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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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man sich mediatisiren lassen will. Eher verständen sich noch die Radikalen dazu, aber
auch diese nur aus Haß gegen den "Tyrannen" in Meiningen, der übrigens einer der
wohlwollendsten und humanster Fürsten ist. Und dann nur unter allerlei unvernünf¬
tigen Voraussetzungen und Forderungen, wozu ich, wie Sie wissen, eine Pcmthu-
ringia, mag nun ein Landgraf oder ein Herr Lesaurie und Berlepsch gebieten, eben so
sehr rechne, wie die Idee des unmittelbaren Rcichslaudes. Jedenfalls aber will man
seine wohlerworbenen Rechte aus uugestraften Krakel und Scandal aller Art nicht in
der neuen Form ausgeben. Glauben Sie mir, ich habe noch nirgends so eingefleischte
Anhänger des historischen Rechts gefunden, als unter diesen Republikanern.

Auch in Gotha, wo es leidlich vernünftig hergeht, wo wenigstens keine offene
Anarchie, freilich desto mehr verstockter Localpatriotismus dominirt, wehrt man sich
mit Händen und Füßen dagegen. Hier will man selbst nichts von einer staatlichen
Vereinigung mit Coburg wissen, das bisher nur durch eine Art von Personalunion
damit lose zusammenhing. Vielmehr soll der Herzog das Einkommen, was er aus
Gotha bezieht, bei Heller und Pfennig auch dort verzehren, während bis dato wohl
auch einige Thaler nach Coburg gingen.

Komische Dinge erlebte ich in dem sonst so friedfertigen Rudolstadt. Als ich am
28. October Abends auf deu geräumigen Markt trat, in dessen Mitte von einer präch¬
tigen Linde beschattet die Hauptwache steht, fand ich dichtgedrängte, lärmende Volks¬
haufen, in deren Mitte blitzende Bajonette hin und herschwankten. Einige Augenblicke später
öffneten sich die Reihen, und ein Trupp Militär, "Landeskinder," nicht fremde Solda¬
teska zog mit Sack und Pack, escortirt von Bürgerwehr und vom jubelnden Gelächter
des Pöbels verfolgt, dem Thore zu. Ich erfuhr nun, daß in Folge einer gestern vor¬
gekommenen Schlägerei, der man von Seiten der Bürger und des Volks um jeden Preis
politische Tendenzen unterzuschieben sich bemühte -- das Militär sollte durch die Reactio-
näre vom Adel mit ansehnlichen Geldspenden gegen das Volk gehetzt worden sein -- die
kaum Z(w Mann starke Garnison aus der Stadt auf die nächsten Dörfer verlegt wer¬
den müsse, kraft eines Befehls vom Fürsten, der nunmehr, wie es scheint, unter allen
Bewohnern von Rudolstadt der einzige Nicht-Souverän ist. Uebrigens hörte ich auch, daß
er seinen getreuen Unterthanen das Versprechen habe geben müssen, im Falle, daß er me-
diatisirt würde, sein geliebtes Rudolstadt nicht zu verlassen, sondern sein Geld nach
wie vor hier zu verzehren. Diese Zusicherung hat den" hier eine ungleich günstigere
Stimmung dafür erweckt, als ich sie in den andern Residenzen fand.

Aber alle die bisher berührten Zustände sind noch wahre Muster staatlicher Ord¬
nung und Dressur, wenn ich die Erfahrungen dagegen halte, die ich in einigen Theilen
des Altenburger Landes machte. Statt weitläuftiger Schilderungen will ich Ihnen
ganz kurz den Inhalt einer Unterhaltung mit einem sonst höchst gutmüthigen Philister,
einem vom reinsten thüringischen Wasser, in einer Landstadt des westlichen Theils des
Herzogthums referiren. Ich traf ans der Straße mit dem Manne zusammen und sah
mich, vermöge der etwas breitmäuligen Offenherzigkeit, die dem Menschenschläge in
diesen Gegenden eigen ist, bald in ein unendliches Gespräch mit ihm verwickelt. Schon
in der ersten Minute hatte er mir versichert, daß er ein ächter Republikaner, wie alle
seine Landsleute, sei. Als ich nur entgegnete, es gäbe in der Stadt Altenburg und
sonst doch auch noch anders Gesinnte, wie sich das jetzt, seit dem Einmärsche der
Truppen gezeigt habe, unterbrach er mich heftig: "Das sind die Adelige" und Geheime
Räthe, sonst Niemand, und wer es sonst ist, ist ein Bolksverräther und muß baumeln!
Den Andern thun wir nichts, die werden blos fortgeschickt." -- "Und der Herzog?"
-- "Der kann bleiben, wenn er sein Geld hier verzehrt und thut, was der I)i-> Do'uay
haben will. Ja das ist ein Mann, der Dr. Donay!" -- Und nun folgte ein Hym¬
nus auf diesen Volksheiland. "Neulich war er in dem Eisenbcrger republikanischen


