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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Offene Briefe.



VI.
An die Sachsen in Siebenbürgen.

Mitten dnrch wüste Verwirrung und fanatisches Kriegsgeschrei bringen Euch
die Grenzboten brüderlichen Gruß aus Deutschland und schwenken eifrig ihre
kleinen Hüte nach Eurer Feldmark. Wir sind Eure Boden, die Urwalde Eures
Rechts vor Oestreich und Deutschland und wir bleiben Euch treu, wenn auch unsre
tollgewordnen Vettern in Wien Euch und Euer Geschick vergessen haben. Daß
die Politik der Grenzboten auch die Eure ist, darüber freuen wir uns herzlich.
Wenn es einmal geschieht, daß zwei Männer, welche weit von einander getrennt
sind und in sehr verschiedenen Verhältnissen leben, der eine durch vernünftige Ueber-
legung, der andre durch seinen verständigen Vortheil dazu gebracht werden, daß
sie ein und dasselbe als gut und nothwendig begehren, so Mögen sie beide, der
Theoretiker und der praktische Mann einander von ganzem Herzen die Hand drücken,
denn Einer ist dem Andern Bürgschaft und Unterpfand, dafür, daß sie das Rechte
erkannt haben und das Gute wollen. So steht es zwischen Euch und uns. Die
Grenzboten kämpfen für eine gesunde, große Entwicklung Oestreichs und deshalb
Streite" sie auch für Euch, für Eure Fluren, für unsre Sitte und Sprache, sür
sreie Bürgerkraft an den Grenzen der asiatischen Steppe.

Daß Eure Väter den deutschen Pflug und freie Gesetzlichkeit hineintrugen in
den Osten zwischen Szekler und Ungarn, zwischen Nnmainen und Nachen, war
eine große Begebenheit, bedeutungsvoll in ihren Ursachen und Folgen, noch jetzt
ein Verhängnis) nicht nur für Siebenbürgen und Ungarn, mich für Oestreich und
Deutschland. Deutscher Fleiß und Bürgersinn sollte damals in die maaßlosen,
wilden Söhne des Landes gepflanzt werben, zur Lehre und Kräftigung des Lau¬
bes und seiner Regierung. Schon damals war Siebenbürgen und Ungarn in
geistiger Abhängigkeit von der Cultur und Bildung Deutschlands, Eure Koloni¬
sation hat diese Abhängigkeit sehr vermehrt, und überall, wo sich in Eurer Nach¬
barschaft Städte bildeten, Handel und Entwickelung der Volkskraft in größre
Bahnen gingen, hatte der Deutsche als Cnltnrbringer seine emsige Hand im Spiel;
es wurde Gewohnheit und Nothwendigkeit auf Deutschland zu sehen, sich an uus


Grenzboten. IV. Isi". 27
Offene Briefe.



VI.
An die Sachsen in Siebenbürgen.

Mitten dnrch wüste Verwirrung und fanatisches Kriegsgeschrei bringen Euch
die Grenzboten brüderlichen Gruß aus Deutschland und schwenken eifrig ihre
kleinen Hüte nach Eurer Feldmark. Wir sind Eure Boden, die Urwalde Eures
Rechts vor Oestreich und Deutschland und wir bleiben Euch treu, wenn auch unsre
tollgewordnen Vettern in Wien Euch und Euer Geschick vergessen haben. Daß
die Politik der Grenzboten auch die Eure ist, darüber freuen wir uns herzlich.
Wenn es einmal geschieht, daß zwei Männer, welche weit von einander getrennt
sind und in sehr verschiedenen Verhältnissen leben, der eine durch vernünftige Ueber-
legung, der andre durch seinen verständigen Vortheil dazu gebracht werden, daß
sie ein und dasselbe als gut und nothwendig begehren, so Mögen sie beide, der
Theoretiker und der praktische Mann einander von ganzem Herzen die Hand drücken,
denn Einer ist dem Andern Bürgschaft und Unterpfand, dafür, daß sie das Rechte
erkannt haben und das Gute wollen. So steht es zwischen Euch und uns. Die
Grenzboten kämpfen für eine gesunde, große Entwicklung Oestreichs und deshalb
Streite» sie auch für Euch, für Eure Fluren, für unsre Sitte und Sprache, sür
sreie Bürgerkraft an den Grenzen der asiatischen Steppe.

