Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

materiellen Interessen verheißen, so würdet ihr an uns Oestreichern eine festere
Stütze gehabt haben, als jetzt, wo wir euch halten, nicht weil ihr tüchtig seid,
sondern weil wir keine besseren wissen. Was thut ihr jetzt? Ihr diplomatisirt
mit den Czechen, mit Jellachich, mit den Ungarn, mit Sardinien, mit Frankfurt;
ihr müßt die Bestrafung der Aufrührer in Prag und den ehrlichen Pedanten Win-
dischgrätz den Czechen opfern, ihr müßt deutsches Blut in Ungarn den wilden
Säbeln der Kroaten, dem Zorn der Magyaren überliefern, ihr duldet, daß
unsere Deputaten in Frankfurt eine ihrer selbst unwürdige Komödie spielen, ihr
möchtet Alles beruhigen, Alles Hinhalten und verderbt es mit Allen. Und weil
ihr Festigkeit und Würde nur selten zu zeigen wißt, zerrütten sich unsere Zustände
von Tag zu Tage mehr und Oestreichs Stern erbleicht; eine finstre Wolke und
er kann vom Nachthimmel verschwinden.

Wohl weiß ich, daß ihr persönlich brav, ja ehrlich seid, wohl weiß ich,, daß
des Unglücks größter Theil nicht euch, sondern eurer Stellung in der Mitte bor-
nirter Parteien anzurechnen ist, und es ist hart, werde man Jemandem zum Vor¬
wurf machen muß, was ich euch thue, daß er kein Herkules oder Solon ist. Aber
uns kann nur Kraft und Weisheit retten, und beide vereint sehe ich nirgend, an
keinem unserer Staatsmänner. Euer Hauptunglück freilich ist eure schiefe Stellung
zum Hofe und der aristokratischen Partei, welche aus und durch den Hof wirkt.
Der Name Dobblhof selbst war ja eine Concession, die unsrem Aristokratismus
gemacht wurde, wie sehr auch die Toro's ihn persönlich hassen. Das aber be¬
haupte ich, seit Katharina von Medicis hat es keine Zeit gegeben, wo die Hof¬
politik so viel Schwache, Inconsequenz und deshalb Treulosigkeit bewies, als bei
uns. Rathlos schwankt der Hof zwischen Guisen und Hugenotten, mochte es mit
beiden nicht verderben und verräth deshalb beide und wird deshalb von beiden
verrathen werden. Noch ist der Baums in gutem Recht, uoch kämpft er für das
Recht der Völker, für die Möglichkeit und Zukunft Oestreichs, aber er thut dies
nicht offen vor der Welt als unser Feldherr, er thuts auf seine eigene Faust, als
ein kühner Parteigänger. Der Feldherr Jellachich wäre Oestreich und unsrem Ge¬
setz unterworfen geblieben, denn sein Heer gehörte uns, jetzt ist es sein eigenes Heer,
das ihm folgt, seht zu, ihr Höflinge, wie ihr mit den siegreichen Volkshelden fer¬
tig werdet. Er braucht kein Wallenstein zu sein, er wird doch das Recht in An¬
spruch nehmen, dem Kaiser Ferdinand Bedingungen vorzuschreiben. Den Stephan,
die Ungarn habt ihr unleugbar hintergangen, hätten wir gegen ihren unerträgli¬
chen Uebermuth in offener, würdiger Weise angekämpft, sie würden uns gezürnt,
aber sie würden sich als Besiegte uns, dem gesunden Menschenverstand zuletzt ge¬
fügt haben, jetzt haben eure Intriguen die finstern Leidenschaften einer heftigen
Ra?e aufgewühlt; seht zu , wie ihr mit den Dämonen der Rache fertig werdet;
mögen sie nun Sieger oder Besiegte sein; die Slaven aber habt ihr euch zu Freun¬
den gewonnen, ihr habt bis zu einem bestimmten Punkt gemeinsames Interesse,


materiellen Interessen verheißen, so würdet ihr an uns Oestreichern eine festere
Stütze gehabt haben, als jetzt, wo wir euch halten, nicht weil ihr tüchtig seid,
sondern weil wir keine besseren wissen. Was thut ihr jetzt? Ihr diplomatisirt
mit den Czechen, mit Jellachich, mit den Ungarn, mit Sardinien, mit Frankfurt;
ihr müßt die Bestrafung der Aufrührer in Prag und den ehrlichen Pedanten Win-
dischgrätz den Czechen opfern, ihr müßt deutsches Blut in Ungarn den wilden
Säbeln der Kroaten, dem Zorn der Magyaren überliefern, ihr duldet, daß
unsere Deputaten in Frankfurt eine ihrer selbst unwürdige Komödie spielen, ihr
möchtet Alles beruhigen, Alles Hinhalten und verderbt es mit Allen. Und weil
ihr Festigkeit und Würde nur selten zu zeigen wißt, zerrütten sich unsere Zustände
von Tag zu Tage mehr und Oestreichs Stern erbleicht; eine finstre Wolke und
er kann vom Nachthimmel verschwinden.

