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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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reorganistrenden Districte des Großherzogthums Posen, bilden einen integrirenden
Theil des deutschen Reiches.

§. 2. Alle Reichsgesetze haben als solche in Preußen rechtliche Geltung.
Nur auf diesem Wege kann sich die Krone mit dem Geist ihres Volks ver¬
söhnen. Ihre Geguer aber mögen nicht vergessen, daß an ihr mehr hängt, als
blos der Ehrgeiz des Hauses Hohenzollern und seines Hosstaats.


1"!'.


Wieder auf der Ferdinandsbrüöke.



Kalt braust der Wintersturm über die Donau, ein weißer Reif hängt an der
Brücke, unten ziehen die Wasser des Stroms lautlos nach Ungarn. So eilig
rinnst du Thal ab, trübe Fluch? Du hast dich hier mit rothem Blute gefärbt, du
eilst nach Pesth, dir neuen Purpur zu holen. Mich aber, den Lebenden, schau¬
dert beim Blick auf deine Ufer. Das Ungeheure, Jammervollste, was ich in finstern
Träumen geahnt und klagend in das Gewühl gerufen, es ist Alles, Alles geschehen,
so kläglich, so entsetzlich. Ein unseliger, fanatischer Kampf durch Tollheit entzündet,
in Verzweiflung beendet und nach ihm seine Folgen, sein Fluch! Mein armes
Wien, todtmüde und wund bist du gefallen, durch eigene Schuld, den Wahnsinn
deiner Kinder. Das Unheil hat begonnen, wo wird sein Lauf enden?

Es ist einsam geworden aus der Brücke. Nur einzeln, wie Schatten, gleiten
verhüllte Gestalten an mir vorüber. So bleich die Wangen, die Augen hohl und
scheu, Schmerz und Elend in allen Zügen. Dein Gesicht ist hager geworden,
Arbeitsmann, und dein Bart ist sehr struppig. Hast du dein Liebchen verloren,
dem zu Ehren du auf dich hieltest? Dein stierer Blick ruht traurig auf dem kalten
Reif an der Brücke. Der Winter ist da, armer elender Mann, die welken Blätter
sind gefallen und all deine bunten Hoffnungen mit ihnen. Jetzt klopft der Hunger,
die Verzweiflung an deine kalte Stube. Das türkische Gewehr, das du aus dem
Zeughaus mit nach Hanse geschleppt, du Haffs mit Lappen und Stroh umwickelt
und im Garten des Nachbars unter alten Brettern versteckt, die letzten Patronen
trägst du noch in der Tasche, und du weißt wie man den Hahn spannt und los¬
drückt; die Kugel der Soldaten hat dich verschont, du kannst dir selbst das Letzte
thun. -- Wo ist dein Sturmhut und dein prächtiger Bart, dn armer Junge von
der Legion? Dein übermüthiges Lachen beim Wachtfeuer ist verklungen, du hattest


Gnnzboten. IV. Isis. Zg

reorganistrenden Districte des Großherzogthums Posen, bilden einen integrirenden
Theil des deutschen Reiches.

§. 2. Alle Reichsgesetze haben als solche in Preußen rechtliche Geltung.
Nur auf diesem Wege kann sich die Krone mit dem Geist ihres Volks ver¬
söhnen. Ihre Geguer aber mögen nicht vergessen, daß an ihr mehr hängt, als
blos der Ehrgeiz des Hauses Hohenzollern und seines Hosstaats.


1"!'.


Wieder auf der Ferdinandsbrüöke.



Kalt braust der Wintersturm über die Donau, ein weißer Reif hängt an der
Brücke, unten ziehen die Wasser des Stroms lautlos nach Ungarn. So eilig
rinnst du Thal ab, trübe Fluch? Du hast dich hier mit rothem Blute gefärbt, du
eilst nach Pesth, dir neuen Purpur zu holen. Mich aber, den Lebenden, schau¬
dert beim Blick auf deine Ufer. Das Ungeheure, Jammervollste, was ich in finstern
Träumen geahnt und klagend in das Gewühl gerufen, es ist Alles, Alles geschehen,
so kläglich, so entsetzlich. Ein unseliger, fanatischer Kampf durch Tollheit entzündet,
in Verzweiflung beendet und nach ihm seine Folgen, sein Fluch! Mein armes
Wien, todtmüde und wund bist du gefallen, durch eigene Schuld, den Wahnsinn
deiner Kinder. Das Unheil hat begonnen, wo wird sein Lauf enden?

