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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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langweilig, daß sich Niemand dazu drängen werde. Es ist auch meist nur ein
Ehrenrecht, zumal wenn die Disciplinargerichtsbarkeit wegfällt.

Der allgemeine Inhalt der Vangerow'schen Rede war vortrefflich, die Appli¬
cation war falsch. Man soll freilich nicht Jedem die Corporationsrechte geben,
der sich eben erst habilitirt hat. Aber wer mehrere Jahre gelesen und eine Wirk¬
samkeit erlangt hat, bei dem ist es doch nur der Zufall, daß aus der beschränk¬
ten Zahl der ordentlichen Professuren keine offen steht, wenn er noch Privatdo¬
cent bleibt. Der hat gekämpft und verdient den Preis. Die außerordentliche
Professur müßte, wenn an sie das Recht geknüpft sein soll, jedem Docenten nach
einer bestimmten Zeit ertheilt werden, der eine Wirksamkeit hat, und nicht von
besonderer Auszeichnung oder persönlicher Gunst abhängen. Die Voraussetzung
Vangerow's ist so wenig richtig, daß häufig die wirksamsten Docenten, die "Haupt¬
kämpfer" gar nicht unter den Ordinarien zu suchen sind. Es gab in Tübingen
keinen einflußreicheren und beliebteren Lehrer, als Zeller, und er war Privatdocent.
Sollen diese nun über ihre Interessen schweigend abstimmen lassen von solchen,
die nicht lebendig bei der Universität interesstrt sind, weil ihre Hörsäle leer ste¬
hen? Ein anderer Grund: daß es den Privatdocenten schwerer werde, die Un¬
abhängigkeit ihrer Stimme zu wahren, möchte mehr als zweifelhaft sein. DaS
einzig Reelle unter den corporativen Befugnissen ist die Mitwirkung bei der Be¬
setzung der ordentlichen Lehrerstellen. Wenn diese den Facultäten überlassen wird,
und die Versammlung hat darüber noch Nichts entschieden, so kann die Zusam¬
mensetzung des Senats beiden Theilen ziemlich gleichgiltig sein. Die Versamm¬
lung entschied, daß das Plenum aller akademischen Lehrer regelmäßig und öffent¬
lich zur Wahl des Rectors und zur Berathung über Anträge an die Regierung
zusammentrete, und daß ans diesem Plenum die Verwaltungsausschüssc hervorge¬
hen sollen bei passiver Wahlfähigkeit nur der Ordinarien. Dieser Beschluß wurde
von 37 gegen 36 Stimmen gefaßt.

Zuletzt debattirte man noch über akademische Gerichtsbarkeit. Man entschied
sich sür Wegfall der akademischen Polizei, Civil- und Criminalgerichtsbarkeit. Man
wollte nnr die innere Disciplin beibehalten, die jede Gesellschaft übt, und das
Recht, Mitglieder wegen Vergehen, über welche die zuständigen Gerichte erkannt
haben, auszuschließen. Man trennte sich am vierten Tag, indem man sür das
folgende Jahr eine neue Versammlung zu Heidelberg an- und eine Commission
niedersetzte, welche Vorarbeiten, namentlich über die Facultätsfrage, liefern soll.

Dies der Verlauf dieser Versammlung. Die verhandelten Fragen können
freilich nur ein sehr untergeordnetes Interesse in Anspruch nehmen in den Tagen
einer der größten politischen Revolutionen. Früher Hütte sie den Journalen Wo¬
chen lang Stoff gegeben, wenn sie möglich gewesen wäre. Ich gebe nun noch
einige Beobachtungen.

Wächter zeigte ein eminentes Präsidententalent, vollkommen sichere Haltung


langweilig, daß sich Niemand dazu drängen werde. Es ist auch meist nur ein
Ehrenrecht, zumal wenn die Disciplinargerichtsbarkeit wegfällt.

Der allgemeine Inhalt der Vangerow'schen Rede war vortrefflich, die Appli¬
cation war falsch. Man soll freilich nicht Jedem die Corporationsrechte geben,
der sich eben erst habilitirt hat. Aber wer mehrere Jahre gelesen und eine Wirk¬
samkeit erlangt hat, bei dem ist es doch nur der Zufall, daß aus der beschränk¬
ten Zahl der ordentlichen Professuren keine offen steht, wenn er noch Privatdo¬
cent bleibt. Der hat gekämpft und verdient den Preis. Die außerordentliche
Professur müßte, wenn an sie das Recht geknüpft sein soll, jedem Docenten nach
einer bestimmten Zeit ertheilt werden, der eine Wirksamkeit hat, und nicht von
besonderer Auszeichnung oder persönlicher Gunst abhängen. Die Voraussetzung
Vangerow's ist so wenig richtig, daß häufig die wirksamsten Docenten, die „Haupt¬
kämpfer" gar nicht unter den Ordinarien zu suchen sind. Es gab in Tübingen
keinen einflußreicheren und beliebteren Lehrer, als Zeller, und er war Privatdocent.
Sollen diese nun über ihre Interessen schweigend abstimmen lassen von solchen,
die nicht lebendig bei der Universität interesstrt sind, weil ihre Hörsäle leer ste¬
hen? Ein anderer Grund: daß es den Privatdocenten schwerer werde, die Un¬
abhängigkeit ihrer Stimme zu wahren, möchte mehr als zweifelhaft sein. DaS
einzig Reelle unter den corporativen Befugnissen ist die Mitwirkung bei der Be¬
setzung der ordentlichen Lehrerstellen. Wenn diese den Facultäten überlassen wird,
und die Versammlung hat darüber noch Nichts entschieden, so kann die Zusam¬
mensetzung des Senats beiden Theilen ziemlich gleichgiltig sein. Die Versamm¬
lung entschied, daß das Plenum aller akademischen Lehrer regelmäßig und öffent¬
lich zur Wahl des Rectors und zur Berathung über Anträge an die Regierung
zusammentrete, und daß ans diesem Plenum die Verwaltungsausschüssc hervorge¬
hen sollen bei passiver Wahlfähigkeit nur der Ordinarien. Dieser Beschluß wurde
von 37 gegen 36 Stimmen gefaßt.

Zuletzt debattirte man noch über akademische Gerichtsbarkeit. Man entschied
sich sür Wegfall der akademischen Polizei, Civil- und Criminalgerichtsbarkeit. Man
wollte nnr die innere Disciplin beibehalten, die jede Gesellschaft übt, und das
Recht, Mitglieder wegen Vergehen, über welche die zuständigen Gerichte erkannt
haben, auszuschließen. Man trennte sich am vierten Tag, indem man sür das
folgende Jahr eine neue Versammlung zu Heidelberg an- und eine Commission
niedersetzte, welche Vorarbeiten, namentlich über die Facultätsfrage, liefern soll.

Dies der Verlauf dieser Versammlung. Die verhandelten Fragen können
freilich nur ein sehr untergeordnetes Interesse in Anspruch nehmen in den Tagen
einer der größten politischen Revolutionen. Früher Hütte sie den Journalen Wo¬
chen lang Stoff gegeben, wenn sie möglich gewesen wäre. Ich gebe nun noch
einige Beobachtungen.

Wächter zeigte ein eminentes Präsidententalent, vollkommen sichere Haltung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/21>, abgerufen am 26.12.2024.