Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

des Kopfes. Die nie zu sühnende Schuld der dynastischen Politik Oestreichs
besteht darin, daß sie anfangs in die politischen Irrthümer ihrer Völker ein¬
ging, und nachdem sie dadurch die Verwirrung des Vollsnrtheils aufs Höchste
gesteigert hatte, ihre eigene Inconsequenz an ihren Nationen auf grausame Weise
strafte. So fand sie am Ende keine andere Sprache, als die Kanonen, um sich
ihren Völkern verständlich zu machen. In den Märztagen schwenkte der Kaiser
selbst die deutsche Fahne vor dem jauchzenden Vollerer ordnete selbst die Wahlen
für das Frankfurter Parlament an, und ließ sogar den Erzherzog Johann als
Reichsverweser dahin abgehen. Jetzt forderte Windischgrätz im Namen des Kai¬
sers die Aussteckung der schwarzgelben Fahne in Wien, und verhöhnte dnrch die
Hinrichtung Robert Blum's vor aller Welt die deutsche Nationalversammlung.
Auch die Magyaren wurde" so lange als möglich in dem Wahne erhalten, daß
die Dynastie in ihre Politik eingehe; das verwegene Spiel wurde sogar soweit
getrieben, daß man den Erzherzog Stephan seinen berühmten Feldzug gegen den
"lieben Baron" Jellachich antreten ließ. Jetzt hat der letztere im Verein mit Win¬
dischgrätz dazu beigetragen, die Wiener durch die Tapferkeit seiner kroatischen'
Schaaren zum schuldigen Gehorsam zurückzubringen. So wie damals in Ste¬
phans Person der Erzherzog mit dem Palatin in einen sonderbaren Widerspruch
gerieth, als er in die Aufforderung des ungarischen Reichstages, sich an die
Spitze der magyarischen Truppen zu stellen, einwilligte -- so wird jetzt in der
Person des Erzherzogs Johann ein ähnlicher Widerspruch eintreten, wenn er als
Reichsverweser die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung in Bezug auf
die Hinrichtung Blum's Oestreich gegenüber wird exequiren sollen; und es ist
nicht leicht abzusehen, welchen Wirren wir entgegen gehen, ehe unser Verhältniß
I. B. zu Deutschland definitiv entschieden wird.




Der Aufstand der Moldau-Walachen



Bei der immer bedenklicher hervortretenden Größe des Slaventhums dürste
es eine Hauptaufgabe der, europäische" Politik sein, dem Volke der Romunen
oder Numainen um so größere Aufmerksamkeit zu schenken, da dasselbe den Theil
der untern Donau beherrscht, welcher bestimmt ist, diesen deutschen Strom zur
Verbindung mit dem Orient zu brauchen, ehe ihn die nördlichen und südlichen
Slaven ganz absperren. Das alte Dacier, die Moldau und Walachei nebst


des Kopfes. Die nie zu sühnende Schuld der dynastischen Politik Oestreichs
besteht darin, daß sie anfangs in die politischen Irrthümer ihrer Völker ein¬
ging, und nachdem sie dadurch die Verwirrung des Vollsnrtheils aufs Höchste
gesteigert hatte, ihre eigene Inconsequenz an ihren Nationen auf grausame Weise
strafte. So fand sie am Ende keine andere Sprache, als die Kanonen, um sich
ihren Völkern verständlich zu machen. In den Märztagen schwenkte der Kaiser
selbst die deutsche Fahne vor dem jauchzenden Vollerer ordnete selbst die Wahlen
für das Frankfurter Parlament an, und ließ sogar den Erzherzog Johann als
Reichsverweser dahin abgehen. Jetzt forderte Windischgrätz im Namen des Kai¬
sers die Aussteckung der schwarzgelben Fahne in Wien, und verhöhnte dnrch die
Hinrichtung Robert Blum's vor aller Welt die deutsche Nationalversammlung.
Auch die Magyaren wurde» so lange als möglich in dem Wahne erhalten, daß
die Dynastie in ihre Politik eingehe; das verwegene Spiel wurde sogar soweit
getrieben, daß man den Erzherzog Stephan seinen berühmten Feldzug gegen den
„lieben Baron" Jellachich antreten ließ. Jetzt hat der letztere im Verein mit Win¬
dischgrätz dazu beigetragen, die Wiener durch die Tapferkeit seiner kroatischen'
Schaaren zum schuldigen Gehorsam zurückzubringen. So wie damals in Ste¬
phans Person der Erzherzog mit dem Palatin in einen sonderbaren Widerspruch
gerieth, als er in die Aufforderung des ungarischen Reichstages, sich an die
Spitze der magyarischen Truppen zu stellen, einwilligte — so wird jetzt in der
Person des Erzherzogs Johann ein ähnlicher Widerspruch eintreten, wenn er als
Reichsverweser die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung in Bezug auf
die Hinrichtung Blum's Oestreich gegenüber wird exequiren sollen; und es ist
nicht leicht abzusehen, welchen Wirren wir entgegen gehen, ehe unser Verhältniß
I. B. zu Deutschland definitiv entschieden wird.




