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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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ken des Reichstages in Wien für einverstanden erklärt; und von einem Eingehen
in die Idee der czcchischcn Deputirten, den Reichstag "ach Brunn zu verlegen,
war in Mähren nicht sonderlich die Rede. Auch die Anwesenheit des Hofes in
Ollmütz scheint nicht modificirend auf das politische Urtheil einwirken zu wollen.
Eine eigentlich dynastische Begeisterung trat nur bei den Bauern hervor; aber
anch diese hatte eine egoistische Grundlage. Die lange Reihe hanakischer Bauern,
die zu Pferde deu Kaiser begleiteten, ließen sich früher in der Vorstadt, wie man
sagt, dnrch einen Handschlag des Kaisers versichern, daß die Robotfreiheit keine
Schmälerung erleiden werde, und dann erst knüpften sie die schwarzgelben Bär ¬
der an ihre Hüte. --

Die Deutschtiroler zeigen auch jetzt in bornirter Consequenz ihre Un¬
fähigkeit, den patriarchalischen Standpunkt zu verlassen und über ihre Alpen hin¬
aus auf den welthistorischen Schauplatz der großen, das Geschick von Europa
entscheidenden Bewegungen zu sehen. Ein Korrespondent aus Insbruck schreibt,
daß die dortige Stimmung in höchster Potenz reaktionär sei und Wien in den
Angen der Tiroler als ein Sitz des Greuels und der Anarchie gelte. Der Slave
ist wohl anch dynastisch gesinnt, aber mit Berücksichtigung seiner nationalen In¬
teressen; der Tiroler hingegen dient der Dynastie um ihrer selbst willen. Die
sämmtlichen Deputirten aus Deutschtirol haben deshalb auch den Reichstag ver¬
lassen und sind in ihre Heimath zurückgekehrt, dagegen harren die Deputirten von
Wälschtirol tapfer im Reichstage als Kampfgenossen der Linken aus. --

In G r ä dz interessirt mau sich mit glühendem Enthusiasmus für Wiens Schick-
sal; und die Nachricht, Jellachich rücke nach Wien, war dort wie ein Brand in
die Gemüther gefallen. Die Glocken dröhnten und die Kanonen donnerten zum
Aufgebote des Landsturms, und zahlreiche Schaaren von Nntionalgarden und Le¬
gionären eilten den Wienern zu Hilfe. -- Auch in Klagen für t hat der Aus¬
schuß des provisorischen Landtags nach deu eingelaufenen Nachrichten aus Wien so¬
gleich erklärt, daß Kärnthen dem constituirenden Reichstage unbedingt vertraue,
und demselben zur Wahrung der constitutionellen Freiheit und zur Sicherheit des
Monarchen die volle Kraft der ganzen Bevölkerung zur Verfügung stelle.

Aus Galizien rückt die ganze Militärmacht gegen Ungarn und Wien, so
daß man in dem von Truppen entblößten Lande allgemein eine Besetzung durch
die Russen fürchtet. Die Kassen und das ärarische Eigenthum werden von dem
theilweise aufgebotenen Landsturm, den Sensenmännern demande. Der Adel setzt
Freicorps zusammen, bereu Anzahl bereits ans l4,Mo Mann angegeben wird,
und die den Magyaren zu Hilfe ziehen sollen. Drohende Gerüchte sind dort im
Umlauf. Der Reichstag sei reaktionär, wolle die Robot wiedereinführen u. s. w.
Die Quelle derselben scheint nicht zweifelhaft zu sein; der Adel ist es wahrschein¬
lich, der an dem Bande , welches den galizischen Bauernstand an Oestreich knüpft,
zu zerren versucht; und während Kossuth die Magyaren an der Flamme seines


Grenzboten. IV. I"<i".

ken des Reichstages in Wien für einverstanden erklärt; und von einem Eingehen
in die Idee der czcchischcn Deputirten, den Reichstag »ach Brunn zu verlegen,
war in Mähren nicht sonderlich die Rede. Auch die Anwesenheit des Hofes in
Ollmütz scheint nicht modificirend auf das politische Urtheil einwirken zu wollen.
Eine eigentlich dynastische Begeisterung trat nur bei den Bauern hervor; aber
anch diese hatte eine egoistische Grundlage. Die lange Reihe hanakischer Bauern,
die zu Pferde deu Kaiser begleiteten, ließen sich früher in der Vorstadt, wie man
sagt, dnrch einen Handschlag des Kaisers versichern, daß die Robotfreiheit keine
Schmälerung erleiden werde, und dann erst knüpften sie die schwarzgelben Bär ¬
der an ihre Hüte. —

Die Deutschtiroler zeigen auch jetzt in bornirter Consequenz ihre Un¬
fähigkeit, den patriarchalischen Standpunkt zu verlassen und über ihre Alpen hin¬
aus auf den welthistorischen Schauplatz der großen, das Geschick von Europa
entscheidenden Bewegungen zu sehen. Ein Korrespondent aus Insbruck schreibt,
daß die dortige Stimmung in höchster Potenz reaktionär sei und Wien in den
Angen der Tiroler als ein Sitz des Greuels und der Anarchie gelte. Der Slave
ist wohl anch dynastisch gesinnt, aber mit Berücksichtigung seiner nationalen In¬
teressen; der Tiroler hingegen dient der Dynastie um ihrer selbst willen. Die
sämmtlichen Deputirten aus Deutschtirol haben deshalb auch den Reichstag ver¬
lassen und sind in ihre Heimath zurückgekehrt, dagegen harren die Deputirten von
Wälschtirol tapfer im Reichstage als Kampfgenossen der Linken aus. —

