Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ausführung eines von der Regierung anerkannten Gesetzes versteht sich von selbst.
Statt dessen die widerlichen Redensarten der alten Zeit vom engsten Einverneh¬
men, sich auf derselben Linie halten, aus demselben gesetzlichen Boden stehen --
d. h. auf dem Schutzbündnis; gegen die innere Anarchie. Dies war die Poli¬
tik des Bundestages. Das deutsche Volk will u"d braucht aber nicht mehr die
Politik des engsten Einvernehmens der verschiedenen Staaten, sondern Eine
große Politik, ans welche es durch seine Gesammtvertretnng deu gebührenden Ein¬
fluß üben kann. Die Rede des Ministers des Auswärtigen war um so nichts¬
sagender, als er jede Beziehung ans das Gesetz vom 28. Juni vermied. Nur die
Frankfurter Linke kann Preußen, welches den Kampf vorläufig auszufechten hat,
verdenken, wenn es seinen Einfluß in dieser Frage bei der Centralgewalt geltend
macht und sich in Einvernehmen setzt. Aber höchst unklug war es, daß der Mi¬
nister unterließ, die alleinige formelle Kompetenz der Centrcilgewalt unumwunden
auszusprechen, die freilich im Buchstaben jenes Gesetzes nicht einmal liegt. Das¬
selbe Ungeschick zeigte in der Bekämpfung des Nodbertns'schen Antrags der Ab¬
geordnete Reichensperger. Er sprach anch von inniger Verbindung, wo es sich
um Unterordnung handelte und meinte, man könne nicht alle Beschlüsse, welche
die Centralgewalt in der dänischen Frage fassen werde, im Voraus genehmigen,
man müsse sich wenigstens das Recht der Vorstellung, der brüderlichen Einsprache
vorbehalten, vorbehaltlich der endlichen Unterwerfung, wenn sie durch die Interes¬
sen der nationalen Einheit geboten sei. Als ob dieses Recht durch die Anerken¬
nung der formellen Competenz der Centralgewalt aufgehoben würde! Von Berg
vertheidigte den Antrag mit gewohntem Talente. Er machte aufmerksam, daß
jetzt die Linke particularistisch geworden. Aber auch er gebrauchte blos den zweifel¬
haften Ausdruck: anschließen, anstatt: unterordnen. Dieser Ausdruck wurde von der
mldereu Seite aufgegriffen und in den Verschlag einer motivirten Tagesordnung'
aufgenommen. "Man gehe über in dem Vertrauen, daß die Regierung sich der
Centralgewalt jeder Zeit anschließen werde .>e." Baumstark meinte, die Entwicke¬
lung der Einheitsfrage könne nur allmälig geschehen und die preußische Regierung
dürfe ihre Handlungen nicht durch eine Erklärung binden, wodurch sie zur Zeit
des Provisoriums Allem beistimme, was n"r immer beschlossen werden könne,
sie müsse sich für jetzt noch vorbehalten, die einzelne" Fälle mit zu erwägen, in
denen sie sich der Centralgewalt unterziehen und sie unterstützen wolle. Hier ist'
also nicht einmal mmMmt, daß die alleinige Competenz der Centralgewalt im
Gesetz vom 28.HMi liege. Und freilich sagt jenes Gesetz nichts davon, ob die
Centralgewalt "bei Ausübung der vollziehende" Gewalt in allen Angelegenheiten,
welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt der deutschen Bundesstaaten be¬
treffen," an den guten Willen der Einzelregierungen gebunden ist, oder nicht.
Sehr gut hebt Kirchmann den Unterschied der Parteien hervor. Die eine sagt:
Wir wollen gehorchen; die andere: Wir wollen erst prüfen, ob wir gehorchen


Grenzboten. IV. i"i8. 19

Ausführung eines von der Regierung anerkannten Gesetzes versteht sich von selbst.
