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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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daß, so viel man aus Thatsachen urtheilen kann, die Majorität der Oestreicher nicht
für das Aufgeben der einheitlichen Monarchie sei. Man sollte glauben, er würde nun
auf das Mühlfeld'sche Amendement herauskommen: Deutschland für sich, Oestreich
für sich, beide völkerrechtlich so weit es geht vereinigt. Aber nein! Er fürchtet, zu
preußisch zujerscheinen; der Begriff völkerrechtlich genügt ihm nicht: "Wir wollen
mit dem gesammten Oestreich einen Staatenbund, für uns ohne Oestreich einen
Bundesstaat." Eine limitirte Souveränität zweier Staaten, von der doch wohl
bei jeder wichtigen Frage jeder einzelne ein Veto haben wird und die demnach da¬
hin führen muß, daß in keiner Sache ein Beschluß gefaßt werden kann. Die öst¬
reichischen Abgeordneten sollen immerhin in Frankfurt bleiben, wenn sie auch uicht
zu dem Staat gehören sollen, dessen Konstitution sie mitberathen. Was das für
eine Logik ist! Zuletzt geht es rein in das Gemüth: "Wir wollen einen Bau
gründen, der Deutschland groß und mächtig, an die Spitze Europas, unsere
Flagge flattere auf der weite" See" u. s. w., wie ein alter Burschenschafter.
Damit kommt man keinen Schritt weiter.

Sonst sprach sich auf Seite der Deutschen kein Redner von Bedeutung ge¬
gen die Paragraphen aus. Reich ensp erger meinte, man solle die Logik nicht
übertreiben. Außer Gagern stimmten von bekannten Namen Graf Schwerin,
v. Rvtenhan, v. Beisler, v. Baily, v. Linde gegen die Paragraphen.
Am entschiedensten sprach v. Linde die Jncompetenz der Versammlung aus, über
die Auflösung der Realunion zwischen den deutschen und nichtdeutschen Provinzen
Oestreichs zu entscheiden, "weil sie nicht beweisen könne, daß die Folgen der
Märzrevolution auch in Oestreich das Resultat herbeigeführt hätten, daß die be¬
stehende Verfassung gänzlich aufgelöst wäre." Die Monarchie habe also nicht die
Verbindlichkeit, sich darüber Borschriften geben zu lassen, ob der zum deutschen
Lande gehörige Theil in Zukunft in einer Personalunion oder ob er auch zugleich
in einer Realunion mit den Rebenlauben stehen solle. Nur auf dem Wege di¬
plomatischer Verhandlung könne dies allerdings wünschenswerthe Resultat erreicht
werden.

Die Gegner konnten dieser Theorie am glücklichsten mit der Anspielung auf
Holstein und Limburg begegnen. Hier hatte die Nationalversammlung durch frü¬
here Entscheidung ihre Ansichten auch über Oestreich bereits präjudicirt; "ach
welchem Nechtsprincip, war freilich nicht zu ersehen. Der andern Seite stand da¬
gegen die Masse der Thatsachen zu Gebote; von Seite des Reichs waren Schritte
geschehen , auf die Entscheidung der innern Angelegenheiten Oestreichs zu influi-
ren, mir Schonung freilich, weil man unmöglich der radikalen Fraktion, welche in
diesem Augenblick die Fahne des Reichs aufpflanzt, das Wort reden konnte; aber sie
waren geschehen-, und ihre Erfolglosigkeit mußte das Vertrauen der schwarz-gelb -
rothen Partei zu Fmnkfnrt untergrabe" und ihr die letzten Stützen entziehen.

Unter den Oestreichern, die gegen die Paragraphen stimmten, zeichnen


daß, so viel man aus Thatsachen urtheilen kann, die Majorität der Oestreicher nicht
für das Aufgeben der einheitlichen Monarchie sei. Man sollte glauben, er würde nun
auf das Mühlfeld'sche Amendement herauskommen: Deutschland für sich, Oestreich
für sich, beide völkerrechtlich so weit es geht vereinigt. Aber nein! Er fürchtet, zu
preußisch zujerscheinen; der Begriff völkerrechtlich genügt ihm nicht: „Wir wollen
mit dem gesammten Oestreich einen Staatenbund, für uns ohne Oestreich einen
Bundesstaat." Eine limitirte Souveränität zweier Staaten, von der doch wohl
bei jeder wichtigen Frage jeder einzelne ein Veto haben wird und die demnach da¬
hin führen muß, daß in keiner Sache ein Beschluß gefaßt werden kann. Die öst¬
reichischen Abgeordneten sollen immerhin in Frankfurt bleiben, wenn sie auch uicht
zu dem Staat gehören sollen, dessen Konstitution sie mitberathen. Was das für
eine Logik ist! Zuletzt geht es rein in das Gemüth: „Wir wollen einen Bau
gründen, der Deutschland groß und mächtig, an die Spitze Europas, unsere
Flagge flattere auf der weite» See" u. s. w., wie ein alter Burschenschafter.
Damit kommt man keinen Schritt weiter.

Sonst sprach sich auf Seite der Deutschen kein Redner von Bedeutung ge¬
gen die Paragraphen aus. Reich ensp erger meinte, man solle die Logik nicht
übertreiben. Außer Gagern stimmten von bekannten Namen Graf Schwerin,
v. Rvtenhan, v. Beisler, v. Baily, v. Linde gegen die Paragraphen.
Am entschiedensten sprach v. Linde die Jncompetenz der Versammlung aus, über
die Auflösung der Realunion zwischen den deutschen und nichtdeutschen Provinzen
Oestreichs zu entscheiden, „weil sie nicht beweisen könne, daß die Folgen der
Märzrevolution auch in Oestreich das Resultat herbeigeführt hätten, daß die be¬
stehende Verfassung gänzlich aufgelöst wäre." Die Monarchie habe also nicht die
Verbindlichkeit, sich darüber Borschriften geben zu lassen, ob der zum deutschen
Lande gehörige Theil in Zukunft in einer Personalunion oder ob er auch zugleich
in einer Realunion mit den Rebenlauben stehen solle. Nur auf dem Wege di¬
plomatischer Verhandlung könne dies allerdings wünschenswerthe Resultat erreicht
werden.

Die Gegner konnten dieser Theorie am glücklichsten mit der Anspielung auf
Holstein und Limburg begegnen. Hier hatte die Nationalversammlung durch frü¬
here Entscheidung ihre Ansichten auch über Oestreich bereits präjudicirt; «ach
welchem Nechtsprincip, war freilich nicht zu ersehen. Der andern Seite stand da¬
gegen die Masse der Thatsachen zu Gebote; von Seite des Reichs waren Schritte
geschehen , auf die Entscheidung der innern Angelegenheiten Oestreichs zu influi-
ren, mir Schonung freilich, weil man unmöglich der radikalen Fraktion, welche in
diesem Augenblick die Fahne des Reichs aufpflanzt, das Wort reden konnte; aber sie
waren geschehen-, und ihre Erfolglosigkeit mußte das Vertrauen der schwarz-gelb -
rothen Partei zu Fmnkfnrt untergrabe» und ihr die letzten Stützen entziehen.

Unter den Oestreichern, die gegen die Paragraphen stimmten, zeichnen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/230>, abgerufen am 22.07.2024.