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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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chen. ES fragt sich nun, soll Deutschland interveniren? Mit Rechtsgründen wird
diese Frage nicht entschieden. Eine bewaffnete Intervention würde dem Bürger¬
krieg den gehässigsten Charakter geben, sie würde muthmaßlich eine russische Ein¬
mischung herbeiführen und den größten Theil der Oestreicher gegen die "Fremden"
vereinigen. Denn man gebe denselben immerhin den Namen Reichstruppen; der
Oestreicher wird nicht vergessen, daß es Sachsen, Hessen und Preußen sind.
Preußen! Eine zweite Auflage des siebenjährigen Kriegs! Die radikale Partei
in Berlin hatte die beste Intention dazu, und Herr Wal deck wollte allen Ern¬
stes preußische Truppen marschiren lassen, zwar zur Unterstützung seiner Brüder,
der Fürstenfresser, aber doch auch zur Ehre des preußischen Namens. Der erste
Eintritt eines preußischen Soldaten auf Oestreichs Gebiet hätte einen National¬
krieg heraufbeschworen. Die Berliner Constituante verwarf den Antrag; zu be¬
rechnen war es bei dieser Versammlung nicht, sie hätte ihn auch eben so gut an¬
nehmen können. Nur wurde es den Candidaten des neuen Ministeriums doch zu
stark -- ebenso wie die Aufführung des Königsberger Pvthion vor dem König - -
sie zogen wieder einmal die deutsche Fahne auf und erließen eine Adresse an die
Reichsgewalt, wozu sie -- als Stände -- eben so viel Recht hatten, als zu der
selbstständigen Kriegserklärung gegen Oestreich. Doch vermied das Amendement
Rodbertus die Nothwendigkeit eines eigentlichen Entschlusses, es führte vor¬
aussichtlich zu keinem Blutvergießen und machte doch Lärm genug, sämmtliche Mi¬
nister in Verlegenheit zu setzen.

Wie diese Partei -- in Berlin, in Frankfurt und in Wien -- ihre Stel¬
lung zu den Fürsten auffaßt, zeigt am Klarsten das Minoritätsgutachten zu dem
Verfassungsentwurf. Der Bundestag war die concentrirte Macht der Regierungen;
die Centralgewalt soll ein Hebel gegen die Fürsten sein. In einem Monarchien-
bnndniß sehen sie die permanente Verschwörung gegen die Volksfreiheit. "Nur
durch eine den Einzelregierungen gegenüber stark und kräftig gemachte Centralge¬
walt kann eine auf der Freiheit und auf gleicher Berechtigung Aller beruhende
Einheit Deutschlands hergestellt werden; bleiben aber die Einzelstaaten Mächte,
so ist nur eine auf Suprematie, aus die Herrschaft der Einen und die Dienst-
barkeit der Andern gegründete Einheit denkbar. Die Centralvollziehungsgewalt
wird eine auf demokratischen Grundsätzen beruhende sein müssen, so lange die
Einzelstaaten Monarchien sind; (nachher nicht?) denn eine in die dynastischen
Interessen verflochtene Erbmonarchie an der Spitze des Gesammtstaates würde zu
sehr versucht sein, mit den Dynastien der Einzelstaaten gegen die Freiheit des
Volks zu conspiriren." -- So erklärt sich die gelegentliche Begeisterung für die
Centralgewalt bei unsern Radikalen, die mit dem Haß gegen die bestimmte Cen¬
tralgewalt Hand in Hand geht; so der ehemalige Jakobysche Antrag, so die Auf¬
forderung zur Intervention in Oestreich, so das Zetergeschrei über die Jnterven-


chen. ES fragt sich nun, soll Deutschland interveniren? Mit Rechtsgründen wird
diese Frage nicht entschieden. Eine bewaffnete Intervention würde dem Bürger¬
krieg den gehässigsten Charakter geben, sie würde muthmaßlich eine russische Ein¬
mischung herbeiführen und den größten Theil der Oestreicher gegen die „Fremden"
vereinigen. Denn man gebe denselben immerhin den Namen Reichstruppen; der
Oestreicher wird nicht vergessen, daß es Sachsen, Hessen und Preußen sind.
Preußen! Eine zweite Auflage des siebenjährigen Kriegs! Die radikale Partei
in Berlin hatte die beste Intention dazu, und Herr Wal deck wollte allen Ern¬
stes preußische Truppen marschiren lassen, zwar zur Unterstützung seiner Brüder,
der Fürstenfresser, aber doch auch zur Ehre des preußischen Namens. Der erste
Eintritt eines preußischen Soldaten auf Oestreichs Gebiet hätte einen National¬
krieg heraufbeschworen. Die Berliner Constituante verwarf den Antrag; zu be¬
rechnen war es bei dieser Versammlung nicht, sie hätte ihn auch eben so gut an¬
nehmen können. Nur wurde es den Candidaten des neuen Ministeriums doch zu
stark — ebenso wie die Aufführung des Königsberger Pvthion vor dem König - -
sie zogen wieder einmal die deutsche Fahne auf und erließen eine Adresse an die
Reichsgewalt, wozu sie — als Stände — eben so viel Recht hatten, als zu der
selbstständigen Kriegserklärung gegen Oestreich. Doch vermied das Amendement
Rodbertus die Nothwendigkeit eines eigentlichen Entschlusses, es führte vor¬
aussichtlich zu keinem Blutvergießen und machte doch Lärm genug, sämmtliche Mi¬
nister in Verlegenheit zu setzen.

Wie diese Partei — in Berlin, in Frankfurt und in Wien — ihre Stel¬
lung zu den Fürsten auffaßt, zeigt am Klarsten das Minoritätsgutachten zu dem
Verfassungsentwurf. Der Bundestag war die concentrirte Macht der Regierungen;
die Centralgewalt soll ein Hebel gegen die Fürsten sein. In einem Monarchien-
bnndniß sehen sie die permanente Verschwörung gegen die Volksfreiheit. „Nur
durch eine den Einzelregierungen gegenüber stark und kräftig gemachte Centralge¬
walt kann eine auf der Freiheit und auf gleicher Berechtigung Aller beruhende
Einheit Deutschlands hergestellt werden; bleiben aber die Einzelstaaten Mächte,
so ist nur eine auf Suprematie, aus die Herrschaft der Einen und die Dienst-
barkeit der Andern gegründete Einheit denkbar. Die Centralvollziehungsgewalt
wird eine auf demokratischen Grundsätzen beruhende sein müssen, so lange die
Einzelstaaten Monarchien sind; (nachher nicht?) denn eine in die dynastischen
Interessen verflochtene Erbmonarchie an der Spitze des Gesammtstaates würde zu
sehr versucht sein, mit den Dynastien der Einzelstaaten gegen die Freiheit des
Volks zu conspiriren." — So erklärt sich die gelegentliche Begeisterung für die
Centralgewalt bei unsern Radikalen, die mit dem Haß gegen die bestimmte Cen¬
tralgewalt Hand in Hand geht; so der ehemalige Jakobysche Antrag, so die Auf¬
forderung zur Intervention in Oestreich, so das Zetergeschrei über die Jnterven-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/237>, abgerufen am 22.07.2024.