Statt dessen die widerlichen Redensarten der alten Zeit vom engsten Einverneh¬
men, sich auf derselben Linie halten, aus demselben gesetzlichen Boden stehen —
d. h. auf dem Schutzbündnis; gegen die innere Anarchie. Dies war die Poli¬
tik des Bundestages. Das deutsche Volk will u»d braucht aber nicht mehr die
Politik des engsten Einvernehmens der verschiedenen Staaten, sondern Eine
große Politik, ans welche es durch seine Gesammtvertretnng deu gebührenden Ein¬
fluß üben kann. Die Rede des Ministers des Auswärtigen war um so nichts¬
sagender, als er jede Beziehung ans das Gesetz vom 28. Juni vermied. Nur die
Frankfurter Linke kann Preußen, welches den Kampf vorläufig auszufechten hat,
verdenken, wenn es seinen Einfluß in dieser Frage bei der Centralgewalt geltend
macht und sich in Einvernehmen setzt. Aber höchst unklug war es, daß der Mi¬
nister unterließ, die alleinige formelle Kompetenz der Centrcilgewalt unumwunden
auszusprechen, die freilich im Buchstaben jenes Gesetzes nicht einmal liegt. Das¬
selbe Ungeschick zeigte in der Bekämpfung des Nodbertns'schen Antrags der Ab¬
geordnete Reichensperger. Er sprach anch von inniger Verbindung, wo es sich
um Unterordnung handelte und meinte, man könne nicht alle Beschlüsse, welche
die Centralgewalt in der dänischen Frage fassen werde, im Voraus genehmigen,
man müsse sich wenigstens das Recht der Vorstellung, der brüderlichen Einsprache
vorbehalten, vorbehaltlich der endlichen Unterwerfung, wenn sie durch die Interes¬
sen der nationalen Einheit geboten sei. Als ob dieses Recht durch die Anerken¬
nung der formellen Competenz der Centralgewalt aufgehoben würde! Von Berg
vertheidigte den Antrag mit gewohntem Talente. Er machte aufmerksam, daß
jetzt die Linke particularistisch geworden. Aber auch er gebrauchte blos den zweifel¬
haften Ausdruck: anschließen, anstatt: unterordnen. Dieser Ausdruck wurde von der
mldereu Seite aufgegriffen und in den Verschlag einer motivirten Tagesordnung'
aufgenommen. „Man gehe über in dem Vertrauen, daß die Regierung sich der
Centralgewalt jeder Zeit anschließen werde .>e." Baumstark meinte, die Entwicke¬
lung der Einheitsfrage könne nur allmälig geschehen und die preußische Regierung
dürfe ihre Handlungen nicht durch eine Erklärung binden, wodurch sie zur Zeit
des Provisoriums Allem beistimme, was n»r immer beschlossen werden könne,
sie müsse sich für jetzt noch vorbehalten, die einzelne» Fälle mit zu erwägen, in
denen sie sich der Centralgewalt unterziehen und sie unterstützen wolle. Hier ist'
also nicht einmal mmMmt, daß die alleinige Competenz der Centralgewalt im
Gesetz vom 28.HMi liege. Und freilich sagt jenes Gesetz nichts davon, ob die
Centralgewalt „bei Ausübung der vollziehende» Gewalt in allen Angelegenheiten,
welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt der deutschen Bundesstaaten be¬
treffen," an den guten Willen der Einzelregierungen gebunden ist, oder nicht.
