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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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wir aus dem Spiel. Jeder verständige Patriot kann im Interesse Deutschlands
und Oestreichs nur die Bildung und den Sieg einer schwarz-gelben Reformpar¬
tei und die baldige Abberufung der östreichischen Deputirten aus Frankfurt wünschen.

Das Verhältniß Preußens zur Reichsregierung erscheint Vielen durch den
Antrag von Rodbertus genügend festgestellt. Ich theile diese Ansicht nicht im Min¬
desten und halte die vielfachen Aeußerungen von Befriedigung, die sich bei dieser
Genehmigung vernehmen ließen, sür den verzweifelten Versuch sich etwas glauben
zu machen, das man um jeden Preis wünschen muß. Es lohnt, ans den An¬
trag Rodbertus zurückzukommen.

Es ist eine eigne Sache mit dem linken Centrum der Berliner Nationalver¬
sammlung , dieser Partei, von deren Haltung vorzugsweise das Geschick Preußens
und daS Unermeßliche, was sich daran knüpft, abhängt. Ist das eine politische
Opposition oder ist es ein Gemisch von traditioneller Anfeindung der Regierung
und Intrigue um die Portefeuilles? Zur politischen Opposition wäre Stoff ge¬
nug; denn wer mochte behaupten, daß die Ministerien der Rechten ihre Aufgabe
verstanden? Bei dem Verhältniß zu Deutschland hat das Ministerium Pfuel ge¬
zeigt , daß es seine Ausgabe nicht versteht und das linke Centrum, die Opposi¬
tion -- die sogenannte Linke kommt hier nicht in Betracht, ihr Prinzip ist der
reine Scandal -- hat gezeigt, daß wir mit ihm nicht viel besser daran wären.
Es ist daher ein Glück, daß die Opposition noch nicht ans Ruder gelangt ist.
Sie hat keine produktiven Gedanken, die sie der Regierung entgegenstellen könnte.
Aber diese Gedanken liegen in der Lust und wenn die Situation sie unausweich¬
lich aufdrängt, dann kann die Opposition sie ergreifen und mit ihnen regieren.
So hat der Ministerwechsel einen Sinn - - wenn nicht die Zögerung alles verdirbt!

Herr Rodbertus stellte folgenden Antrag: "Die Versammlung erklärt, daß
sie mit Bezug auf das Gesetz vom 28. Juni von der Negierung die Ueberzeugung
hegen wolle, daß dieselbe zur Ausführung aller Beschlüsse der provisorischen Cen-
tralgewalt und der deutschen Nationalversammlung in den neu drohenden Verwick¬
lungen der dänischen Frage pflichtmäßig und kräftigst beitragen werde." Dieser
Antrag ist also nur gegen die Eventualität einer preußischen Separatpolitik in
der dänischen Frage gerichtet und beruft sich gegen diese Eventualität auf das Ge¬
setz vom 28. Juni: Die Centralgewalt hat die vollziehende Gewalt zu üben in
allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt der deut¬
schen Bundesstaaten betreffen. Rodbertus sagt in seiner Rede: "Der Antrag
verlangt nur, daß formell nicht gegen das Gesetz vom 28. Juni gefehlt werde,
das erste große Gesetz, welches in der Paulskirche ausgerichtet wurde zwischen dem
deutschen Volke und den Einzelstaaten." Der Antrag erscheint so lediglich als ein
Mißtrauensvotum gegen die Regierung in Form eines Vertrauensvotums. Das
Ministerium erwies sich freilich durch sein ungeschicktes Benehmen noch unter dem
Niveau des Antrags. Wollte es ausweichen, so brauchte es nur zu sagen: Die


wir aus dem Spiel. Jeder verständige Patriot kann im Interesse Deutschlands
und Oestreichs nur die Bildung und den Sieg einer schwarz-gelben Reformpar¬
tei und die baldige Abberufung der östreichischen Deputirten aus Frankfurt wünschen.

Das Verhältniß Preußens zur Reichsregierung erscheint Vielen durch den
Antrag von Rodbertus genügend festgestellt. Ich theile diese Ansicht nicht im Min¬
desten und halte die vielfachen Aeußerungen von Befriedigung, die sich bei dieser
Genehmigung vernehmen ließen, sür den verzweifelten Versuch sich etwas glauben
zu machen, das man um jeden Preis wünschen muß. Es lohnt, ans den An¬
trag Rodbertus zurückzukommen.

Es ist eine eigne Sache mit dem linken Centrum der Berliner Nationalver¬
sammlung , dieser Partei, von deren Haltung vorzugsweise das Geschick Preußens
und daS Unermeßliche, was sich daran knüpft, abhängt. Ist das eine politische
Opposition oder ist es ein Gemisch von traditioneller Anfeindung der Regierung
und Intrigue um die Portefeuilles? Zur politischen Opposition wäre Stoff ge¬
nug; denn wer mochte behaupten, daß die Ministerien der Rechten ihre Aufgabe
verstanden? Bei dem Verhältniß zu Deutschland hat das Ministerium Pfuel ge¬
zeigt , daß es seine Ausgabe nicht versteht und das linke Centrum, die Opposi¬
tion — die sogenannte Linke kommt hier nicht in Betracht, ihr Prinzip ist der
reine Scandal — hat gezeigt, daß wir mit ihm nicht viel besser daran wären.
Es ist daher ein Glück, daß die Opposition noch nicht ans Ruder gelangt ist.
Sie hat keine produktiven Gedanken, die sie der Regierung entgegenstellen könnte.
Aber diese Gedanken liegen in der Lust und wenn die Situation sie unausweich¬
lich aufdrängt, dann kann die Opposition sie ergreifen und mit ihnen regieren.
So hat der Ministerwechsel einen Sinn - - wenn nicht die Zögerung alles verdirbt!

Herr Rodbertus stellte folgenden Antrag: „Die Versammlung erklärt, daß
sie mit Bezug auf das Gesetz vom 28. Juni von der Negierung die Ueberzeugung
hegen wolle, daß dieselbe zur Ausführung aller Beschlüsse der provisorischen Cen-
tralgewalt und der deutschen Nationalversammlung in den neu drohenden Verwick¬
lungen der dänischen Frage pflichtmäßig und kräftigst beitragen werde." Dieser
Antrag ist also nur gegen die Eventualität einer preußischen Separatpolitik in
der dänischen Frage gerichtet und beruft sich gegen diese Eventualität auf das Ge¬
setz vom 28. Juni: Die Centralgewalt hat die vollziehende Gewalt zu üben in
allen Angelegenheiten, welche die allgemeine Sicherheit und Wohlfahrt der deut¬
schen Bundesstaaten betreffen. Rodbertus sagt in seiner Rede: „Der Antrag
verlangt nur, daß formell nicht gegen das Gesetz vom 28. Juni gefehlt werde,
das erste große Gesetz, welches in der Paulskirche ausgerichtet wurde zwischen dem
deutschen Volke und den Einzelstaaten." Der Antrag erscheint so lediglich als ein
Mißtrauensvotum gegen die Regierung in Form eines Vertrauensvotums. Das
Ministerium erwies sich freilich durch sein ungeschicktes Benehmen noch unter dem
Niveau des Antrags. Wollte es ausweichen, so brauchte es nur zu sagen: Die


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/152>, abgerufen am 22.07.2024.