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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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tung mehr. Es sind nicht mehr einzelne Theile der Monarchie, welche willkürlich
zusammengelöthet werden sollen, es handelt sich um Gestaltung des Gesammtstaats,
die siebenbürger, die slavischen Grenzländer erwarten, daß ihr ihnen die Hand
brüderlich entgegenhaltet; die Ungarn werden nachfolgen, weil sie müssen. Alle
Völker Oestreichs sollen zusammentagen und der Reichstag selbst muß das einsehen,
einleiten und dann sich auflösen.

Wir haben Eines in diesem Sommer gelernt, daß constituirende Versamm¬
lungen von Hunderten nicht auf rasirten Boden, ins Blaue hinein eine Organi¬
sation des Staats bewirken können, so lange nicht die höchsten leitenden Ideen
festgestellt, ihnen als Richtschnur gegeben sind. Wir dürfen den großen Bau nicht
ganz den ungefügen Debatten ehrlicher, aber ungeübter Männer überlassen. Die
letzten Grundsätze der neuen Konstitution müssen vor dem Zusammentritt des Völker-
congresses festgestellt sein, das Verhältniß des Gesammtstaats, der östreichischen
Centralgewalt, zu dem Selbstregiment der einzelnen Provinzen und Länder muß
vorher beschlossen sein. Natürlich darf die Krone allein das nicht thun, wohl aber
die Völker und die Krone durch eine Commission. Die Deputirten des Reichstags
treten nach Provinzen zusammen, jede Provinz wählt einen Bevollmächtigten, dem
sie ihre Rechte für diese Legislation überträgt, die Siebenbürgischen Stämme, die
Königreiche, Ungarn, Dalmatien, vielleicht auch Italien werden zur Absendung von
Bevollmächtigten aufgefordert. Die Commission vereinigt sich mit der Krone über
die Grundbestimmungen der neuen Staatenverfassung; das Detail, der Ausbau,
die Anwendung aus die Verhältnisse der verschiedenen Landestheile bleibt dem neu
zusammengesetzten Völkercongreß, welcher in Plenar- und Provinzialsitzungen be¬
rathet. Nur so kann die Ruhe des Winters für unser Vaterland gewonnen, bis
zum Frühjahr der neue Bau aufgeführt sein. Bringt uns der Winter keine Ver¬
einigung auf neuen gesetzlichen Boden, keinen Verfassungseid, keine feste Regierung,
kein Vertrauen zur Zukunft, so lösen sich die Planken des Staatsschiffs und ein
jammervolles Chaos verschlingt die Trümmer. Jetzt ist die Zeit gekommen schnell
und mit Anspannung aller Kraft zu arbeiten, unser ist die Arbeit, auf uns liegt
die volle Last der Verantwortung, auf unser Haupt wird schon im nächsten Jahr
Ä. Segen oder Fluch der Völker fallen.




Gedanken über die Reichsverfassung.



Welche Unzahl von Entwürfen hat das Problem der deutschen Verfassung
ins Leben gerufen? Der Quell im März eröffnet und im Anfang am reichhal¬
tigsten strömt bis aus den heutigen Tag unversiegbar fort.


tung mehr. Es sind nicht mehr einzelne Theile der Monarchie, welche willkürlich
zusammengelöthet werden sollen, es handelt sich um Gestaltung des Gesammtstaats,
die siebenbürger, die slavischen Grenzländer erwarten, daß ihr ihnen die Hand
brüderlich entgegenhaltet; die Ungarn werden nachfolgen, weil sie müssen. Alle
Völker Oestreichs sollen zusammentagen und der Reichstag selbst muß das einsehen,
einleiten und dann sich auflösen.

Wir haben Eines in diesem Sommer gelernt, daß constituirende Versamm¬
lungen von Hunderten nicht auf rasirten Boden, ins Blaue hinein eine Organi¬
sation des Staats bewirken können, so lange nicht die höchsten leitenden Ideen
festgestellt, ihnen als Richtschnur gegeben sind. Wir dürfen den großen Bau nicht
ganz den ungefügen Debatten ehrlicher, aber ungeübter Männer überlassen. Die
letzten Grundsätze der neuen Konstitution müssen vor dem Zusammentritt des Völker-
congresses festgestellt sein, das Verhältniß des Gesammtstaats, der östreichischen
Centralgewalt, zu dem Selbstregiment der einzelnen Provinzen und Länder muß
vorher beschlossen sein. Natürlich darf die Krone allein das nicht thun, wohl aber
die Völker und die Krone durch eine Commission. Die Deputirten des Reichstags
treten nach Provinzen zusammen, jede Provinz wählt einen Bevollmächtigten, dem
sie ihre Rechte für diese Legislation überträgt, die Siebenbürgischen Stämme, die
Königreiche, Ungarn, Dalmatien, vielleicht auch Italien werden zur Absendung von
Bevollmächtigten aufgefordert. Die Commission vereinigt sich mit der Krone über
die Grundbestimmungen der neuen Staatenverfassung; das Detail, der Ausbau,
die Anwendung aus die Verhältnisse der verschiedenen Landestheile bleibt dem neu
zusammengesetzten Völkercongreß, welcher in Plenar- und Provinzialsitzungen be¬
rathet. Nur so kann die Ruhe des Winters für unser Vaterland gewonnen, bis
zum Frühjahr der neue Bau aufgeführt sein. Bringt uns der Winter keine Ver¬
einigung auf neuen gesetzlichen Boden, keinen Verfassungseid, keine feste Regierung,
kein Vertrauen zur Zukunft, so lösen sich die Planken des Staatsschiffs und ein
jammervolles Chaos verschlingt die Trümmer. Jetzt ist die Zeit gekommen schnell
und mit Anspannung aller Kraft zu arbeiten, unser ist die Arbeit, auf uns liegt
die volle Last der Verantwortung, auf unser Haupt wird schon im nächsten Jahr
Ä. Segen oder Fluch der Völker fallen.




Gedanken über die Reichsverfassung.



Welche Unzahl von Entwürfen hat das Problem der deutschen Verfassung
ins Leben gerufen? Der Quell im März eröffnet und im Anfang am reichhal¬
tigsten strömt bis aus den heutigen Tag unversiegbar fort.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/285>, abgerufen am 03.07.2024.