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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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sei, aber in seine" Handlungen hauptsächlich als k. k. General beurtheilt werden müsse;
und daß es ebenso nur ein unwesentliches Moment sei, daß die k. k. Truppen, die un¬
ter seiner Anführung eine Kabinetsstage, nämlich die Vereinigung des ungarischen
Kriegs- und Finanzministeriums mit dem östreichischen auszukämpfen hätten, die außer¬
dem noch als Werkzeug zu andern, in geheimnißvolles Dunkel gehüllten dynastischen
Zwecken dienen sollten, gerade der kroatischen Nationalität angehörten. Kein Wunder'
daher, daß sich allmälig in Wien die beängstigende Sage verbreitete, Jellaczicz werde,
wenn er mit Budapest!) sertig sei, in Wien erscheinen, die Aula züchtigen u. s. w.--
Nachdem aber der Ban durch die Unterstützung des Kabinets kräftig gehoben, die wich¬
tigsten strategischen Vortheile bereits errungen hatte, spielte die Regierung mit einem
Male die überraschende Rolle der Vermittlung; Jellaczicz erhält die Weisung, sein
Kommando niederzulegen, und sämmtliche Truppen Ungarns, Kroatiens und der Mi¬
litärgrenze erhalten den Befehl, sich unter die Führung des Grafen Lamberg zu
stellen , der nach Ungarn als k. Kommissär abgeschickt wurde, nachdem sich der Pala¬
tin aus seiner unmöglichen Stellung durch Abdankung herausgezogen. Der unglück¬
liche Graf wird ein Opfer seiner nnconstitutionellcn Sendung; da erscheint das bekannte,
verhaßte Manifest vom October, contrasignirt von einem Minister ox iMciun", dem
Freiherrn Adam v. Rei'sey, welches den ungarischen Reichstag sür aufgelöst und Jel¬
laczicz, den gefürchteten Wasserträger der Reaction, zum Herrn von Ungarn erklärte.

Dies sind die Prämissen des t>. Octobers in Wien, so weit sie auf ungarischen
Boden liegen. Wenn die Männer der Linken schon lange in der kroatischen Politik
den Wurm erkannten, der an dem jungen östreichischen Freiheitsbäume drohend nage,
so thaten mittlerweile die demokratischen Clubs das Ihre, um die politische Anschauung
der Linken ans populäre Weise zu interpretiren und sie von den Bänken des Reichs¬
tags dnrch alle Schichten der Gesellschaft zu tragen, welche auf solche Art für jene
blutige und folgenschwere Revolution vorbereitet wurde, deren factische Details in
Deutschland schou durch die Tageblätter bekannt geworden find. Es ist eine Revolu¬
tion, die durchaus negativer Natur ist und den Beginn eines langen, zersetzenden Pro¬
zesses, gleichsam den Paroxismus der Demokratie, in sich enthält. Die sprichwörtlich
gewordene Gutmüthigkeit des Wiener Volkes, die trotz allen demokratischen Ernstes bei
den frühern Bewegungen immer hindurchlcuchtetc, hat hier einer kannibalischen Wild¬
heit Platz gemacht. Der StephanSdom wird zum Schauplatz eines entsetzlichen Kam¬
pfes zwischen der Wicdncr Garde und der Stadtgarde -- der furchtbar verstümmelte
Leichnam L alö n r's wird an einer Gaslaterne gegenüber dem Kriegsgebäude aufgehängt
und Hunderte von Musketen werden noch zum Hohne auf den Leichnam abgefeuert. Und
auf diese Bacchanalien der Roheit folgte die Abreise des Kaisers, die Dualisirung deS
Reichstags, die Auflösung des Ministeriums mit der trüben Aussicht auf ein Cabinet
Stadion und der panische Schrecken vor Militärreaction im größten Maßstabe.

Ich will jetzt nur an gewisse Seiten der Bewegung meine Betrachtungen anknü¬
pfen und dann in einem zweiten Aufsatze besonders die Reflexe berücksichtigen, welche
die in Wien geschwungene Brandfackel an den Horizont von Prag warf.

