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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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zum Stehn oder Sitzen brachte, je nach Umständen; wir haben Waldeck einen
Schwärmer genannt, weil Mroß seine Reden so wenig verstand, wie die eines
andern Deputirten; wir haben eine Hinneigung für Frankfurt und den Reichsver-
weser gehabt, weil wir gehört hatten, daß Erzherzog Johann in Steiermark Le-
derhosen getragen habe, wie Michael zu thun pflegt, der Herzog von Gems-, Mroß
von Schafslcder; wir haben endlich für die Souveränität der Berliner Constituante
geschrieben, seit Michael Mroß in einem Brief, den die schlesische Zeitung abge¬
druckt hat, seiner Ortsbehörde gegenüber die Souveränität seines gepfändeten Ochsen
verfocht, kurz wir haben uns in unserer Politik ganz durch die Persönlichkeit eines
der würdigsten und schweigsamsten Mitglieder der Constituante leiten lassen. Dies
zur Erklärung für manches Geheimnißvolle, zur Begründung des folgenden Briefes
und zugleich zur Antwort für unsere Gegner, welche Gefühle verdächtigen, die
sie nicht verstehen. --

Michael Mroß! Euer Ochse wurde diesen Sommer vom Gerichtsamt Eurer
Heimath gepfändet, weil er die Laune hatte sich auf fremder Feldmark zu beköstigen.
Ihr haltet die Herablassung dem Amt von Berlin ans in einem Dekret schreiben
zu lassen, daß besagter Ochse als Depntirtenvieh unverletzlich sei und die Behörde
sich in Acht nehmen solle. Als Ihr so tapfer für die Souveränität des Ochsen
kämpftet, dachten wir beide nicht, daß dieser Kampf eine Vorbedeutung, gleichsam
ein Spiegelbild werdeu wurde von dem großen Kampf, den jetzt ein Theil des
preußischen Volkes für die Unverletzlichkeit seiner Nationalversammlung fuhrt. Es
würde mir leid thun, wenn die Parallele Mißdeutung erführe. Aber sagt sell'se,
ist das traurige Schicksal Eures gehörnten Freundes nicht in riesigem Maßstab
wiederholt? Auch die hohe Versammlung soll wegen ungebührlicher Eingriffe in
fremdes Eigenthum, die sich ihre Hüter, das Berliner Volk, zu Schulden kom¬
men ließen, gepfändet, eingesteckt, nach Brandenburg in Kost und Verschluß ge¬
legt werden und wie Ihr für Euern Liebling, so steht die öffentliche Meinung für
den ihrigen, für die Versammlung, auf, -- Behüte mich der Himmel, daß ich
den Vergleich weiter ausführe, nur soviel will ich bemerken, daß Euer Ochse für
das Futter, das Ihr ihm gabt, Euch auch redlich und tüchtig die Wirthschaft be¬
stellt hat, während die hohe Constituante leider außer Stande war, ihrem Brot^
Herrn, dem Volk ein Gleiches zu thun.

Seht Ihr, Michael Mroß, es ist recht schön eingetroffen, was ich int Anfang
Eurer politische" Laufbahn vermuthet habe. Ihr habt glotzäugig und verwundert
in der Versammlung gesessen, seid glotzäugig und verwundert durch Berlin ge¬
schritten und habt Euch bei deu Zank und Spectakelscenen in der Versammlung
und bei den Tumulten der Straße herzlich und philosophisch darüber gefreut, daß
des Menschen Natur doch überall so gleich ist, es konnte Euch in Berlin so hei¬
misch und behaglich sein, wie in Eurer Dorfschenke des Sonntags nach 9 M)^
wo ihr das Licht auslöschtet und Schemelbeine anfrißt. Ja, Michel, der Mensch,


zum Stehn oder Sitzen brachte, je nach Umständen; wir haben Waldeck einen
Schwärmer genannt, weil Mroß seine Reden so wenig verstand, wie die eines
andern Deputirten; wir haben eine Hinneigung für Frankfurt und den Reichsver-
weser gehabt, weil wir gehört hatten, daß Erzherzog Johann in Steiermark Le-
derhosen getragen habe, wie Michael zu thun pflegt, der Herzog von Gems-, Mroß
von Schafslcder; wir haben endlich für die Souveränität der Berliner Constituante
geschrieben, seit Michael Mroß in einem Brief, den die schlesische Zeitung abge¬
druckt hat, seiner Ortsbehörde gegenüber die Souveränität seines gepfändeten Ochsen
verfocht, kurz wir haben uns in unserer Politik ganz durch die Persönlichkeit eines
der würdigsten und schweigsamsten Mitglieder der Constituante leiten lassen. Dies
zur Erklärung für manches Geheimnißvolle, zur Begründung des folgenden Briefes
und zugleich zur Antwort für unsere Gegner, welche Gefühle verdächtigen, die
sie nicht verstehen. —

