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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Demokratie gegen das schwarzgelbe, mit dem Slaventhum vielfach verbundene
Princip gewesen sei, läßt sich wohl schwer in Abrede stellen. Darum wird auch
in der von der Frankfurter Lücken abgeschickten Adresse an die Wiener ihr Kampf
eine großartige Erhebung genannt, welche sie nicht nur für sich, sondern, auch für
ihre gleichgesinnten deutschen Brüder glorreich bestanden; und die Magyaren,
welche eben an die Stelle des einheitlichen Oestreichs die deutsch-magyarische
Doppelherrschaft setzen wollen, danken in ihrer Adresse an den constituirenden
Reichstag sür die heldenmäßige Aufopferung der edlen Bewohner Wiens, womit
sie sich gegen die Verstärkung der Armee des "Empörers" Jellachich so siegreich
erhoben haben; auch erklären sie es für ihre heilige Pflicht, ihn, wenn er Wien
bedroht, bis auf östreichisches Gebiet zu verfolgen und das Volk Oestreichs in
dem Werke seiner Vernichtung zu unterstützen. -- Der Reichstag durfte, wie be¬
greiflich, um nicht in seiner Totalität als Partei zu erscheinen und magyarisch-
frankfurter Tendenzen beschuldigt zu werden, in keine dieser beiden Adressen sehr
eingehen; und aus demselben Grunde konnte sich die Deputation der Frank¬
furter Linken uicht in der RcichStagssitzung, sondern nur im Gemeinderäthe ver¬
nehmen lassen. Aber der demokratische Verein trug seinerseits kein Bedenken, die
ungarische. Armee aufzufordern, in Eilmärschen den Wienern zu Hilfe zu eilen,
und ebenso überreichte auch im Gemeinderäthe das Studeutcueomw! eine Petition
um schnelle Herbeiberufung der Ungarn. Dies wirft ein eigenthümliches Licht
ans die Octoberbewegung, und rechtfertigt zwar die Einsprache, welche die Czechen
gegen dieselbe von nationalem Standtpunkte erheben, keineswegs aber die Art
und Weise, wie sie sich in diesem CvllisionSfalle des nationalen und freiheitlichen
Interesses benehmen. Die czechischcn Deputirten thaten den ersten Schritt, um
das Ansehen des Reichstags zu erschüttern, dieser einzigen lebendigen Stütze der
Freiheit, die weder vom Volke, noch vom Monarchen desavouirt werden kauu -
und die Partei, die hinter ihnen steht, sucht nun die Garantie ihrer von Wien
aus bedrohten Nationalität in den Heeresmassen, die sich um die d eutschc Haupt¬
stadt lagern, sie begrüßt nun ihren ehemaligen Unterdrücker, den zum Feldma"
schall erhobenen Fürsten Windischgrätz als ihren Bundesgenossen, weil er gegen
die Deutschen zu Felde zieht; berücksichtigt aber nicht, daß die Beschränkungen,
die mau währeud des Belagerungszustandes von Prag so drückend empfand, mir
ein mattes Vorspiel von der Militärdictatur sein werden, die nun von dem Mittel¬
punkt des Gesammtstaates auch über die Provinzen ausgeübt werden wird. Im
Juni wurde Windischgrätz für einen Retter des deutschen Elements angesehen und
mit zwecklos vergeudeten Dankadressen überhäuft; jetzt erscheint er in den Angen
der Ezecheu als ein Vorkämpfer des Slaventhums, der gegen das exclusive Deutsch-
thum Wiens zu Felde zieht. Er ist aber keines von beiden; er war nnr früher
commandirender General in Böhmen und ist jetzt Feldmarschall über alle Truppen
in Oestreich.


Demokratie gegen das schwarzgelbe, mit dem Slaventhum vielfach verbundene
Princip gewesen sei, läßt sich wohl schwer in Abrede stellen. Darum wird auch
in der von der Frankfurter Lücken abgeschickten Adresse an die Wiener ihr Kampf
eine großartige Erhebung genannt, welche sie nicht nur für sich, sondern, auch für
ihre gleichgesinnten deutschen Brüder glorreich bestanden; und die Magyaren,
welche eben an die Stelle des einheitlichen Oestreichs die deutsch-magyarische
Doppelherrschaft setzen wollen, danken in ihrer Adresse an den constituirenden
Reichstag sür die heldenmäßige Aufopferung der edlen Bewohner Wiens, womit
sie sich gegen die Verstärkung der Armee des „Empörers" Jellachich so siegreich
erhoben haben; auch erklären sie es für ihre heilige Pflicht, ihn, wenn er Wien
bedroht, bis auf östreichisches Gebiet zu verfolgen und das Volk Oestreichs in
dem Werke seiner Vernichtung zu unterstützen. — Der Reichstag durfte, wie be¬
greiflich, um nicht in seiner Totalität als Partei zu erscheinen und magyarisch-
frankfurter Tendenzen beschuldigt zu werden, in keine dieser beiden Adressen sehr
eingehen; und aus demselben Grunde konnte sich die Deputation der Frank¬
furter Linken uicht in der RcichStagssitzung, sondern nur im Gemeinderäthe ver¬
nehmen lassen. Aber der demokratische Verein trug seinerseits kein Bedenken, die
ungarische. Armee aufzufordern, in Eilmärschen den Wienern zu Hilfe zu eilen,
und ebenso überreichte auch im Gemeinderäthe das Studeutcueomw! eine Petition
um schnelle Herbeiberufung der Ungarn. Dies wirft ein eigenthümliches Licht
ans die Octoberbewegung, und rechtfertigt zwar die Einsprache, welche die Czechen
gegen dieselbe von nationalem Standtpunkte erheben, keineswegs aber die Art
und Weise, wie sie sich in diesem CvllisionSfalle des nationalen und freiheitlichen
Interesses benehmen. Die czechischcn Deputirten thaten den ersten Schritt, um
das Ansehen des Reichstags zu erschüttern, dieser einzigen lebendigen Stütze der
Freiheit, die weder vom Volke, noch vom Monarchen desavouirt werden kauu -
und die Partei, die hinter ihnen steht, sucht nun die Garantie ihrer von Wien
aus bedrohten Nationalität in den Heeresmassen, die sich um die d eutschc Haupt¬
stadt lagern, sie begrüßt nun ihren ehemaligen Unterdrücker, den zum Feldma»
schall erhobenen Fürsten Windischgrätz als ihren Bundesgenossen, weil er gegen
die Deutschen zu Felde zieht; berücksichtigt aber nicht, daß die Beschränkungen,
die mau währeud des Belagerungszustandes von Prag so drückend empfand, mir
ein mattes Vorspiel von der Militärdictatur sein werden, die nun von dem Mittel¬
punkt des Gesammtstaates auch über die Provinzen ausgeübt werden wird. Im
Juni wurde Windischgrätz für einen Retter des deutschen Elements angesehen und
mit zwecklos vergeudeten Dankadressen überhäuft; jetzt erscheint er in den Angen
der Ezecheu als ein Vorkämpfer des Slaventhums, der gegen das exclusive Deutsch-
thum Wiens zu Felde zieht. Er ist aber keines von beiden; er war nnr früher
commandirender General in Böhmen und ist jetzt Feldmarschall über alle Truppen
in Oestreich.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/180>, abgerufen am 03.07.2024.