Schon das Faktum, welches die Bewegung eröffnet, ist von außerordentlicher Be¬
deutung. Die deutschen Grenadiere, die zum Abmarsch nach Ungarn beordert sind, um
die Heeresmacht des Baums zu verstärken, werden vom Volke, von der Garde und Legion
daran gehindert. Sie leisten nicht mir keinen Widerstand, sondern gehen vielmehr mit
dem bestimmt ausgesprochenen Entschlüsse: "Wir gehen nicht!" zum Volke über. Der
Kriegsminister schickt, ihnen eine Abtheilung Infanterie mit Kanonen entgegen -- und
nun stehen dem mit dem Volke verbündeten Militair die durch die Disciplin zusammen-,


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sei, aber in seine» Handlungen hauptsächlich als k. k. General beurtheilt werden müsse;
und daß es ebenso nur ein unwesentliches Moment sei, daß die k. k. Truppen, die un¬
ter seiner Anführung eine Kabinetsstage, nämlich die Vereinigung des ungarischen
Kriegs- und Finanzministeriums mit dem östreichischen auszukämpfen hätten, die außer¬
dem noch als Werkzeug zu andern, in geheimnißvolles Dunkel gehüllten dynastischen
Zwecken dienen sollten, gerade der kroatischen Nationalität angehörten. Kein Wunder'
daher, daß sich allmälig in Wien die beängstigende Sage verbreitete, Jellaczicz werde,
wenn er mit Budapest!) sertig sei, in Wien erscheinen, die Aula züchtigen u. s. w.—
Nachdem aber der Ban durch die Unterstützung des Kabinets kräftig gehoben, die wich¬
tigsten strategischen Vortheile bereits errungen hatte, spielte die Regierung mit einem
Male die überraschende Rolle der Vermittlung; Jellaczicz erhält die Weisung, sein
Kommando niederzulegen, und sämmtliche Truppen Ungarns, Kroatiens und der Mi¬
litärgrenze erhalten den Befehl, sich unter die Führung des Grafen Lamberg zu
stellen , der nach Ungarn als k. Kommissär abgeschickt wurde, nachdem sich der Pala¬
tin aus seiner unmöglichen Stellung durch Abdankung herausgezogen. Der unglück¬
liche Graf wird ein Opfer seiner nnconstitutionellcn Sendung; da erscheint das bekannte,
verhaßte Manifest vom October, contrasignirt von einem Minister ox iMciun», dem
Freiherrn Adam v. Rei'sey, welches den ungarischen Reichstag sür aufgelöst und Jel¬
laczicz, den gefürchteten Wasserträger der Reaction, zum Herrn von Ungarn erklärte.

Dies sind die Prämissen des t>. Octobers in Wien, so weit sie auf ungarischen
Boden liegen. Wenn die Männer der Linken schon lange in der kroatischen Politik
den Wurm erkannten, der an dem jungen östreichischen Freiheitsbäume drohend nage,
so thaten mittlerweile die demokratischen Clubs das Ihre, um die politische Anschauung
der Linken ans populäre Weise zu interpretiren und sie von den Bänken des Reichs¬
tags dnrch alle Schichten der Gesellschaft zu tragen, welche auf solche Art für jene
blutige und folgenschwere Revolution vorbereitet wurde, deren factische Details in
Deutschland schou durch die Tageblätter bekannt geworden find. Es ist eine Revolu¬
tion, die durchaus negativer Natur ist und den Beginn eines langen, zersetzenden Pro¬
zesses, gleichsam den Paroxismus der Demokratie, in sich enthält. Die sprichwörtlich
gewordene Gutmüthigkeit des Wiener Volkes, die trotz allen demokratischen Ernstes bei
den frühern Bewegungen immer hindurchlcuchtetc, hat hier einer kannibalischen Wild¬
heit Platz gemacht. Der StephanSdom wird zum Schauplatz eines entsetzlichen Kam¬
pfes zwischen der Wicdncr Garde und der Stadtgarde — der furchtbar verstümmelte
Leichnam L alö n r's wird an einer Gaslaterne gegenüber dem Kriegsgebäude aufgehängt
und Hunderte von Musketen werden noch zum Hohne auf den Leichnam abgefeuert. Und
auf diese Bacchanalien der Roheit folgte die Abreise des Kaisers, die Dualisirung deS
Reichstags, die Auflösung des Ministeriums mit der trüben Aussicht auf ein Cabinet
Stadion und der panische Schrecken vor Militärreaction im größten Maßstabe.