Michael Mroß! Euer Ochse wurde diesen Sommer vom Gerichtsamt Eurer
Heimath gepfändet, weil er die Laune hatte sich auf fremder Feldmark zu beköstigen.
Ihr haltet die Herablassung dem Amt von Berlin ans in einem Dekret schreiben
zu lassen, daß besagter Ochse als Depntirtenvieh unverletzlich sei und die Behörde
sich in Acht nehmen solle. Als Ihr so tapfer für die Souveränität des Ochsen
kämpftet, dachten wir beide nicht, daß dieser Kampf eine Vorbedeutung, gleichsam
ein Spiegelbild werdeu wurde von dem großen Kampf, den jetzt ein Theil des
preußischen Volkes für die Unverletzlichkeit seiner Nationalversammlung fuhrt. Es
würde mir leid thun, wenn die Parallele Mißdeutung erführe. Aber sagt sell'se,
ist das traurige Schicksal Eures gehörnten Freundes nicht in riesigem Maßstab
wiederholt? Auch die hohe Versammlung soll wegen ungebührlicher Eingriffe in
fremdes Eigenthum, die sich ihre Hüter, das Berliner Volk, zu Schulden kom¬
men ließen, gepfändet, eingesteckt, nach Brandenburg in Kost und Verschluß ge¬
legt werden und wie Ihr für Euern Liebling, so steht die öffentliche Meinung für
den ihrigen, für die Versammlung, auf, — Behüte mich der Himmel, daß ich
den Vergleich weiter ausführe, nur soviel will ich bemerken, daß Euer Ochse für
das Futter, das Ihr ihm gabt, Euch auch redlich und tüchtig die Wirthschaft be¬
stellt hat, während die hohe Constituante leider außer Stande war, ihrem Brot^
Herrn, dem Volk ein Gleiches zu thun.

Seht Ihr, Michael Mroß, es ist recht schön eingetroffen, was ich int Anfang
Eurer politische» Laufbahn vermuthet habe. Ihr habt glotzäugig und verwundert
in der Versammlung gesessen, seid glotzäugig und verwundert durch Berlin ge¬
schritten und habt Euch bei deu Zank und Spectakelscenen in der Versammlung
und bei den Tumulten der Straße herzlich und philosophisch darüber gefreut, daß
des Menschen Natur doch überall so gleich ist, es konnte Euch in Berlin so hei¬
misch und behaglich sein, wie in Eurer Dorfschenke des Sonntags nach 9 M)^
wo ihr das Licht auslöschtet und Schemelbeine anfrißt. Ja, Michel, der Mensch,


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[0294] zum Stehn oder Sitzen brachte, je nach Umständen; wir haben Waldeck einen Schwärmer genannt, weil Mroß seine Reden so wenig verstand, wie die eines andern Deputirten; wir haben eine Hinneigung für Frankfurt und den Reichsver- weser gehabt, weil wir gehört hatten, daß Erzherzog Johann in Steiermark Le- derhosen getragen habe, wie Michael zu thun pflegt, der Herzog von Gems-, Mroß von Schafslcder; wir haben endlich für die Souveränität der Berliner Constituante geschrieben, seit Michael Mroß in einem Brief, den die schlesische Zeitung abge¬ druckt hat, seiner Ortsbehörde gegenüber die Souveränität seines gepfändeten Ochsen verfocht, kurz wir haben uns in unserer Politik ganz durch die Persönlichkeit eines der würdigsten und schweigsamsten Mitglieder der Constituante leiten lassen. Dies zur Erklärung für manches Geheimnißvolle, zur Begründung des folgenden Briefes und zugleich zur Antwort für unsere Gegner, welche Gefühle verdächtigen, die sie nicht verstehen. — Michael Mroß! Euer Ochse wurde diesen Sommer vom Gerichtsamt Eurer Heimath gepfändet, weil er die Laune hatte sich auf fremder Feldmark zu beköstigen. Ihr haltet die Herablassung dem Amt von Berlin ans in einem Dekret schreiben zu lassen, daß besagter Ochse als Depntirtenvieh unverletzlich sei und die Behörde sich in Acht nehmen solle. Als Ihr so tapfer für die Souveränität des Ochsen kämpftet, dachten wir beide nicht, daß dieser Kampf eine Vorbedeutung, gleichsam ein Spiegelbild werdeu wurde von dem großen Kampf, den jetzt ein Theil des preußischen Volkes für die Unverletzlichkeit seiner Nationalversammlung fuhrt. Es würde mir leid thun, wenn die Parallele Mißdeutung erführe. Aber sagt sell'se, ist das traurige Schicksal Eures gehörnten Freundes nicht in riesigem Maßstab wiederholt? Auch die hohe Versammlung soll wegen ungebührlicher Eingriffe in fremdes Eigenthum, die sich ihre Hüter, das Berliner Volk, zu Schulden kom¬ men ließen, gepfändet, eingesteckt, nach Brandenburg in Kost und Verschluß ge¬ legt werden und wie Ihr für Euern Liebling, so steht die öffentliche Meinung für den ihrigen, für die Versammlung, auf, — Behüte mich der Himmel, daß ich den Vergleich weiter ausführe, nur soviel will ich bemerken, daß Euer Ochse für das Futter, das Ihr ihm gabt, Euch auch redlich und tüchtig die Wirthschaft be¬ stellt hat, während die hohe Constituante leider außer Stande war, ihrem Brot^ Herrn, dem Volk ein Gleiches zu thun. Seht Ihr, Michael Mroß, es ist recht schön eingetroffen, was ich int Anfang Eurer politische» Laufbahn vermuthet habe. Ihr habt glotzäugig und verwundert in der Versammlung gesessen, seid glotzäugig und verwundert durch Berlin ge¬ schritten und habt Euch bei deu Zank und Spectakelscenen in der Versammlung und bei den Tumulten der Straße herzlich und philosophisch darüber gefreut, daß des Menschen Natur doch überall so gleich ist, es konnte Euch in Berlin so hei¬ misch und behaglich sein, wie in Eurer Dorfschenke des Sonntags nach 9 M)^ wo ihr das Licht auslöschtet und Schemelbeine anfrißt. Ja, Michel, der Mensch,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/294>, abgerufen am 22.07.2024.