In G r ä dz interessirt mau sich mit glühendem Enthusiasmus für Wiens Schick-
sal; und die Nachricht, Jellachich rücke nach Wien, war dort wie ein Brand in
die Gemüther gefallen. Die Glocken dröhnten und die Kanonen donnerten zum
Aufgebote des Landsturms, und zahlreiche Schaaren von Nntionalgarden und Le¬
gionären eilten den Wienern zu Hilfe. — Auch in Klagen für t hat der Aus¬
schuß des provisorischen Landtags nach deu eingelaufenen Nachrichten aus Wien so¬
gleich erklärt, daß Kärnthen dem constituirenden Reichstage unbedingt vertraue,
und demselben zur Wahrung der constitutionellen Freiheit und zur Sicherheit des
Monarchen die volle Kraft der ganzen Bevölkerung zur Verfügung stelle.

Aus Galizien rückt die ganze Militärmacht gegen Ungarn und Wien, so
daß man in dem von Truppen entblößten Lande allgemein eine Besetzung durch
die Russen fürchtet. Die Kassen und das ärarische Eigenthum werden von dem
theilweise aufgebotenen Landsturm, den Sensenmännern demande. Der Adel setzt
Freicorps zusammen, bereu Anzahl bereits ans l4,Mo Mann angegeben wird,
und die den Magyaren zu Hilfe ziehen sollen. Drohende Gerüchte sind dort im
Umlauf. Der Reichstag sei reaktionär, wolle die Robot wiedereinführen u. s. w.
Die Quelle derselben scheint nicht zweifelhaft zu sein; der Adel ist es wahrschein¬
lich, der an dem Bande , welches den galizischen Bauernstand an Oestreich knüpft,
zu zerren versucht; und während Kossuth die Magyaren an der Flamme seines


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[0185] ken des Reichstages in Wien für einverstanden erklärt; und von einem Eingehen in die Idee der czcchischcn Deputirten, den Reichstag »ach Brunn zu verlegen, war in Mähren nicht sonderlich die Rede. Auch die Anwesenheit des Hofes in Ollmütz scheint nicht modificirend auf das politische Urtheil einwirken zu wollen. Eine eigentlich dynastische Begeisterung trat nur bei den Bauern hervor; aber anch diese hatte eine egoistische Grundlage. Die lange Reihe hanakischer Bauern, die zu Pferde deu Kaiser begleiteten, ließen sich früher in der Vorstadt, wie man sagt, dnrch einen Handschlag des Kaisers versichern, daß die Robotfreiheit keine Schmälerung erleiden werde, und dann erst knüpften sie die schwarzgelben Bär ¬ der an ihre Hüte. — Die Deutschtiroler zeigen auch jetzt in bornirter Consequenz ihre Un¬ fähigkeit, den patriarchalischen Standpunkt zu verlassen und über ihre Alpen hin¬ aus auf den welthistorischen Schauplatz der großen, das Geschick von Europa entscheidenden Bewegungen zu sehen. Ein Korrespondent aus Insbruck schreibt, daß die dortige Stimmung in höchster Potenz reaktionär sei und Wien in den Angen der Tiroler als ein Sitz des Greuels und der Anarchie gelte. Der Slave ist wohl anch dynastisch gesinnt, aber mit Berücksichtigung seiner nationalen In¬ teressen; der Tiroler hingegen dient der Dynastie um ihrer selbst willen. Die sämmtlichen Deputirten aus Deutschtirol haben deshalb auch den Reichstag ver¬ lassen und sind in ihre Heimath zurückgekehrt, dagegen harren die Deputirten von Wälschtirol tapfer im Reichstage als Kampfgenossen der Linken aus. — In G r ä dz interessirt mau sich mit glühendem Enthusiasmus für Wiens Schick- sal; und die Nachricht, Jellachich rücke nach Wien, war dort wie ein Brand in die Gemüther gefallen. Die Glocken dröhnten und die Kanonen donnerten zum Aufgebote des Landsturms, und zahlreiche Schaaren von Nntionalgarden und Le¬ gionären eilten den Wienern zu Hilfe. — Auch in Klagen für t hat der Aus¬ schuß des provisorischen Landtags nach deu eingelaufenen Nachrichten aus Wien so¬ gleich erklärt, daß Kärnthen dem constituirenden Reichstage unbedingt vertraue, und demselben zur Wahrung der constitutionellen Freiheit und zur Sicherheit des Monarchen die volle Kraft der ganzen Bevölkerung zur Verfügung stelle. Aus Galizien rückt die ganze Militärmacht gegen Ungarn und Wien, so daß man in dem von Truppen entblößten Lande allgemein eine Besetzung durch die Russen fürchtet. Die Kassen und das ärarische Eigenthum werden von dem theilweise aufgebotenen Landsturm, den Sensenmännern demande. Der Adel setzt Freicorps zusammen, bereu Anzahl bereits ans l4,Mo Mann angegeben wird, und die den Magyaren zu Hilfe ziehen sollen. Drohende Gerüchte sind dort im Umlauf. Der Reichstag sei reaktionär, wolle die Robot wiedereinführen u. s. w. Die Quelle derselben scheint nicht zweifelhaft zu sein; der Adel ist es wahrschein¬ lich, der an dem Bande , welches den galizischen Bauernstand an Oestreich knüpft, zu zerren versucht; und während Kossuth die Magyaren an der Flamme seines Grenzboten. IV. I»<i«.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/185>, abgerufen am 26.12.2024.