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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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Abstraction ist im Stande, die Maschen zu zerreißen, die Ihre Ungeschicklichkeit
geknüpft. Was geschehen, liegt außer Ihrer Macht, Sehen Sie zu, was Sie
gethan haben.

Seitdem Sie Sich durch Ihre Ausfälle gegen die deutsche Nation mit den
deutschgesinnten Liberalen brouillirt hatte", war es Ihre Hauptthätigkeit, diese
Ausfälle, die ursprünglich nur eine Thatsache ausdrücken sollten, durch eine doc-
trinäre Wendung vor dem philosophischen Publikum zu^legitimiren. Sie wollten,
nach Ihrer Art, das empirische Urtheil in ein logisches verwandeln. Die Deut¬
schen hatten das Verbot Ihrer Jahrbücher mit angesehen, ohne deshalb einen
Aufstand zu erregen; darüber hatten Sie Sich geärgert und schrieben vou Paris
aus: "Der deutsche Geist, wie er erscheint, ist niederträchtig und es liegt das in
seinem Wesen." Aehnliche Schmeicheleien waren den Deutschen schon hundertfältig
gesagt worden, anch von Paris aus; ich erinnere nur an Heine und Börne; über
keine hatte sich aber die deutsche Presse auf ähnliche Weise skandalisirt. Worin
lag das? Jenen Ausfällen sah man das Gemüth an. Wenn Börne die Deutsche"
Bediente schimpfte, that er das leidenschaftlich, und setzte immer hinzu: aber ich
liebe Deutschland, mein Vaterland, oder dergleichen. Sie aber gaben sich den
Schein philosophischer Kälte, und so wurde, was man bei Jene" als einen Aus-
bruch des verletzten Herzens entschuldigt oder auch wohl gebilligt hatte, bei Ihnen
zu einer prämeditirten Impertinenz. Alle Welt .hielt es für angemessen, über Ihre
Herzlosigkeit außer sich zu sein. Wenn Sie nnn erklärt hätten: "Leute, es war
nicht so schlimm gemeint! Hat man Jahre lang für die freie Entwickelung ge¬
kämpft und wird dabei von seinen Mitkämpfern im Stich gelassen, so ist es einem
wohl nicht zu verdenken, wenn man die Geduld verliert und in der Grobheit das
Maaß überschreitet!" hätten Sie das gesagt oder etwas Aehnliches, so wäre es
gut gewesen. Aber dazu waren Sie zu eigensinnig. Sie ließen zwar die Aeuße¬
rung fallen, die deutsche Poesie, Philosophie u. tgi. hätten Sie nicht gemeint --
eine wunderliche Ausflucht! aber Sie verwandelten die "Deutschen" in die "deutsch¬
nationale Partei" und gaben dieser Schuld, niederträchtig, d. h. reaktionär zu
sein. Wieder ein empirisches Urtheil, in einen allgemeinen Satz eingeschmuggelt!
Sie meinten Ihre alten Burschenschafter, die früher für Deutschlands Einheit
geschwärmt und gefaselt hatten, und jetzt sich mit Gott, Jesus Christus und dem
organischen Naturwuchs abgaben. Diese alten Burschenschafter fabelten Sie in
eine "deutsch-nationale Partei" um und erfanden endlich die Pointe: den Patrio¬
tismus -- Sie meinten, die ausschließliche Berücksichtigung der Nationalität --
ist ein Feind der Freiheit. Ein Satz, der an sich richtig ist, den Sie nun aber
dadurch verdrehten, daß sie ihn, nach Ihrer Weise, in beständig neuen Abstrac-
tionen paraphrasirten. Die Aufgabe des Publizisten war, ihn.ins Concrete durch¬
zubilden, wozu schon damals Gelegenheit genug gegeben war; aber das war Ihnen
zu umständlich und zu mühsam, und Sie begnügten Sich damit, Ihre Gegner,


Abstraction ist im Stande, die Maschen zu zerreißen, die Ihre Ungeschicklichkeit
geknüpft. Was geschehen, liegt außer Ihrer Macht, Sehen Sie zu, was Sie
gethan haben.

