Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ungefüge Masse auseinandersprengen, das Deutsche in den Kasten eines einigen
Deutschlands werfen, das Nichtdentsche sich selbst überlassen, d. h. Euch dem Ver¬
derben, die Ungarn dem Schicksal des alten Polens, die slavische Grenze und
Dalmatien den Russen.

Dies ist die Frage, welche jetzt vom Rhein bis zum schwarzen Meer fliegt
und unsere Pflastersteine blutig färbt: hat der Kaiserstaat Oestreich Lebensfähig¬
keit und die Garantie der Kraft und Dauer in sich allein, oder muß er aufgehen
in den Centralisationsbestrebuugen der dentschen Stämme. Laßt mich darüber von
Eurem Standpunkt, in Eurem Interesse meine Ueberzeugung deutlich aussprechen.
Ihr, die Sachsen in Siebenbürgen, seid in diesem Augenblick die
Bürgen der Dauer nud des Bestandes von Oestreich, und wie ihr
die Bürgen Oestreichs seid, so besteht und fallt ihr auch zu¬
gleich mit dem Kaiserstaat. Das ist keine Schmeichelei sür Euch, es ist
Euer Schicksal. Ich nenne Euch, weil Ihr die einzigen Dentschen im Osten
seid, welche eine feste Organisation als selbstständiger Völkerstamm haben, doch
ähnliches Schicksal und dieselbe Pflicht liegt auf den deutscheu Stadtgemeinden
Ungarns und der Nebeuländer. Wären slavische Stämme allein zwischen Krakau
und dem schwarzen Meer, der Südosten Europas wäre jetzt wahrscheinlich ein
großer Slavenstaat. Wohnten Magyaren und Slaven allein von Siebenbürgen
bis Preßburg, wir hätten einen wüthenden, tödtlichen Nacenkampf zu beklagen,
der mit der Vermehrung der Ungarn geendet hätte, und wäre er nicht schon längst
ausgebrochen, in diesem Jahre hätten ihn slavische Wünsche und magyarischer
Uebermuth gebracht. So aber saßet Ihr drei unter einander, Deutsche, Ungarn
und Slaven, Ihr die schwächsten an Zahl, aber kräftig durch Intelligenz und
Wohlstand. Wäret Ihr im Streit, zwei gegen einen, zwei gegen Euch, so ver¬
hinderte Mißtrauen, Eifersucht und anseinanderlaufende Interessen der Beiden
wer Verderben, standet aber Ihr mit einer Partei vereint, so gabt Ihr den
Asschlag und den Sieg, und zwei Parteien mußten um Euch werben; so war
es ',cum Ihr tagtet und wenn Ihr nach den Waffen griffe. Immer aber war Eure
versündige Politik zum dentschen Kaiserhaus, an Wien zu halten. Daher kam es,
daß ^ allen Händeln, Uebergriffen der Krone und der Nationalitäten nie das
Aenßeie durchgesetzt wurde, so kam es, daß das Scepter Oestreichs durch Euch
über Alarm herüber eine feste Stütze an der äußersten Grenze erhielt. Die Drei-
heit der Nationen bei Euch und in Ungarn war eine wunderbare Hilfe sür die
Regierung Ihr wißt, daß auch Metternich das sehr wohl einsah, lind diese
Dreiheit "r. fortbestehen, zu Eurem Heil, zum Heil Oestreichs, Ihr könnt die
Ungarn nich?"tbehren und Oestreich kann es nicht. Der Sturm, welchen Kos-
suth's unfähig Ehrgeiz über die Ungarn beschworen hat, wird hoffentlich dazu
helfen, den Uemmth des magyarischen Regiments für immer zu brechen. Pest-
reich hat in die^, Kampf die erste Aufgabe seiner neuen Organisation zu erfüllen;


27 ^

ungefüge Masse auseinandersprengen, das Deutsche in den Kasten eines einigen
Deutschlands werfen, das Nichtdentsche sich selbst überlassen, d. h. Euch dem Ver¬
derben, die Ungarn dem Schicksal des alten Polens, die slavische Grenze und
Dalmatien den Russen.

