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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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ander der Befehl ergangen sei, die Abreise solcher Freischaarenzüge zu verhüte".
I" jener Versammlung kamen auch die zahlreichen, hellest in czechischer Sprache
abgefaßte,; Flugblätter zur Sprache, welche unter dein Landvolke cirkuliren und
dessen Sympathien für die Wiener Bewegung zu gewinnen suchen; darum ward
auch eine Commission zusammengesetzt, welche durch populäre, im Sinne des Ver¬
eines erlassene Aufsätze die Wirkung jener Flugblätter paralistren solle. Es ist
merkwürdig, wie die Wiener Demokraten mit der czechischen Partei sowohl, als
auch mit -- der Dynastie in der Emission solcher Flugblätter an die Bauern con¬
curriren; denn das Manifest des Kaisers vom 15. Oktober "an meine Völker"
ist seinem Inhalte nach nichts anderes, als ein Flugblatt an die treuen Landleute.
Nehmen die Wiener die Dankbarkeit der Bauern für die Erringung der bäuerli¬
chen Freiheit in Anspruch, so verlangt sie der Kaiser wieder für die Sanktion
dieser Errungenschaften. Das k. Manifest spricht die volle Garantie für die Ro¬
botfreiheit und die sonstigen Nnstikalbcfreiungen aus, und schließt dann mit den
bedeutungsvollen Worten: "Seid daher ruhig nud unbesorgt, meine treuen Land¬
leute; und wenn es Menschen gibt, welche das Wort eures Kaisers zu verdächti¬
gen suchen, so sehet sie als Verräther an Mir und eurem eigenen Wohle an --
und benehme Euch darnach." Nach diesen Schlußworten hat es den An¬
schein, als hätte die Dynastie große Lust, einen Landsturm zu ihren Gunsten
aufzubieten und das bäuerliche Bewußtsein der Landbewohner gegen die haupt¬
städtische Demokratie so ausbeuten zu wollen, wie es früher bei der aristo¬
kratischen Schilderhebnng des gallizischeu Adels in ähnlicher Weise der Fall
gewesen; als wollte es der Bauer, bei dem die volle Realisirung der Freiheit
begonnen hat, dazu benutzen, um die Fortsetzung dieses Werkes verhindern zu
helfen. --

Während von der czechischen Partei die Wiener Bewegung von rein nationa¬
lem Standpunkte aufgefaßt und darum desavouirt wird, so wird sie wieder von
dem deutschen Theil der Bevölkerung aus vorherrschend nationalen Beweggründen
mit Jubel und Begeisterung aufgenommen, und ans diese Art der richtige, in der
Mitte liegende politische Standpunkt nach der andern Seite hin überschritten. So
beschlossen die deutschen Studenten Prags in einer am ,U>. Oktober abgehaltenen
Versammlung, eine Adresse an ihre deutschen Brüder in Wien abzusenden;
und in gleicher Weise wurden auch Adressen an den Reichstag von dem deutschen
Verein in Reichenberg, von der Leitmcritzer und Komvtauer Bürgerschaft des In¬
haltes abgesendet, sie werden, wenn sie das Vaterland ruft, Gut und Blut für
dasselbe einsetzen. Auch der deutsche Verein zu Prag dankt in einer Adresse dem
Reichstage für alle bisher getroffenen Maßregeln zur Herstellung eines geordneten
Zustandes und spricht seine Hoffnung aus, daß die conftituirende Versammlung
fortfahren werde, ihre welthistorische Aufgabe im Geiste der echten Humanität und
der brüderlichen Vereinigung aller Nationalitäten zu lösen. -->


ander der Befehl ergangen sei, die Abreise solcher Freischaarenzüge zu verhüte».
I» jener Versammlung kamen auch die zahlreichen, hellest in czechischer Sprache
abgefaßte,; Flugblätter zur Sprache, welche unter dein Landvolke cirkuliren und
dessen Sympathien für die Wiener Bewegung zu gewinnen suchen; darum ward
auch eine Commission zusammengesetzt, welche durch populäre, im Sinne des Ver¬
eines erlassene Aufsätze die Wirkung jener Flugblätter paralistren solle. Es ist
merkwürdig, wie die Wiener Demokraten mit der czechischen Partei sowohl, als
auch mit — der Dynastie in der Emission solcher Flugblätter an die Bauern con¬
curriren; denn das Manifest des Kaisers vom 15. Oktober „an meine Völker"
ist seinem Inhalte nach nichts anderes, als ein Flugblatt an die treuen Landleute.
Nehmen die Wiener die Dankbarkeit der Bauern für die Erringung der bäuerli¬
chen Freiheit in Anspruch, so verlangt sie der Kaiser wieder für die Sanktion
dieser Errungenschaften. Das k. Manifest spricht die volle Garantie für die Ro¬
botfreiheit und die sonstigen Nnstikalbcfreiungen aus, und schließt dann mit den
bedeutungsvollen Worten: „Seid daher ruhig nud unbesorgt, meine treuen Land¬
leute; und wenn es Menschen gibt, welche das Wort eures Kaisers zu verdächti¬
gen suchen, so sehet sie als Verräther an Mir und eurem eigenen Wohle an —
und benehme Euch darnach." Nach diesen Schlußworten hat es den An¬
schein, als hätte die Dynastie große Lust, einen Landsturm zu ihren Gunsten
aufzubieten und das bäuerliche Bewußtsein der Landbewohner gegen die haupt¬
städtische Demokratie so ausbeuten zu wollen, wie es früher bei der aristo¬
kratischen Schilderhebnng des gallizischeu Adels in ähnlicher Weise der Fall
gewesen; als wollte es der Bauer, bei dem die volle Realisirung der Freiheit
begonnen hat, dazu benutzen, um die Fortsetzung dieses Werkes verhindern zu
helfen. —

Während von der czechischen Partei die Wiener Bewegung von rein nationa¬
lem Standpunkte aufgefaßt und darum desavouirt wird, so wird sie wieder von
dem deutschen Theil der Bevölkerung aus vorherrschend nationalen Beweggründen
mit Jubel und Begeisterung aufgenommen, und ans diese Art der richtige, in der
Mitte liegende politische Standpunkt nach der andern Seite hin überschritten. So
beschlossen die deutschen Studenten Prags in einer am ,U>. Oktober abgehaltenen
Versammlung, eine Adresse an ihre deutschen Brüder in Wien abzusenden;
und in gleicher Weise wurden auch Adressen an den Reichstag von dem deutschen
Verein in Reichenberg, von der Leitmcritzer und Komvtauer Bürgerschaft des In¬
haltes abgesendet, sie werden, wenn sie das Vaterland ruft, Gut und Blut für
dasselbe einsetzen. Auch der deutsche Verein zu Prag dankt in einer Adresse dem
Reichstage für alle bisher getroffenen Maßregeln zur Herstellung eines geordneten
Zustandes und spricht seine Hoffnung aus, daß die conftituirende Versammlung
fortfahren werde, ihre welthistorische Aufgabe im Geiste der echten Humanität und
der brüderlichen Vereinigung aller Nationalitäten zu lösen. —>


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/183>, abgerufen am 22.07.2024.