Seitdem Sie Sich durch Ihre Ausfälle gegen die deutsche Nation mit den
deutschgesinnten Liberalen brouillirt hatte«, war es Ihre Hauptthätigkeit, diese
Ausfälle, die ursprünglich nur eine Thatsache ausdrücken sollten, durch eine doc-
trinäre Wendung vor dem philosophischen Publikum zu^legitimiren. Sie wollten,
nach Ihrer Art, das empirische Urtheil in ein logisches verwandeln. Die Deut¬
schen hatten das Verbot Ihrer Jahrbücher mit angesehen, ohne deshalb einen
Aufstand zu erregen; darüber hatten Sie Sich geärgert und schrieben vou Paris
aus: „Der deutsche Geist, wie er erscheint, ist niederträchtig und es liegt das in
seinem Wesen." Aehnliche Schmeicheleien waren den Deutschen schon hundertfältig
gesagt worden, anch von Paris aus; ich erinnere nur an Heine und Börne; über
keine hatte sich aber die deutsche Presse auf ähnliche Weise skandalisirt. Worin
lag das? Jenen Ausfällen sah man das Gemüth an. Wenn Börne die Deutsche»
Bediente schimpfte, that er das leidenschaftlich, und setzte immer hinzu: aber ich
liebe Deutschland, mein Vaterland, oder dergleichen. Sie aber gaben sich den
Schein philosophischer Kälte, und so wurde, was man bei Jene» als einen Aus-
bruch des verletzten Herzens entschuldigt oder auch wohl gebilligt hatte, bei Ihnen
zu einer prämeditirten Impertinenz. Alle Welt .hielt es für angemessen, über Ihre
Herzlosigkeit außer sich zu sein. Wenn Sie nnn erklärt hätten: „Leute, es war
nicht so schlimm gemeint! Hat man Jahre lang für die freie Entwickelung ge¬
kämpft und wird dabei von seinen Mitkämpfern im Stich gelassen, so ist es einem
wohl nicht zu verdenken, wenn man die Geduld verliert und in der Grobheit das
Maaß überschreitet!" hätten Sie das gesagt oder etwas Aehnliches, so wäre es
gut gewesen. Aber dazu waren Sie zu eigensinnig. Sie ließen zwar die Aeuße¬
rung fallen, die deutsche Poesie, Philosophie u. tgi. hätten Sie nicht gemeint —
eine wunderliche Ausflucht! aber Sie verwandelten die „Deutschen" in die „deutsch¬
nationale Partei" und gaben dieser Schuld, niederträchtig, d. h. reaktionär zu
sein. Wieder ein empirisches Urtheil, in einen allgemeinen Satz eingeschmuggelt!
Sie meinten Ihre alten Burschenschafter, die früher für Deutschlands Einheit
geschwärmt und gefaselt hatten, und jetzt sich mit Gott, Jesus Christus und dem
organischen Naturwuchs abgaben. Diese alten Burschenschafter fabelten Sie in
eine „deutsch-nationale Partei" um und erfanden endlich die Pointe: den Patrio¬
tismus — Sie meinten, die ausschließliche Berücksichtigung der Nationalität —
ist ein Feind der Freiheit. Ein Satz, der an sich richtig ist, den Sie nun aber
dadurch verdrehten, daß sie ihn, nach Ihrer Weise, in beständig neuen Abstrac-
tionen paraphrasirten. Die Aufgabe des Publizisten war, ihn.ins Concrete durch¬
zubilden, wozu schon damals Gelegenheit genug gegeben war; aber das war Ihnen
zu umständlich und zu mühsam, und Sie begnügten Sich damit, Ihre Gegner,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/160>, abgerufen am 25.12.2024.