Der Aufstand der Moldau-Walachen



Bei der immer bedenklicher hervortretenden Größe des Slaventhums dürste
es eine Hauptaufgabe der, europäische» Politik sein, dem Volke der Romunen
oder Numainen um so größere Aufmerksamkeit zu schenken, da dasselbe den Theil
der untern Donau beherrscht, welcher bestimmt ist, diesen deutschen Strom zur
Verbindung mit dem Orient zu brauchen, ehe ihn die nördlichen und südlichen
Slaven ganz absperren. Das alte Dacier, die Moldau und Walachei nebst


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0322" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/277078"/>
          <p xml:id="ID_938" prev="#ID_937"> des Kopfes. Die nie zu sühnende Schuld der dynastischen Politik Oestreichs<lb/>
besteht darin, daß sie anfangs in die politischen Irrthümer ihrer Völker ein¬<lb/>
ging, und nachdem sie dadurch die Verwirrung des Vollsnrtheils aufs Höchste<lb/>
gesteigert hatte, ihre eigene Inconsequenz an ihren Nationen auf grausame Weise<lb/>
strafte. So fand sie am Ende keine andere Sprache, als die Kanonen, um sich<lb/>
ihren Völkern verständlich zu machen. In den Märztagen schwenkte der Kaiser<lb/>
selbst die deutsche Fahne vor dem jauchzenden Vollerer ordnete selbst die Wahlen<lb/>
für das Frankfurter Parlament an, und ließ sogar den Erzherzog Johann als<lb/>
Reichsverweser dahin abgehen. Jetzt forderte Windischgrätz im Namen des Kai¬<lb/>
sers die Aussteckung der schwarzgelben Fahne in Wien, und verhöhnte dnrch die<lb/>
Hinrichtung Robert Blum's vor aller Welt die deutsche Nationalversammlung.<lb/>
Auch die Magyaren wurde» so lange als möglich in dem Wahne erhalten, daß<lb/>
die Dynastie in ihre Politik eingehe; das verwegene Spiel wurde sogar soweit<lb/>
getrieben, daß man den Erzherzog Stephan seinen berühmten Feldzug gegen den<lb/>
&#x201E;lieben Baron" Jellachich antreten ließ. Jetzt hat der letztere im Verein mit Win¬<lb/>
dischgrätz dazu beigetragen, die Wiener durch die Tapferkeit seiner kroatischen'<lb/>
Schaaren zum schuldigen Gehorsam zurückzubringen. So wie damals in Ste¬<lb/>
phans Person der Erzherzog mit dem Palatin in einen sonderbaren Widerspruch<lb/>
gerieth, als er in die Aufforderung des ungarischen Reichstages, sich an die<lb/>
Spitze der magyarischen Truppen zu stellen, einwilligte &#x2014; so wird jetzt in der<lb/>
Person des Erzherzogs Johann ein ähnlicher Widerspruch eintreten, wenn er als<lb/>
Reichsverweser die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung in Bezug auf<lb/>
die Hinrichtung Blum's Oestreich gegenüber wird exequiren sollen; und es ist<lb/>
nicht leicht abzusehen, welchen Wirren wir entgegen gehen, ehe unser Verhältniß<lb/><note type="byline"> I. B.</note> zu Deutschland definitiv entschieden wird. </p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> Der Aufstand der Moldau-Walachen<lb/></head><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p xml:id="ID_939" next="#ID_940"> Bei der immer bedenklicher hervortretenden Größe des Slaventhums dürste<lb/>