Daß Eure Väter den deutschen Pflug und freie Gesetzlichkeit hineintrugen in
den Osten zwischen Szekler und Ungarn, zwischen Nnmainen und Nachen, war
eine große Begebenheit, bedeutungsvoll in ihren Ursachen und Folgen, noch jetzt
ein Verhängnis) nicht nur für Siebenbürgen und Ungarn, mich für Oestreich und
Deutschland. Deutscher Fleiß und Bürgersinn sollte damals in die maaßlosen,
wilden Söhne des Landes gepflanzt werben, zur Lehre und Kräftigung des Lau¬
bes und seiner Regierung. Schon damals war Siebenbürgen und Ungarn in
geistiger Abhängigkeit von der Cultur und Bildung Deutschlands, Eure Koloni¬
sation hat diese Abhängigkeit sehr vermehrt, und überall, wo sich in Eurer Nach¬
barschaft Städte bildeten, Handel und Entwickelung der Volkskraft in größre
Bahnen gingen, hatte der Deutsche als Cnltnrbringer seine emsige Hand im Spiel;
es wurde Gewohnheit und Nothwendigkeit auf Deutschland zu sehen, sich an uus


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[0217] Offene Briefe. VI. An die Sachsen in Siebenbürgen. Mitten dnrch wüste Verwirrung und fanatisches Kriegsgeschrei bringen Euch die Grenzboten brüderlichen Gruß aus Deutschland und schwenken eifrig ihre kleinen Hüte nach Eurer Feldmark. Wir sind Eure Boden, die Urwalde Eures Rechts vor Oestreich und Deutschland und wir bleiben Euch treu, wenn auch unsre tollgewordnen Vettern in Wien Euch und Euer Geschick vergessen haben. Daß die Politik der Grenzboten auch die Eure ist, darüber freuen wir uns herzlich. Wenn es einmal geschieht, daß zwei Männer, welche weit von einander getrennt sind und in sehr verschiedenen Verhältnissen leben, der eine durch vernünftige Ueber- legung, der andre durch seinen verständigen Vortheil dazu gebracht werden, daß sie ein und dasselbe als gut und nothwendig begehren, so Mögen sie beide, der Theoretiker und der praktische Mann einander von ganzem Herzen die Hand drücken, denn Einer ist dem Andern Bürgschaft und Unterpfand, dafür, daß sie das Rechte erkannt haben und das Gute wollen. So steht es zwischen Euch und uns. Die Grenzboten kämpfen für eine gesunde, große Entwicklung Oestreichs und deshalb Streite» sie auch für Euch, für Eure Fluren, für unsre Sitte und Sprache, sür sreie Bürgerkraft an den Grenzen der asiatischen Steppe. Daß Eure Väter den deutschen Pflug und freie Gesetzlichkeit hineintrugen in den Osten zwischen Szekler und Ungarn, zwischen Nnmainen und Nachen, war eine große Begebenheit, bedeutungsvoll in ihren Ursachen und Folgen, noch jetzt ein Verhängnis) nicht nur für Siebenbürgen und Ungarn, mich für Oestreich und Deutschland. Deutscher Fleiß und Bürgersinn sollte damals in die maaßlosen, wilden Söhne des Landes gepflanzt werben, zur Lehre und Kräftigung des Lau¬ bes und seiner Regierung. Schon damals war Siebenbürgen und Ungarn in geistiger Abhängigkeit von der Cultur und Bildung Deutschlands, Eure Koloni¬ sation hat diese Abhängigkeit sehr vermehrt, und überall, wo sich in Eurer Nach¬ barschaft Städte bildeten, Handel und Entwickelung der Volkskraft in größre Bahnen gingen, hatte der Deutsche als Cnltnrbringer seine emsige Hand im Spiel; es wurde Gewohnheit und Nothwendigkeit auf Deutschland zu sehen, sich an uus Grenzboten. IV. Isi«. 27

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/217>, abgerufen am 25.12.2024.