Wohl weiß ich, daß ihr persönlich brav, ja ehrlich seid, wohl weiß ich,, daß
des Unglücks größter Theil nicht euch, sondern eurer Stellung in der Mitte bor-
nirter Parteien anzurechnen ist, und es ist hart, werde man Jemandem zum Vor¬
wurf machen muß, was ich euch thue, daß er kein Herkules oder Solon ist. Aber
uns kann nur Kraft und Weisheit retten, und beide vereint sehe ich nirgend, an
keinem unserer Staatsmänner. Euer Hauptunglück freilich ist eure schiefe Stellung
zum Hofe und der aristokratischen Partei, welche aus und durch den Hof wirkt.
Der Name Dobblhof selbst war ja eine Concession, die unsrem Aristokratismus
gemacht wurde, wie sehr auch die Toro's ihn persönlich hassen. Das aber be¬
haupte ich, seit Katharina von Medicis hat es keine Zeit gegeben, wo die Hof¬
politik so viel Schwache, Inconsequenz und deshalb Treulosigkeit bewies, als bei
uns. Rathlos schwankt der Hof zwischen Guisen und Hugenotten, mochte es mit
beiden nicht verderben und verräth deshalb beide und wird deshalb von beiden
verrathen werden. Noch ist der Baums in gutem Recht, uoch kämpft er für das
Recht der Völker, für die Möglichkeit und Zukunft Oestreichs, aber er thut dies
nicht offen vor der Welt als unser Feldherr, er thuts auf seine eigene Faust, als
ein kühner Parteigänger. Der Feldherr Jellachich wäre Oestreich und unsrem Ge¬
setz unterworfen geblieben, denn sein Heer gehörte uns, jetzt ist es sein eigenes Heer,
das ihm folgt, seht zu, ihr Höflinge, wie ihr mit den siegreichen Volkshelden fer¬
tig werdet. Er braucht kein Wallenstein zu sein, er wird doch das Recht in An¬
spruch nehmen, dem Kaiser Ferdinand Bedingungen vorzuschreiben. Den Stephan,
die Ungarn habt ihr unleugbar hintergangen, hätten wir gegen ihren unerträgli¬
chen Uebermuth in offener, würdiger Weise angekämpft, sie würden uns gezürnt,
aber sie würden sich als Besiegte uns, dem gesunden Menschenverstand zuletzt ge¬
fügt haben, jetzt haben eure Intriguen die finstern Leidenschaften einer heftigen
Ra?e aufgewühlt; seht zu , wie ihr mit den Dämonen der Rache fertig werdet;
mögen sie nun Sieger oder Besiegte sein; die Slaven aber habt ihr euch zu Freun¬
den gewonnen, ihr habt bis zu einem bestimmten Punkt gemeinsames Interesse,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0016" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276772"/>
          <p xml:id="ID_16" prev="#ID_15"> materiellen Interessen verheißen, so würdet ihr an uns Oestreichern eine festere<lb/>
Stütze gehabt haben, als jetzt, wo wir euch halten, nicht weil ihr tüchtig seid,<lb/>
sondern weil wir keine besseren wissen. Was thut ihr jetzt? Ihr diplomatisirt<lb/>
mit den Czechen, mit Jellachich, mit den Ungarn, mit Sardinien, mit Frankfurt;<lb/>
ihr müßt die Bestrafung der Aufrührer in Prag und den ehrlichen Pedanten Win-<lb/>
dischgrätz den Czechen opfern, ihr müßt deutsches Blut in Ungarn den wilden<lb/>
Säbeln der Kroaten, dem Zorn der Magyaren überliefern, ihr duldet, daß<lb/>
unsere Deputaten in Frankfurt eine ihrer selbst unwürdige Komödie spielen, ihr<lb/>