es eine Hauptaufgabe der, europäische» Politik sein, dem Volke der Romunen<lb/>
oder Numainen um so größere Aufmerksamkeit zu schenken, da dasselbe den Theil<lb/>
der untern Donau beherrscht, welcher bestimmt ist, diesen deutschen Strom zur<lb/>
Verbindung mit dem Orient zu brauchen, ehe ihn die nördlichen und südlichen<lb/>
Slaven ganz absperren. Das alte Dacier, die Moldau und Walachei nebst</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0322] des Kopfes. Die nie zu sühnende Schuld der dynastischen Politik Oestreichs besteht darin, daß sie anfangs in die politischen Irrthümer ihrer Völker ein¬ ging, und nachdem sie dadurch die Verwirrung des Vollsnrtheils aufs Höchste gesteigert hatte, ihre eigene Inconsequenz an ihren Nationen auf grausame Weise strafte. So fand sie am Ende keine andere Sprache, als die Kanonen, um sich ihren Völkern verständlich zu machen. In den Märztagen schwenkte der Kaiser selbst die deutsche Fahne vor dem jauchzenden Vollerer ordnete selbst die Wahlen für das Frankfurter Parlament an, und ließ sogar den Erzherzog Johann als Reichsverweser dahin abgehen. Jetzt forderte Windischgrätz im Namen des Kai¬ sers die Aussteckung der schwarzgelben Fahne in Wien, und verhöhnte dnrch die Hinrichtung Robert Blum's vor aller Welt die deutsche Nationalversammlung. Auch die Magyaren wurde» so lange als möglich in dem Wahne erhalten, daß die Dynastie in ihre Politik eingehe; das verwegene Spiel wurde sogar soweit getrieben, daß man den Erzherzog Stephan seinen berühmten Feldzug gegen den „lieben Baron" Jellachich antreten ließ. Jetzt hat der letztere im Verein mit Win¬ dischgrätz dazu beigetragen, die Wiener durch die Tapferkeit seiner kroatischen' Schaaren zum schuldigen Gehorsam zurückzubringen. So wie damals in Ste¬ phans Person der Erzherzog mit dem Palatin in einen sonderbaren Widerspruch gerieth, als er in die Aufforderung des ungarischen Reichstages, sich an die Spitze der magyarischen Truppen zu stellen, einwilligte — so wird jetzt in der Person des Erzherzogs Johann ein ähnlicher Widerspruch eintreten, wenn er als Reichsverweser die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung in Bezug auf die Hinrichtung Blum's Oestreich gegenüber wird exequiren sollen; und es ist nicht leicht abzusehen, welchen Wirren wir entgegen gehen, ehe unser Verhältniß I. B. zu Deutschland definitiv entschieden wird. Der Aufstand der Moldau-Walachen Bei der immer bedenklicher hervortretenden Größe des Slaventhums dürste es eine Hauptaufgabe der, europäische» Politik sein, dem Volke der Romunen oder Numainen um so größere Aufmerksamkeit zu schenken, da dasselbe den Theil der untern Donau beherrscht, welcher bestimmt ist, diesen deutschen Strom zur Verbindung mit dem Orient zu brauchen, ehe ihn die nördlichen und südlichen Slaven ganz absperren. Das alte Dacier, die Moldau und Walachei nebst

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/322
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/322>, abgerufen am 25.12.2024.