Dies ist die Frage, welche jetzt vom Rhein bis zum schwarzen Meer fliegt
und unsere Pflastersteine blutig färbt: hat der Kaiserstaat Oestreich Lebensfähig¬
keit und die Garantie der Kraft und Dauer in sich allein, oder muß er aufgehen
in den Centralisationsbestrebuugen der dentschen Stämme. Laßt mich darüber von
Eurem Standpunkt, in Eurem Interesse meine Ueberzeugung deutlich aussprechen.
Ihr, die Sachsen in Siebenbürgen, seid in diesem Augenblick die
Bürgen der Dauer nud des Bestandes von Oestreich, und wie ihr
die Bürgen Oestreichs seid, so besteht und fallt ihr auch zu¬
gleich mit dem Kaiserstaat. Das ist keine Schmeichelei sür Euch, es ist
Euer Schicksal. Ich nenne Euch, weil Ihr die einzigen Dentschen im Osten
seid, welche eine feste Organisation als selbstständiger Völkerstamm haben, doch
ähnliches Schicksal und dieselbe Pflicht liegt auf den deutscheu Stadtgemeinden
Ungarns und der Nebeuländer. Wären slavische Stämme allein zwischen Krakau
und dem schwarzen Meer, der Südosten Europas wäre jetzt wahrscheinlich ein
großer Slavenstaat. Wohnten Magyaren und Slaven allein von Siebenbürgen
bis Preßburg, wir hätten einen wüthenden, tödtlichen Nacenkampf zu beklagen,
der mit der Vermehrung der Ungarn geendet hätte, und wäre er nicht schon längst
ausgebrochen, in diesem Jahre hätten ihn slavische Wünsche und magyarischer
Uebermuth gebracht. So aber saßet Ihr drei unter einander, Deutsche, Ungarn
und Slaven, Ihr die schwächsten an Zahl, aber kräftig durch Intelligenz und
Wohlstand. Wäret Ihr im Streit, zwei gegen einen, zwei gegen Euch, so ver¬
hinderte Mißtrauen, Eifersucht und anseinanderlaufende Interessen der Beiden
wer Verderben, standet aber Ihr mit einer Partei vereint, so gabt Ihr den
Asschlag und den Sieg, und zwei Parteien mußten um Euch werben; so war
es ',cum Ihr tagtet und wenn Ihr nach den Waffen griffe. Immer aber war Eure
versündige Politik zum dentschen Kaiserhaus, an Wien zu halten. Daher kam es,
daß ^ allen Händeln, Uebergriffen der Krone und der Nationalitäten nie das
Aenßeie durchgesetzt wurde, so kam es, daß das Scepter Oestreichs durch Euch
über Alarm herüber eine feste Stütze an der äußersten Grenze erhielt. Die Drei-
heit der Nationen bei Euch und in Ungarn war eine wunderbare Hilfe sür die
Regierung Ihr wißt, daß auch Metternich das sehr wohl einsah, lind diese
Dreiheit «r. fortbestehen, zu Eurem Heil, zum Heil Oestreichs, Ihr könnt die
Ungarn nich?„tbehren und Oestreich kann es nicht. Der Sturm, welchen Kos-
suth's unfähig Ehrgeiz über die Ungarn beschworen hat, wird hoffentlich dazu
helfen, den Uemmth des magyarischen Regiments für immer zu brechen. Pest-
reich hat in die^, Kampf die erste Aufgabe seiner neuen Organisation zu erfüllen;


27 ^
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0219" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276975"/>
            <p xml:id="ID_631" prev="#ID_630"> ungefüge Masse auseinandersprengen, das Deutsche in den Kasten eines einigen<lb/>
Deutschlands werfen, das Nichtdentsche sich selbst überlassen, d. h. Euch dem Ver¬<lb/>
derben, die Ungarn dem Schicksal des alten Polens, die slavische Grenze und<lb/>
