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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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mau sich die unermeßliche Wichtigkeit der Donauländer für die Geschicke des euro¬
päischen Handels vergegenwärtigen.

Der Welthandel im Ganzen und Großen hat die Bestimmung den Austausch
der europäischen Civilisation mit dem natürlichen Reichthum der übrigen Conti¬
nente zu vermitteln. Es ist bekannt, wie überwiegend dieser Handel sich in den
Händen Englands befindet, welches nicht nur als alleiniger Besitzer eines vollen¬
deten Systems von Weltcommunicationsmittelu *) der Ueberliefcrer und Zwischen¬
händler dieses Weltverkehrs, sondern auch vermöge der riesenhaften Entwickelung
seiner Industrie auf europäischer Seite bei weitem der vornehmste Producent des¬
selben ist. In der Richtung dieses Handels bereitet sich seit lange eine große Ver¬
änderung vor, die in verhältnißmäßig kurzer Zeit ihrem Abschluß nahe sein dürfte.

Während uach der Entdeckung Amerika's bis auf die neuere Zeit der euro¬
päisch - amerikanische Handel den Haupttheil des Weltverkehrs bildete, so beginnt
sich dies Verhältniß zu ändern seit dem reißenden Aufschwung der nordamerikani¬
schen Civilisation, welche jetzt schon in industrieller Beziehung der europäischen
gleich kommt, wenn nicht sie bereits überholt hat. Nordamerika hat nicht nur
innerhalb seines Bereichs sich von der europäischen, d. h. englischen Industrie und
ihrer Zufuhr emancipirt, es ist in Westindien und Südamerika für England ein
mächtiger Concurrent geworden, welchen! England in diesem Welttheile gänzlich
wird weichen müssen. Amerika bildet eine selbstständige ökonomische Totalität, ans
einem so unermeßlichen Schauplatz, mit so vollständigen Hilfsmitteln und über¬
reichen Bedingungen bei einer so kräftigen Civilisation, daß jede wesentliche Be¬
theiligung eines andern Welttheils vor der Hand überflüssig erscheint. Daher
stellt sich für Europa die Aufgabe, den Absatz seiner Industrie wieder nach Asien
zu lenken, und die gewaltigen physischen Reichthümer dieses Welttheils aufs
Neue auszubeuten. Die Engländer haben dieses Verhältniß seit lange mit gewohn¬
tem Scharfblick erkannt und mit bewundernswerther Umsicht und Ausdauer die
neue Wendung ihres Handels vorbereitet. Sie haben auf alle Weise den Verkehr
mit Asien zu monopolisiren gesucht.

Gegen den russischen Landhandel mit dem nördlichen und einem Theil des
westlichen Asiens konnten und brauchten sie nicht zu concurriren. Der Handel



*) Dahin gehört nicht blos die großartige Seemacht, sondern auch die zahlreichen, überall
verstreuten Etablissements und militärischen Posten, "Der Schutz, den England dadurch seinen
Schiffen gewährt, wird vorzüglich die Gelegenheit eines vortheilhaften Zwischenhandels, die sich
hier-den englischen Kaufleuten bietet, erschwert natürlich den andern Nationen, die in Erman¬
gelung solcher glücklich gelegenen Stationen, die Ueberfahrt direct machen müssen, die Concur-
renz mit dem Inselreich in hohem Grade. Durch einen so ausgedehnten, vielverzweigten See¬
verkehr wird es dem englischen Gouvernement möglich, die Kosten jener bedeutenden Aufsichts-
geschwader zu decken, welche die eigentliche Basis der englischen Seemacht bilden und jeden Augen¬
blick bereit sind, der Handelsflotte einen eben so raschen als wirksamen Schutz zu verschaffen."
La Fairs Geschichte des Handels.

mau sich die unermeßliche Wichtigkeit der Donauländer für die Geschicke des euro¬
päischen Handels vergegenwärtigen.

Der Welthandel im Ganzen und Großen hat die Bestimmung den Austausch
der europäischen Civilisation mit dem natürlichen Reichthum der übrigen Conti¬
nente zu vermitteln. Es ist bekannt, wie überwiegend dieser Handel sich in den
Händen Englands befindet, welches nicht nur als alleiniger Besitzer eines vollen¬
deten Systems von Weltcommunicationsmittelu *) der Ueberliefcrer und Zwischen¬
händler dieses Weltverkehrs, sondern auch vermöge der riesenhaften Entwickelung
seiner Industrie auf europäischer Seite bei weitem der vornehmste Producent des¬
selben ist. In der Richtung dieses Handels bereitet sich seit lange eine große Ver¬
änderung vor, die in verhältnißmäßig kurzer Zeit ihrem Abschluß nahe sein dürfte.

Während uach der Entdeckung Amerika's bis auf die neuere Zeit der euro¬
päisch - amerikanische Handel den Haupttheil des Weltverkehrs bildete, so beginnt
sich dies Verhältniß zu ändern seit dem reißenden Aufschwung der nordamerikani¬
schen Civilisation, welche jetzt schon in industrieller Beziehung der europäischen
gleich kommt, wenn nicht sie bereits überholt hat. Nordamerika hat nicht nur
innerhalb seines Bereichs sich von der europäischen, d. h. englischen Industrie und
ihrer Zufuhr emancipirt, es ist in Westindien und Südamerika für England ein
mächtiger Concurrent geworden, welchen! England in diesem Welttheile gänzlich
wird weichen müssen. Amerika bildet eine selbstständige ökonomische Totalität, ans
einem so unermeßlichen Schauplatz, mit so vollständigen Hilfsmitteln und über¬
reichen Bedingungen bei einer so kräftigen Civilisation, daß jede wesentliche Be¬
theiligung eines andern Welttheils vor der Hand überflüssig erscheint. Daher
stellt sich für Europa die Aufgabe, den Absatz seiner Industrie wieder nach Asien
zu lenken, und die gewaltigen physischen Reichthümer dieses Welttheils aufs
Neue auszubeuten. Die Engländer haben dieses Verhältniß seit lange mit gewohn¬
tem Scharfblick erkannt und mit bewundernswerther Umsicht und Ausdauer die
neue Wendung ihres Handels vorbereitet. Sie haben auf alle Weise den Verkehr
mit Asien zu monopolisiren gesucht.

Gegen den russischen Landhandel mit dem nördlichen und einem Theil des
westlichen Asiens konnten und brauchten sie nicht zu concurriren. Der Handel



*) Dahin gehört nicht blos die großartige Seemacht, sondern auch die zahlreichen, überall
verstreuten Etablissements und militärischen Posten, „Der Schutz, den England dadurch seinen
Schiffen gewährt, wird vorzüglich die Gelegenheit eines vortheilhaften Zwischenhandels, die sich
hier-den englischen Kaufleuten bietet, erschwert natürlich den andern Nationen, die in Erman¬
gelung solcher glücklich gelegenen Stationen, die Ueberfahrt direct machen müssen, die Concur-
renz mit dem Inselreich in hohem Grade. Durch einen so ausgedehnten, vielverzweigten See¬
verkehr wird es dem englischen Gouvernement möglich, die Kosten jener bedeutenden Aufsichts-
geschwader zu decken, welche die eigentliche Basis der englischen Seemacht bilden und jeden Augen¬
blick bereit sind, der Handelsflotte einen eben so raschen als wirksamen Schutz zu verschaffen."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/353>, abgerufen am 25.08.2024.