Sehr gut hebt Kirchmann den Unterschied der Parteien hervor. Die eine sagt:
Wir wollen gehorchen; die andere: Wir wollen erst prüfen, ob wir gehorchen


Grenzboten. IV. i»i8. 19
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276909"/>
          <p xml:id="ID_424" prev="#ID_423" next="#ID_425"> Ausführung eines von der Regierung anerkannten Gesetzes versteht sich von selbst.<lb/>
Statt dessen die widerlichen Redensarten der alten Zeit vom engsten Einverneh¬<lb/>
men, sich auf derselben Linie halten, aus demselben gesetzlichen Boden stehen &#x2014;<lb/>
d. h. auf dem Schutzbündnis; gegen die innere Anarchie. Dies war die Poli¬<lb/>
tik des Bundestages. Das deutsche Volk will u»d braucht aber nicht mehr die<lb/>
Politik des engsten Einvernehmens der verschiedenen Staaten, sondern Eine<lb/>
große Politik, ans welche es durch seine Gesammtvertretnng deu gebührenden Ein¬<lb/>
fluß üben kann. Die Rede des Ministers des Auswärtigen war um so nichts¬<lb/>
sagender, als er jede Beziehung ans das Gesetz vom 28. Juni vermied. Nur die<lb/>
Frankfurter Linke kann Preußen, welches den Kampf vorläufig auszufechten hat,<lb/>
verdenken, wenn es seinen Einfluß in dieser Frage bei der Centralgewalt geltend<lb/>
macht und sich in Einvernehmen setzt. Aber höchst unklug war es, daß der Mi¬<lb/>
nister unterließ, die alleinige formelle Kompetenz der Centrcilgewalt unumwunden<lb/>
auszusprechen, die freilich im Buchstaben jenes Gesetzes nicht einmal liegt. Das¬<lb/>
selbe Ungeschick zeigte in der Bekämpfung des Nodbertns'schen Antrags der Ab¬<lb/>
geordnete Reichensperger. Er sprach anch von inniger Verbindung, wo es sich<lb/>
um Unterordnung handelte und meinte, man könne nicht alle Beschlüsse, welche<lb/>
die Centralgewalt in der dänischen Frage fassen werde, im Voraus genehmigen,<lb/>
man müsse sich wenigstens das Recht der Vorstellung, der brüderlichen Einsprache<lb/>
vorbehalten, vorbehaltlich der endlichen Unterwerfung, wenn sie durch die Interes¬<lb/>
sen der nationalen Einheit geboten sei. Als ob dieses Recht durch die Anerken¬<lb/>
nung der formellen Competenz der Centralgewalt aufgehoben würde! Von Berg<lb/>
vertheidigte den Antrag mit gewohntem Talente. Er machte aufmerksam, daß<lb/>
jetzt die Linke particularistisch geworden. Aber auch er gebrauchte blos den zweifel¬<lb/>
haften Ausdruck: anschließen, anstatt: unterordnen. Dieser Ausdruck wurde von der<lb/>
mldereu Seite aufgegriffen und in den Verschlag einer motivirten Tagesordnung'<lb/>
aufgenommen. &#x201E;Man gehe über in dem Vertrauen, daß die Regierung sich der<lb/>
Centralgewalt jeder Zeit anschließen werde .&gt;e." Baumstark meinte, die Entwicke¬<lb/>
lung der Einheitsfrage könne nur allmälig geschehen und die preußische Regierung<lb/>
dürfe ihre Handlungen nicht durch eine Erklärung binden, wodurch sie zur Zeit<lb/>
des Provisoriums Allem beistimme, was n»r immer beschlossen werden könne,<lb/>
sie müsse sich für jetzt noch vorbehalten, die einzelne» Fälle mit zu erwägen, in<lb/>
denen sie sich der Centralgewalt unterziehen und sie unterstützen wolle. Hier ist'<lb/>
also nicht einmal mmMmt, daß die alleinige Competenz der Centralgewalt im<lb/>
Gesetz vom 28.HMi liege. Und freilich sagt jenes Gesetz nichts davon, ob die<lb/>
Centralgewalt &#x201E;bei Ausübung der vollziehende» Gewalt in allen Angelegenheiten,<lb/>
welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt der deutschen Bundesstaaten be¬<lb/>
treffen," an den guten Willen der Einzelregierungen gebunden ist, oder nicht.<lb/>
