des Herrn Eisenmann erhebt und mit der Sympathie einer siebzehn¬
jährigen Confirmandin für ritterliche Barbaren, die schöne Schnurrbärte tragen, an
sich selbst zum Verräther wird. Das Recht an der geschichtlichen Arbeit Theil zu nehmen
erwirbt ein Volk allein durch politische Thatkraft und Klugheit. Wissenschaftliche
und poetische Tiefe geben dieses Recht noch nicht. Dergleichen Schätze kann die
Nachwelt übersetzen nud solche Anlagen verzehren sich ohne den Quell des ethi¬
schen Lebens in sich selbst. Die Deutschen sollen jetzt die Probe machen, sie sol¬
len durch Verstand und Energie das Recht erwerben, in der Geschichte zu existi-
ren. Dann dürfen sie nicht gutmüthigen Narren folgen. Die Engländer aber
haben Recht, uns auf die Probe zu stellen. ES wäre ein Unglück, große Auf¬
gaben der Cultur unbrauchbaren Phantasten zu überlassen. Schon in der Zeit
der Barbarei bewährten die Völker ihre Existenz durch Kampf. Der heutige
Kampf der Völker ist eben so rücksichtslos in seinen, Mitteln, aber humaner in
seinen Formen. Ein Volk verliert heut seine Unabhängigkeit nicht mehr durch
einen Krieg der Vernichtung, sondern dadurch, daß es nicht selbstständig in der
Geschichte fortschreitet.

Der Principal des Südostens muß der deutschen Nation bleiben, im Interesse
der europäischen Civilisation und der deutschen Zukunft. Dieser große Zweck
kann nur erreicht werden bei der Integrität des östreichischen Ge-
sammtstaates durch ein ungetheiltes constitutionelles Oestreich.
Die Schlingpflanze des Magyansmuö muß in die Schranken einer Provinzialsou-
veräuität zurückgewiesen werden. Weiches soll nun das Verhältniß des östreichi¬
schen Gesammtstaates zum deutschen Reiche des Westens sein? Es gibt drei Lö¬
sungen dieser Frage, eine sckwcu-zrolhgoloene, eine schwarzgelbrvthe und eine schwarz-
gelbe und jede hat ihre Variationen.

Eine schwarzrotgoldene Phantasie möchte das ungetheilte Oestreich dem deut¬
schen Gesammtstaat einrerleiben. Sie hat verdientermaßen nie Beachtung gefunden.
Wir theilen sie nur der vollständigen Combination wegen mit. Der schwarzrolh-
goldue Plan, Oestreich zu theilen und die Erdtaube zum Reich zu schlagen, ist
dnrch die vorangehende Ausführung widerlegt. Die Personalunion, wenn sie eine
Wahrheit sein soll, bedeutet die Theilung Oestreichs. Endlich die Insinuation,
zu Gunsten Oestreichs, das bundesstaatliche Gesetz zu durchlöchern, ist durch einen
andern Aufsatz dieser Blätter erschöpfend widerlegt.


taken Abscheu gegen die englische Politik hingerissen. Allein diese Politik ist be-
wundernswerth und vollkommen berechtigt. Ein Volk von 40 Mill. Idealisten, das
aus Schwärmerei für einen Namen, und wäre es der Name Republik, sich der Rohheit
und Charlatanerie überantwortet, oder sich von solchen theoretischen Abstraktionen
bethören läßt, wie die Gleichberechtigung der Nationalitäten d. h. die Gleichberechti¬
gung des geistig freien Inhalts und der ungewaschene» Natur, ein solches Volk ver¬
dient keinen Antheil an der Weltgeschichte. Es wird lächerlich, wenn es sich zur gut¬
müthigen Narrheit des Herrn Eisenmann erhebt und mit der Sympathie einer siebzehn¬
jährigen Confirmandin für ritterliche Barbaren, die schöne Schnurrbärte tragen, an
sich selbst zum Verräther wird. Das Recht an der geschichtlichen Arbeit Theil zu nehmen
erwirbt ein Volk allein durch politische Thatkraft und Klugheit. Wissenschaftliche
und poetische Tiefe geben dieses Recht noch nicht. Dergleichen Schätze kann die
Nachwelt übersetzen nud solche Anlagen verzehren sich ohne den Quell des ethi¬
schen Lebens in sich selbst. Die Deutschen sollen jetzt die Probe machen, sie sol¬
len durch Verstand und Energie das Recht erwerben, in der Geschichte zu existi-
ren. Dann dürfen sie nicht gutmüthigen Narren folgen. Die Engländer aber
haben Recht, uns auf die Probe zu stellen. ES wäre ein Unglück, große Auf¬
gaben der Cultur unbrauchbaren Phantasten zu überlassen. Schon in der Zeit
der Barbarei bewährten die Völker ihre Existenz durch Kampf. Der heutige
Kampf der Völker ist eben so rücksichtslos in seinen, Mitteln, aber humaner in
seinen Formen. Ein Volk verliert heut seine Unabhängigkeit nicht mehr durch
einen Krieg der Vernichtung, sondern dadurch, daß es nicht selbstständig in der
Geschichte fortschreitet.

Der Principal des Südostens muß der deutschen Nation bleiben, im Interesse
der europäischen Civilisation und der deutschen Zukunft. Dieser große Zweck
kann nur erreicht werden bei der Integrität des östreichischen Ge-
sammtstaates durch ein ungetheiltes constitutionelles Oestreich.
Die Schlingpflanze des Magyansmuö muß in die Schranken einer Provinzialsou-
veräuität zurückgewiesen werden. Weiches soll nun das Verhältniß des östreichi¬
schen Gesammtstaates zum deutschen Reiche des Westens sein? Es gibt drei Lö¬
sungen dieser Frage, eine sckwcu-zrolhgoloene, eine schwarzgelbrvthe und eine schwarz-
gelbe und jede hat ihre Variationen.

Eine schwarzrotgoldene Phantasie möchte das ungetheilte Oestreich dem deut¬
schen Gesammtstaat einrerleiben. Sie hat verdientermaßen nie Beachtung gefunden.
Wir theilen sie nur der vollständigen Combination wegen mit. Der schwarzrolh-
goldue Plan, Oestreich zu theilen und die Erdtaube zum Reich zu schlagen, ist
dnrch die vorangehende Ausführung widerlegt. Die Personalunion, wenn sie eine
Wahrheit sein soll, bedeutet die Theilung Oestreichs. Endlich die Insinuation,
zu Gunsten Oestreichs, das bundesstaatliche Gesetz zu durchlöchern, ist durch einen
andern Aufsatz dieser Blätter erschöpfend widerlegt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/358>, abgerufen am 24.11.2024.