Dalmatien den Russen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_632" next="#ID_633"> Dies ist die Frage, welche jetzt vom Rhein bis zum schwarzen Meer fliegt<lb/>
und unsere Pflastersteine blutig färbt: hat der Kaiserstaat Oestreich Lebensfähig¬<lb/>
keit und die Garantie der Kraft und Dauer in sich allein, oder muß er aufgehen<lb/>
in den Centralisationsbestrebuugen der dentschen Stämme. Laßt mich darüber von<lb/>
Eurem Standpunkt, in Eurem Interesse meine Ueberzeugung deutlich aussprechen.<lb/>
Ihr, die Sachsen in Siebenbürgen, seid in diesem Augenblick die<lb/>
Bürgen der Dauer nud des Bestandes von Oestreich, und wie ihr<lb/>
die Bürgen Oestreichs seid, so besteht und fallt ihr auch zu¬<lb/>
gleich mit dem Kaiserstaat. Das ist keine Schmeichelei sür Euch, es ist<lb/>
Euer Schicksal. Ich nenne Euch, weil Ihr die einzigen Dentschen im Osten<lb/>
seid, welche eine feste Organisation als selbstständiger Völkerstamm haben, doch<lb/>
ähnliches Schicksal und dieselbe Pflicht liegt auf den deutscheu Stadtgemeinden<lb/>
Ungarns und der Nebeuländer. Wären slavische Stämme allein zwischen Krakau<lb/>
und dem schwarzen Meer, der Südosten Europas wäre jetzt wahrscheinlich ein<lb/>
großer Slavenstaat. Wohnten Magyaren und Slaven allein von Siebenbürgen<lb/>
bis Preßburg, wir hätten einen wüthenden, tödtlichen Nacenkampf zu beklagen,<lb/>
der mit der Vermehrung der Ungarn geendet hätte, und wäre er nicht schon längst<lb/>
ausgebrochen, in diesem Jahre hätten ihn slavische Wünsche und magyarischer<lb/>
Uebermuth gebracht. So aber saßet Ihr drei unter einander, Deutsche, Ungarn<lb/>
und Slaven, Ihr die schwächsten an Zahl, aber kräftig durch Intelligenz und<lb/>
Wohlstand. Wäret Ihr im Streit, zwei gegen einen, zwei gegen Euch, so ver¬<lb/>
hinderte Mißtrauen, Eifersucht und anseinanderlaufende Interessen der Beiden<lb/>
wer Verderben, standet aber Ihr mit einer Partei vereint, so gabt Ihr den<lb/>
Asschlag und den Sieg, und zwei Parteien mußten um Euch werben; so war<lb/>
es ',cum Ihr tagtet und wenn Ihr nach den Waffen griffe. Immer aber war Eure<lb/>
versündige Politik zum dentschen Kaiserhaus, an Wien zu halten. Daher kam es,<lb/>
daß ^ allen Händeln, Uebergriffen der Krone und der Nationalitäten nie das<lb/>
Aenßeie durchgesetzt wurde, so kam es, daß das Scepter Oestreichs durch Euch<lb/>
über Alarm herüber eine feste Stütze an der äußersten Grenze erhielt. Die Drei-<lb/>
heit der Nationen bei Euch und in Ungarn war eine wunderbare Hilfe sür die<lb/>
Regierung Ihr wißt, daß auch Metternich das sehr wohl einsah, lind diese<lb/>
Dreiheit «r. fortbestehen, zu Eurem Heil, zum Heil Oestreichs, Ihr könnt die<lb/>
Ungarn nich?&#x201E;tbehren und Oestreich kann es nicht. Der Sturm, welchen Kos-<lb/>
suth's unfähig Ehrgeiz über die Ungarn beschworen hat, wird hoffentlich dazu<lb/>
helfen, den Uemmth des magyarischen Regiments für immer zu brechen. Pest-<lb/>