möchtet Alles beruhigen, Alles Hinhalten und verderbt es mit Allen. Und weil<lb/>
ihr Festigkeit und Würde nur selten zu zeigen wißt, zerrütten sich unsere Zustände<lb/>
von Tag zu Tage mehr und Oestreichs Stern erbleicht; eine finstre Wolke und<lb/>
er kann vom Nachthimmel verschwinden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_17" next="#ID_18"> Wohl weiß ich, daß ihr persönlich brav, ja ehrlich seid, wohl weiß ich,, daß<lb/>
des Unglücks größter Theil nicht euch, sondern eurer Stellung in der Mitte bor-<lb/>
nirter Parteien anzurechnen ist, und es ist hart, werde man Jemandem zum Vor¬<lb/>
wurf machen muß, was ich euch thue, daß er kein Herkules oder Solon ist. Aber<lb/>
uns kann nur Kraft und Weisheit retten, und beide vereint sehe ich nirgend, an<lb/>
keinem unserer Staatsmänner. Euer Hauptunglück freilich ist eure schiefe Stellung<lb/>
zum Hofe und der aristokratischen Partei, welche aus und durch den Hof wirkt.<lb/>
Der Name Dobblhof selbst war ja eine Concession, die unsrem Aristokratismus<lb/>
gemacht wurde, wie sehr auch die Toro's ihn persönlich hassen. Das aber be¬<lb/>
haupte ich, seit Katharina von Medicis hat es keine Zeit gegeben, wo die Hof¬<lb/>
politik so viel Schwache, Inconsequenz und deshalb Treulosigkeit bewies, als bei<lb/>
uns. Rathlos schwankt der Hof zwischen Guisen und Hugenotten, mochte es mit<lb/>
beiden nicht verderben und verräth deshalb beide und wird deshalb von beiden<lb/>
verrathen werden. Noch ist der Baums in gutem Recht, uoch kämpft er für das<lb/>
Recht der Völker, für die Möglichkeit und Zukunft Oestreichs, aber er thut dies<lb/>
nicht offen vor der Welt als unser Feldherr, er thuts auf seine eigene Faust, als<lb/>
ein kühner Parteigänger. Der Feldherr Jellachich wäre Oestreich und unsrem Ge¬<lb/>
setz unterworfen geblieben, denn sein Heer gehörte uns, jetzt ist es sein eigenes Heer,<lb/>
das ihm folgt, seht zu, ihr Höflinge, wie ihr mit den siegreichen Volkshelden fer¬<lb/>
tig werdet. Er braucht kein Wallenstein zu sein, er wird doch das Recht in An¬<lb/>
spruch nehmen, dem Kaiser Ferdinand Bedingungen vorzuschreiben. Den Stephan,<lb/>
die Ungarn habt ihr unleugbar hintergangen, hätten wir gegen ihren unerträgli¬<lb/>
chen Uebermuth in offener, würdiger Weise angekämpft, sie würden uns gezürnt,<lb/>
aber sie würden sich als Besiegte uns, dem gesunden Menschenverstand zuletzt ge¬<lb/>
fügt haben, jetzt haben eure Intriguen die finstern Leidenschaften einer heftigen<lb/>
Ra?e aufgewühlt; seht zu , wie ihr mit den Dämonen der Rache fertig werdet;<lb/>
mögen sie nun Sieger oder Besiegte sein; die Slaven aber habt ihr euch zu Freun¬<lb/>