Srinzbotm. IV. Isis. zi

man sich mediatisiren lassen will. Eher verständen sich noch die Radikalen dazu, aber
auch diese nur aus Haß gegen den „Tyrannen" in Meiningen, der übrigens einer der
wohlwollendsten und humanster Fürsten ist. Und dann nur unter allerlei unvernünf¬
tigen Voraussetzungen und Forderungen, wozu ich, wie Sie wissen, eine Pcmthu-
ringia, mag nun ein Landgraf oder ein Herr Lesaurie und Berlepsch gebieten, eben so
sehr rechne, wie die Idee des unmittelbaren Rcichslaudes. Jedenfalls aber will man
seine wohlerworbenen Rechte aus uugestraften Krakel und Scandal aller Art nicht in
der neuen Form ausgeben. Glauben Sie mir, ich habe noch nirgends so eingefleischte
Anhänger des historischen Rechts gefunden, als unter diesen Republikanern.

Auch in Gotha, wo es leidlich vernünftig hergeht, wo wenigstens keine offene
Anarchie, freilich desto mehr verstockter Localpatriotismus dominirt, wehrt man sich
mit Händen und Füßen dagegen. Hier will man selbst nichts von einer staatlichen
Vereinigung mit Coburg wissen, das bisher nur durch eine Art von Personalunion
damit lose zusammenhing. Vielmehr soll der Herzog das Einkommen, was er aus
Gotha bezieht, bei Heller und Pfennig auch dort verzehren, während bis dato wohl
auch einige Thaler nach Coburg gingen.

Komische Dinge erlebte ich in dem sonst so friedfertigen Rudolstadt. Als ich am
28. October Abends auf deu geräumigen Markt trat, in dessen Mitte von einer präch¬
tigen Linde beschattet die Hauptwache steht, fand ich dichtgedrängte, lärmende Volks¬
haufen, in deren Mitte blitzende Bajonette hin und herschwankten. Einige Augenblicke später
öffneten sich die Reihen, und ein Trupp Militär, „Landeskinder," nicht fremde Solda¬
teska zog mit Sack und Pack, escortirt von Bürgerwehr und vom jubelnden Gelächter
des Pöbels verfolgt, dem Thore zu. Ich erfuhr nun, daß in Folge einer gestern vor¬
gekommenen Schlägerei, der man von Seiten der Bürger und des Volks um jeden Preis
politische Tendenzen unterzuschieben sich bemühte — das Militär sollte durch die Reactio-
näre vom Adel mit ansehnlichen Geldspenden gegen das Volk gehetzt worden sein — die
kaum Z(w Mann starke Garnison aus der Stadt auf die nächsten Dörfer verlegt wer¬
den müsse, kraft eines Befehls vom Fürsten, der nunmehr, wie es scheint, unter allen
Bewohnern von Rudolstadt der einzige Nicht-Souverän ist. Uebrigens hörte ich auch, daß
er seinen getreuen Unterthanen das Versprechen habe geben müssen, im Falle, daß er me-
diatisirt würde, sein geliebtes Rudolstadt nicht zu verlassen, sondern sein Geld nach
wie vor hier zu verzehren. Diese Zusicherung hat den» hier eine ungleich günstigere
Stimmung dafür erweckt, als ich sie in den andern Residenzen fand.

Aber alle die bisher berührten Zustände sind noch wahre Muster staatlicher Ord¬
nung und Dressur, wenn ich die Erfahrungen dagegen halte, die ich in einigen Theilen
des Altenburger Landes machte. Statt weitläuftiger Schilderungen will ich Ihnen
ganz kurz den Inhalt einer Unterhaltung mit einem sonst höchst gutmüthigen Philister,
einem vom reinsten thüringischen Wasser, in einer Landstadt des westlichen Theils des
Herzogthums referiren. Ich traf ans der Straße mit dem Manne zusammen und sah
mich, vermöge der etwas breitmäuligen Offenherzigkeit, die dem Menschenschläge in
diesen Gegenden eigen ist, bald in ein unendliches Gespräch mit ihm verwickelt. Schon
in der ersten Minute hatte er mir versichert, daß er ein ächter Republikaner, wie alle
seine Landsleute, sei. Als ich nur entgegnete, es gäbe in der Stadt Altenburg und
sonst doch auch noch anders Gesinnte, wie sich das jetzt, seit dem Einmärsche der
Truppen gezeigt habe, unterbrach er mich heftig: „Das sind die Adelige» und Geheime
Räthe, sonst Niemand, und wer es sonst ist, ist ein Bolksverräther und muß baumeln!
Den Andern thun wir nichts, die werden blos fortgeschickt." — „Und der Herzog?"
— „Der kann bleiben, wenn er sein Geld hier verzehrt und thut, was der I)i-> Do'uay
haben will. Ja das ist ein Mann, der Dr. Donay!" — Und nun folgte ein Hym¬
nus auf diesen Volksheiland. „Neulich war er in dem Eisenbcrger republikanischen