reich hat in die^, Kampf die erste Aufgabe seiner neuen Organisation zu erfüllen;</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 27 ^</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0219] ungefüge Masse auseinandersprengen, das Deutsche in den Kasten eines einigen Deutschlands werfen, das Nichtdentsche sich selbst überlassen, d. h. Euch dem Ver¬ derben, die Ungarn dem Schicksal des alten Polens, die slavische Grenze und Dalmatien den Russen. Dies ist die Frage, welche jetzt vom Rhein bis zum schwarzen Meer fliegt und unsere Pflastersteine blutig färbt: hat der Kaiserstaat Oestreich Lebensfähig¬ keit und die Garantie der Kraft und Dauer in sich allein, oder muß er aufgehen in den Centralisationsbestrebuugen der dentschen Stämme. Laßt mich darüber von Eurem Standpunkt, in Eurem Interesse meine Ueberzeugung deutlich aussprechen. Ihr, die Sachsen in Siebenbürgen, seid in diesem Augenblick die Bürgen der Dauer nud des Bestandes von Oestreich, und wie ihr die Bürgen Oestreichs seid, so besteht und fallt ihr auch zu¬ gleich mit dem Kaiserstaat. Das ist keine Schmeichelei sür Euch, es ist Euer Schicksal. Ich nenne Euch, weil Ihr die einzigen Dentschen im Osten seid, welche eine feste Organisation als selbstständiger Völkerstamm haben, doch ähnliches Schicksal und dieselbe Pflicht liegt auf den deutscheu Stadtgemeinden Ungarns und der Nebeuländer. Wären slavische Stämme allein zwischen Krakau und dem schwarzen Meer, der Südosten Europas wäre jetzt wahrscheinlich ein großer Slavenstaat. Wohnten Magyaren und Slaven allein von Siebenbürgen bis Preßburg, wir hätten einen wüthenden, tödtlichen Nacenkampf zu beklagen, der mit der Vermehrung der Ungarn geendet hätte, und wäre er nicht schon längst ausgebrochen, in diesem Jahre hätten ihn slavische Wünsche und magyarischer Uebermuth gebracht. So aber saßet Ihr drei unter einander, Deutsche, Ungarn und Slaven, Ihr die schwächsten an Zahl, aber kräftig durch Intelligenz und Wohlstand. Wäret Ihr im Streit, zwei gegen einen, zwei gegen Euch, so ver¬ hinderte Mißtrauen, Eifersucht und anseinanderlaufende Interessen der Beiden wer Verderben, standet aber Ihr mit einer Partei vereint, so gabt Ihr den Asschlag und den Sieg, und zwei Parteien mußten um Euch werben; so war es ',cum Ihr tagtet und wenn Ihr nach den Waffen griffe. Immer aber war Eure versündige Politik zum dentschen Kaiserhaus, an Wien zu halten. Daher kam es, daß ^ allen Händeln, Uebergriffen der Krone und der Nationalitäten nie das Aenßeie durchgesetzt wurde, so kam es, daß das Scepter Oestreichs durch Euch über Alarm herüber eine feste Stütze an der äußersten Grenze erhielt. Die Drei- heit der Nationen bei Euch und in Ungarn war eine wunderbare Hilfe sür die Regierung Ihr wißt, daß auch Metternich das sehr wohl einsah, lind diese Dreiheit «r. fortbestehen, zu Eurem Heil, zum Heil Oestreichs, Ihr könnt die Ungarn nich?„tbehren und Oestreich kann es nicht. Der Sturm, welchen Kos- suth's unfähig Ehrgeiz über die Ungarn beschworen hat, wird hoffentlich dazu helfen, den Uemmth des magyarischen Regiments für immer zu brechen. Pest- reich hat in die^, Kampf die erste Aufgabe seiner neuen Organisation zu erfüllen; 27 ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/219
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/219>, abgerufen am 26.12.2024.