Sehr gut hebt Kirchmann den Unterschied der Parteien hervor. Die eine sagt:<lb/>
Wir wollen gehorchen; die andere: Wir wollen erst prüfen, ob wir gehorchen</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. IV. i»i8. 19</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0153] Ausführung eines von der Regierung anerkannten Gesetzes versteht sich von selbst. Statt dessen die widerlichen Redensarten der alten Zeit vom engsten Einverneh¬ men, sich auf derselben Linie halten, aus demselben gesetzlichen Boden stehen — d. h. auf dem Schutzbündnis; gegen die innere Anarchie. Dies war die Poli¬ tik des Bundestages. Das deutsche Volk will u»d braucht aber nicht mehr die Politik des engsten Einvernehmens der verschiedenen Staaten, sondern Eine große Politik, ans welche es durch seine Gesammtvertretnng deu gebührenden Ein¬ fluß üben kann. Die Rede des Ministers des Auswärtigen war um so nichts¬ sagender, als er jede Beziehung ans das Gesetz vom 28. Juni vermied. Nur die Frankfurter Linke kann Preußen, welches den Kampf vorläufig auszufechten hat, verdenken, wenn es seinen Einfluß in dieser Frage bei der Centralgewalt geltend macht und sich in Einvernehmen setzt. Aber höchst unklug war es, daß der Mi¬ nister unterließ, die alleinige formelle Kompetenz der Centrcilgewalt unumwunden auszusprechen, die freilich im Buchstaben jenes Gesetzes nicht einmal liegt. Das¬ selbe Ungeschick zeigte in der Bekämpfung des Nodbertns'schen Antrags der Ab¬ geordnete Reichensperger. Er sprach anch von inniger Verbindung, wo es sich um Unterordnung handelte und meinte, man könne nicht alle Beschlüsse, welche die Centralgewalt in der dänischen Frage fassen werde, im Voraus genehmigen, man müsse sich wenigstens das Recht der Vorstellung, der brüderlichen Einsprache vorbehalten, vorbehaltlich der endlichen Unterwerfung, wenn sie durch die Interes¬ sen der nationalen Einheit geboten sei. Als ob dieses Recht durch die Anerken¬ nung der formellen Competenz der Centralgewalt aufgehoben würde! Von Berg vertheidigte den Antrag mit gewohntem Talente. Er machte aufmerksam, daß jetzt die Linke particularistisch geworden. Aber auch er gebrauchte blos den zweifel¬ haften Ausdruck: anschließen, anstatt: unterordnen. Dieser Ausdruck wurde von der mldereu Seite aufgegriffen und in den Verschlag einer motivirten Tagesordnung' aufgenommen. „Man gehe über in dem Vertrauen, daß die Regierung sich der Centralgewalt jeder Zeit anschließen werde .>e." Baumstark meinte, die Entwicke¬ lung der Einheitsfrage könne nur allmälig geschehen und die preußische Regierung dürfe ihre Handlungen nicht durch eine Erklärung binden, wodurch sie zur Zeit des Provisoriums Allem beistimme, was n»r immer beschlossen werden könne, sie müsse sich für jetzt noch vorbehalten, die einzelne» Fälle mit zu erwägen, in denen sie sich der Centralgewalt unterziehen und sie unterstützen wolle. Hier ist' also nicht einmal mmMmt, daß die alleinige Competenz der Centralgewalt im Gesetz vom 28.HMi liege. Und freilich sagt jenes Gesetz nichts davon, ob die Centralgewalt „bei Ausübung der vollziehende» Gewalt in allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt der deutschen Bundesstaaten be¬ treffen," an den guten Willen der Einzelregierungen gebunden ist, oder nicht. Sehr gut hebt Kirchmann den Unterschied der Parteien hervor. Die eine sagt: Wir wollen gehorchen; die andere: Wir wollen erst prüfen, ob wir gehorchen Grenzboten. IV. i»i8. 19

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/153
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/153>, abgerufen am 22.07.2024.