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[0249] man sich mediatisiren lassen will. Eher verständen sich noch die Radikalen dazu, aber auch diese nur aus Haß gegen den „Tyrannen" in Meiningen, der übrigens einer der wohlwollendsten und humanster Fürsten ist. Und dann nur unter allerlei unvernünf¬ tigen Voraussetzungen und Forderungen, wozu ich, wie Sie wissen, eine Pcmthu- ringia, mag nun ein Landgraf oder ein Herr Lesaurie und Berlepsch gebieten, eben so sehr rechne, wie die Idee des unmittelbaren Rcichslaudes. Jedenfalls aber will man seine wohlerworbenen Rechte aus uugestraften Krakel und Scandal aller Art nicht in der neuen Form ausgeben. Glauben Sie mir, ich habe noch nirgends so eingefleischte Anhänger des historischen Rechts gefunden, als unter diesen Republikanern. Auch in Gotha, wo es leidlich vernünftig hergeht, wo wenigstens keine offene Anarchie, freilich desto mehr verstockter Localpatriotismus dominirt, wehrt man sich mit Händen und Füßen dagegen. Hier will man selbst nichts von einer staatlichen Vereinigung mit Coburg wissen, das bisher nur durch eine Art von Personalunion damit lose zusammenhing. Vielmehr soll der Herzog das Einkommen, was er aus Gotha bezieht, bei Heller und Pfennig auch dort verzehren, während bis dato wohl auch einige Thaler nach Coburg gingen. Komische Dinge erlebte ich in dem sonst so friedfertigen Rudolstadt. Als ich am 28. October Abends auf deu geräumigen Markt trat, in dessen Mitte von einer präch¬ tigen Linde beschattet die Hauptwache steht, fand ich dichtgedrängte, lärmende Volks¬ haufen, in deren Mitte blitzende Bajonette hin und herschwankten. Einige Augenblicke später öffneten sich die Reihen, und ein Trupp Militär, „Landeskinder," nicht fremde Solda¬ teska zog mit Sack und Pack, escortirt von Bürgerwehr und vom jubelnden Gelächter des Pöbels verfolgt, dem Thore zu. Ich erfuhr nun, daß in Folge einer gestern vor¬ gekommenen Schlägerei, der man von Seiten der Bürger und des Volks um jeden Preis politische Tendenzen unterzuschieben sich bemühte — das Militär sollte durch die Reactio- näre vom Adel mit ansehnlichen Geldspenden gegen das Volk gehetzt worden sein — die kaum Z(w Mann starke Garnison aus der Stadt auf die nächsten Dörfer verlegt wer¬ den müsse, kraft eines Befehls vom Fürsten, der nunmehr, wie es scheint, unter allen Bewohnern von Rudolstadt der einzige Nicht-Souverän ist. Uebrigens hörte ich auch, daß er seinen getreuen Unterthanen das Versprechen habe geben müssen, im Falle, daß er me- diatisirt würde, sein geliebtes Rudolstadt nicht zu verlassen, sondern sein Geld nach wie vor hier zu verzehren. Diese Zusicherung hat den» hier eine ungleich günstigere Stimmung dafür erweckt, als ich sie in den andern Residenzen fand. Aber alle die bisher berührten Zustände sind noch wahre Muster staatlicher Ord¬ nung und Dressur, wenn ich die Erfahrungen dagegen halte, die ich in einigen Theilen des Altenburger Landes machte. Statt weitläuftiger Schilderungen will ich Ihnen ganz kurz den Inhalt einer Unterhaltung mit einem sonst höchst gutmüthigen Philister, einem vom reinsten thüringischen Wasser, in einer Landstadt des westlichen Theils des Herzogthums referiren. Ich traf ans der Straße mit dem Manne zusammen und sah mich, vermöge der etwas breitmäuligen Offenherzigkeit, die dem Menschenschläge in diesen Gegenden eigen ist, bald in ein unendliches Gespräch mit ihm verwickelt. Schon in der ersten Minute hatte er mir versichert, daß er ein ächter Republikaner, wie alle seine Landsleute, sei. Als ich nur entgegnete, es gäbe in der Stadt Altenburg und sonst doch auch noch anders Gesinnte, wie sich das jetzt, seit dem Einmärsche der Truppen gezeigt habe, unterbrach er mich heftig: „Das sind die Adelige» und Geheime Räthe, sonst Niemand, und wer es sonst ist, ist ein Bolksverräther und muß baumeln! Den Andern thun wir nichts, die werden blos fortgeschickt." — „Und der Herzog?" — „Der kann bleiben, wenn er sein Geld hier verzehrt und thut, was der I)i-> Do'uay haben will. Ja das ist ein Mann, der Dr. Donay!" — Und nun folgte ein Hym¬ nus auf diesen Volksheiland. „Neulich war er in dem Eisenbcrger republikanischen Srinzbotm. IV. Isis. zi

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/249>, abgerufen am 25.12.2024.