Es ist einsam geworden aus der Brücke. Nur einzeln, wie Schatten, gleiten
verhüllte Gestalten an mir vorüber. So bleich die Wangen, die Augen hohl und
scheu, Schmerz und Elend in allen Zügen. Dein Gesicht ist hager geworden,
Arbeitsmann, und dein Bart ist sehr struppig. Hast du dein Liebchen verloren,
dem zu Ehren du auf dich hieltest? Dein stierer Blick ruht traurig auf dem kalten
Reif an der Brücke. Der Winter ist da, armer elender Mann, die welken Blätter
sind gefallen und all deine bunten Hoffnungen mit ihnen. Jetzt klopft der Hunger,
die Verzweiflung an deine kalte Stube. Das türkische Gewehr, das du aus dem
Zeughaus mit nach Hanse geschleppt, du Haffs mit Lappen und Stroh umwickelt
und im Garten des Nachbars unter alten Brettern versteckt, die letzten Patronen
trägst du noch in der Tasche, und du weißt wie man den Hahn spannt und los¬
drückt; die Kugel der Soldaten hat dich verschont, du kannst dir selbst das Letzte
thun. — Wo ist dein Sturmhut und dein prächtiger Bart, dn armer Junge von
der Legion? Dein übermüthiges Lachen beim Wachtfeuer ist verklungen, du hattest


Gnnzboten. IV. Isis. Zg
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[0281] reorganistrenden Districte des Großherzogthums Posen, bilden einen integrirenden Theil des deutschen Reiches. §. 2. Alle Reichsgesetze haben als solche in Preußen rechtliche Geltung. Nur auf diesem Wege kann sich die Krone mit dem Geist ihres Volks ver¬ söhnen. Ihre Geguer aber mögen nicht vergessen, daß an ihr mehr hängt, als blos der Ehrgeiz des Hauses Hohenzollern und seines Hosstaats. 1"!'. Wieder auf der Ferdinandsbrüöke. Kalt braust der Wintersturm über die Donau, ein weißer Reif hängt an der Brücke, unten ziehen die Wasser des Stroms lautlos nach Ungarn. So eilig rinnst du Thal ab, trübe Fluch? Du hast dich hier mit rothem Blute gefärbt, du eilst nach Pesth, dir neuen Purpur zu holen. Mich aber, den Lebenden, schau¬ dert beim Blick auf deine Ufer. Das Ungeheure, Jammervollste, was ich in finstern Träumen geahnt und klagend in das Gewühl gerufen, es ist Alles, Alles geschehen, so kläglich, so entsetzlich. Ein unseliger, fanatischer Kampf durch Tollheit entzündet, in Verzweiflung beendet und nach ihm seine Folgen, sein Fluch! Mein armes Wien, todtmüde und wund bist du gefallen, durch eigene Schuld, den Wahnsinn deiner Kinder. Das Unheil hat begonnen, wo wird sein Lauf enden? Es ist einsam geworden aus der Brücke. Nur einzeln, wie Schatten, gleiten verhüllte Gestalten an mir vorüber. So bleich die Wangen, die Augen hohl und scheu, Schmerz und Elend in allen Zügen. Dein Gesicht ist hager geworden, Arbeitsmann, und dein Bart ist sehr struppig. Hast du dein Liebchen verloren, dem zu Ehren du auf dich hieltest? Dein stierer Blick ruht traurig auf dem kalten Reif an der Brücke. Der Winter ist da, armer elender Mann, die welken Blätter sind gefallen und all deine bunten Hoffnungen mit ihnen. Jetzt klopft der Hunger, die Verzweiflung an deine kalte Stube. Das türkische Gewehr, das du aus dem Zeughaus mit nach Hanse geschleppt, du Haffs mit Lappen und Stroh umwickelt und im Garten des Nachbars unter alten Brettern versteckt, die letzten Patronen trägst du noch in der Tasche, und du weißt wie man den Hahn spannt und los¬ drückt; die Kugel der Soldaten hat dich verschont, du kannst dir selbst das Letzte thun. — Wo ist dein Sturmhut und dein prächtiger Bart, dn armer Junge von der Legion? Dein übermüthiges Lachen beim Wachtfeuer ist verklungen, du hattest Gnnzboten. IV. Isis. Zg

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/281>, abgerufen am 25.12.2024.