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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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können. Parrisius zieht die uwtivirte Tagesordnung'>or, weil diese sich auf alle
Angelegenheiten der Centralgewalt, der Antrag sich nur auf die dänische. Frage
beziehe. Der Unterschied ist aber zwischen anschließen, dies kann heißen unter¬
handeln, und Beschlüsse der Centralgewalt ausführen, d. h. gehorchen. Der An¬
trag wird endlich mit großer Stimmenmehrheit angenommen.

Was ist aber damit gewonnen? Das Ministerium hat für sein künftiges
Verhalten in der dänischen Frage ein Vertrauensvotum bekommen und hat dieses
sträubend angenommen. Das ist ein schlimmes Zeichen für das Verhalten des
Ministeriums in den deutschen Angelegenheiten überhaupt. Und die Nationalver¬
sammlung hat zu erkennen gegeben, daß das Gesetz vom 28. Juni in der dänischen
Frage für das Ministerium bindend sein solle. Was ist aber damit gesagt für die
Stellung Preußens zum Reiche überhaupt? Nodbertus, Berg und andere Für¬
sprecher des Antrags wußten zwar viel zu sagen, was alles für Schönes man
zwischen den Zeilen lesen solle. "Der Antrag will das gelockerte Band zwischen
Preußen und Deutschland wieder fester knüpfen; Preußen hat in Bezug aufDeutsch-
lnnd vor und nach dem März größere Hoffnungen erregt, als erfüllt." Aber in
der Hauptsache ist über das Verhältniß Preußens zu Deutschland nichts entschie¬
den, und sür die dänische Frage hat der Beschluß keine Bedeutung mehr. Man
kann aus dieser Aeußerung der preußischen Nationalversammlung weiter nichts
entnehmen, als daß sie geneigt sein werde, mich bei der Hauptfrage, sich in einem
der Realität des Reiches günstigen Sinne auszusprechen. Daß Herr Nodbertus
kein Politiker im großen Styl, hat er schon durch seine Methode, die Constabler
verhaßt zu machen, bewiesen, und er hat es bei diesem Versuch, sich als den ge¬
eigneten Minister zur Lösung der deutschen Frage darzustellen, bestätigt.

Es kommt Alles auf die Stellung n", welche Preußen zur definitiven Reichs-
verfassung einnehmen wird, und zwar auf zwei Punkte: >) welche Opfer Preußen
dem Reich bringen, d. h. welche Sonveränitätsrechte es zu Gunsten des Reiches
aufgeben will; 2) ob es sich auch mit der Versammlung in Frankfurt auf den
Standpunkt der Vereinbarung stellen will. Diese Punkte ins Klare zu bringen,
wäre staatsmännische Weisheit gewesen, die weder Herr v. Pfuel, noch Herr
Rodbertns besessen hat.

Einer solchen Handlungsweise steht der Gedanke entgegen, daß man wo mög¬
lich Alles retten und daher durch voreilige Erklärungen sich nicht compromittiren
müsse. Dieser Gedanke ist ein unpolitischer, ein gefährlicher, ein Zeugniß von
Unfähigkeit und Schwäche. Den Ministerien ttamphcmsen und Auerswald war
nicht zu verdenken, wenn sie die deutsche Frage in der Schwebe ließen. Man
konnte damals noch nicht wissen, welche Lebensfähigkeit der deutschen Einheitsidee
inne wohnte. Jetzt ist die Situation reif und die preußischen Staatsmänner müssen
einsehen, daß die Wiederkehr des alten Zustandes jetzt sür Preußen selbst das
größte Unglück wäre. Sie müssen sich die Aufgabe stellen, mit Bewußtsein auf die


können. Parrisius zieht die uwtivirte Tagesordnung'>or, weil diese sich auf alle
Angelegenheiten der Centralgewalt, der Antrag sich nur auf die dänische. Frage
beziehe. Der Unterschied ist aber zwischen anschließen, dies kann heißen unter¬
handeln, und Beschlüsse der Centralgewalt ausführen, d. h. gehorchen. Der An¬
trag wird endlich mit großer Stimmenmehrheit angenommen.

Was ist aber damit gewonnen? Das Ministerium hat für sein künftiges
Verhalten in der dänischen Frage ein Vertrauensvotum bekommen und hat dieses
sträubend angenommen. Das ist ein schlimmes Zeichen für das Verhalten des
Ministeriums in den deutschen Angelegenheiten überhaupt. Und die Nationalver¬
sammlung hat zu erkennen gegeben, daß das Gesetz vom 28. Juni in der dänischen
Frage für das Ministerium bindend sein solle. Was ist aber damit gesagt für die
Stellung Preußens zum Reiche überhaupt? Nodbertus, Berg und andere Für¬
sprecher des Antrags wußten zwar viel zu sagen, was alles für Schönes man
zwischen den Zeilen lesen solle. „Der Antrag will das gelockerte Band zwischen
Preußen und Deutschland wieder fester knüpfen; Preußen hat in Bezug aufDeutsch-
lnnd vor und nach dem März größere Hoffnungen erregt, als erfüllt." Aber in
der Hauptsache ist über das Verhältniß Preußens zu Deutschland nichts entschie¬
den, und sür die dänische Frage hat der Beschluß keine Bedeutung mehr. Man
kann aus dieser Aeußerung der preußischen Nationalversammlung weiter nichts
entnehmen, als daß sie geneigt sein werde, mich bei der Hauptfrage, sich in einem
der Realität des Reiches günstigen Sinne auszusprechen. Daß Herr Nodbertus
kein Politiker im großen Styl, hat er schon durch seine Methode, die Constabler
verhaßt zu machen, bewiesen, und er hat es bei diesem Versuch, sich als den ge¬
eigneten Minister zur Lösung der deutschen Frage darzustellen, bestätigt.

Es kommt Alles auf die Stellung n», welche Preußen zur definitiven Reichs-
verfassung einnehmen wird, und zwar auf zwei Punkte: >) welche Opfer Preußen
dem Reich bringen, d. h. welche Sonveränitätsrechte es zu Gunsten des Reiches
aufgeben will; 2) ob es sich auch mit der Versammlung in Frankfurt auf den
Standpunkt der Vereinbarung stellen will. Diese Punkte ins Klare zu bringen,
wäre staatsmännische Weisheit gewesen, die weder Herr v. Pfuel, noch Herr
Rodbertns besessen hat.

Einer solchen Handlungsweise steht der Gedanke entgegen, daß man wo mög¬
lich Alles retten und daher durch voreilige Erklärungen sich nicht compromittiren
müsse. Dieser Gedanke ist ein unpolitischer, ein gefährlicher, ein Zeugniß von
Unfähigkeit und Schwäche. Den Ministerien ttamphcmsen und Auerswald war
nicht zu verdenken, wenn sie die deutsche Frage in der Schwebe ließen. Man
konnte damals noch nicht wissen, welche Lebensfähigkeit der deutschen Einheitsidee
inne wohnte. Jetzt ist die Situation reif und die preußischen Staatsmänner müssen
einsehen, daß die Wiederkehr des alten Zustandes jetzt sür Preußen selbst das
größte Unglück wäre. Sie müssen sich die Aufgabe stellen, mit Bewußtsein auf die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/154>, abgerufen am 22.07.2024.