den gewonnen, ihr habt bis zu einem bestimmten Punkt gemeinsames Interesse,</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0016] materiellen Interessen verheißen, so würdet ihr an uns Oestreichern eine festere Stütze gehabt haben, als jetzt, wo wir euch halten, nicht weil ihr tüchtig seid, sondern weil wir keine besseren wissen. Was thut ihr jetzt? Ihr diplomatisirt mit den Czechen, mit Jellachich, mit den Ungarn, mit Sardinien, mit Frankfurt; ihr müßt die Bestrafung der Aufrührer in Prag und den ehrlichen Pedanten Win- dischgrätz den Czechen opfern, ihr müßt deutsches Blut in Ungarn den wilden Säbeln der Kroaten, dem Zorn der Magyaren überliefern, ihr duldet, daß unsere Deputaten in Frankfurt eine ihrer selbst unwürdige Komödie spielen, ihr möchtet Alles beruhigen, Alles Hinhalten und verderbt es mit Allen. Und weil ihr Festigkeit und Würde nur selten zu zeigen wißt, zerrütten sich unsere Zustände von Tag zu Tage mehr und Oestreichs Stern erbleicht; eine finstre Wolke und er kann vom Nachthimmel verschwinden. Wohl weiß ich, daß ihr persönlich brav, ja ehrlich seid, wohl weiß ich,, daß des Unglücks größter Theil nicht euch, sondern eurer Stellung in der Mitte bor- nirter Parteien anzurechnen ist, und es ist hart, werde man Jemandem zum Vor¬ wurf machen muß, was ich euch thue, daß er kein Herkules oder Solon ist. Aber uns kann nur Kraft und Weisheit retten, und beide vereint sehe ich nirgend, an keinem unserer Staatsmänner. Euer Hauptunglück freilich ist eure schiefe Stellung zum Hofe und der aristokratischen Partei, welche aus und durch den Hof wirkt. Der Name Dobblhof selbst war ja eine Concession, die unsrem Aristokratismus gemacht wurde, wie sehr auch die Toro's ihn persönlich hassen. Das aber be¬ haupte ich, seit Katharina von Medicis hat es keine Zeit gegeben, wo die Hof¬ politik so viel Schwache, Inconsequenz und deshalb Treulosigkeit bewies, als bei uns. Rathlos schwankt der Hof zwischen Guisen und Hugenotten, mochte es mit beiden nicht verderben und verräth deshalb beide und wird deshalb von beiden verrathen werden. Noch ist der Baums in gutem Recht, uoch kämpft er für das Recht der Völker, für die Möglichkeit und Zukunft Oestreichs, aber er thut dies nicht offen vor der Welt als unser Feldherr, er thuts auf seine eigene Faust, als ein kühner Parteigänger. Der Feldherr Jellachich wäre Oestreich und unsrem Ge¬ setz unterworfen geblieben, denn sein Heer gehörte uns, jetzt ist es sein eigenes Heer, das ihm folgt, seht zu, ihr Höflinge, wie ihr mit den siegreichen Volkshelden fer¬ tig werdet. Er braucht kein Wallenstein zu sein, er wird doch das Recht in An¬ spruch nehmen, dem Kaiser Ferdinand Bedingungen vorzuschreiben. Den Stephan, die Ungarn habt ihr unleugbar hintergangen, hätten wir gegen ihren unerträgli¬ chen Uebermuth in offener, würdiger Weise angekämpft, sie würden uns gezürnt, aber sie würden sich als Besiegte uns, dem gesunden Menschenverstand zuletzt ge¬ fügt haben, jetzt haben eure Intriguen die finstern Leidenschaften einer heftigen Ra?e aufgewühlt; seht zu , wie ihr mit den Dämonen der Rache fertig werdet; mögen sie nun Sieger oder Besiegte sein; die Slaven aber habt ihr euch zu Freun¬ den gewonnen, ihr habt bis zu einem bestimmten Punkt gemeinsames Interesse,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/16
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/16>, abgerufen am 25.12.2024.