Ich will jetzt nur an gewisse Seiten der Bewegung meine Betrachtungen anknü¬
pfen und dann in einem zweiten Aufsatze besonders die Reflexe berücksichtigen, welche
die in Wien geschwungene Brandfackel an den Horizont von Prag warf.

Schon das Faktum, welches die Bewegung eröffnet, ist von außerordentlicher Be¬
deutung. Die deutschen Grenadiere, die zum Abmarsch nach Ungarn beordert sind, um
die Heeresmacht des Baums zu verstärken, werden vom Volke, von der Garde und Legion
daran gehindert. Sie leisten nicht mir keinen Widerstand, sondern gehen vielmehr mit
dem bestimmt ausgesprochenen Entschlüsse: „Wir gehen nicht!" zum Volke über. Der
Kriegsminister schickt, ihnen eine Abtheilung Infanterie mit Kanonen entgegen — und
nun stehen dem mit dem Volke verbündeten Militair die durch die Disciplin zusammen-,


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[0129] sei, aber in seine» Handlungen hauptsächlich als k. k. General beurtheilt werden müsse; und daß es ebenso nur ein unwesentliches Moment sei, daß die k. k. Truppen, die un¬ ter seiner Anführung eine Kabinetsstage, nämlich die Vereinigung des ungarischen Kriegs- und Finanzministeriums mit dem östreichischen auszukämpfen hätten, die außer¬ dem noch als Werkzeug zu andern, in geheimnißvolles Dunkel gehüllten dynastischen Zwecken dienen sollten, gerade der kroatischen Nationalität angehörten. Kein Wunder' daher, daß sich allmälig in Wien die beängstigende Sage verbreitete, Jellaczicz werde, wenn er mit Budapest!) sertig sei, in Wien erscheinen, die Aula züchtigen u. s. w.— Nachdem aber der Ban durch die Unterstützung des Kabinets kräftig gehoben, die wich¬ tigsten strategischen Vortheile bereits errungen hatte, spielte die Regierung mit einem Male die überraschende Rolle der Vermittlung; Jellaczicz erhält die Weisung, sein Kommando niederzulegen, und sämmtliche Truppen Ungarns, Kroatiens und der Mi¬ litärgrenze erhalten den Befehl, sich unter die Führung des Grafen Lamberg zu stellen , der nach Ungarn als k. Kommissär abgeschickt wurde, nachdem sich der Pala¬ tin aus seiner unmöglichen Stellung durch Abdankung herausgezogen. Der unglück¬ liche Graf wird ein Opfer seiner nnconstitutionellcn Sendung; da erscheint das bekannte, verhaßte Manifest vom October, contrasignirt von einem Minister ox iMciun», dem Freiherrn Adam v. Rei'sey, welches den ungarischen Reichstag sür aufgelöst und Jel¬ laczicz, den gefürchteten Wasserträger der Reaction, zum Herrn von Ungarn erklärte. Dies sind die Prämissen des t>. Octobers in Wien, so weit sie auf ungarischen Boden liegen. Wenn die Männer der Linken schon lange in der kroatischen Politik den Wurm erkannten, der an dem jungen östreichischen Freiheitsbäume drohend nage, so thaten mittlerweile die demokratischen Clubs das Ihre, um die politische Anschauung der Linken ans populäre Weise zu interpretiren und sie von den Bänken des Reichs¬ tags dnrch alle Schichten der Gesellschaft zu tragen, welche auf solche Art für jene blutige und folgenschwere Revolution vorbereitet wurde, deren factische Details in Deutschland schou durch die Tageblätter bekannt geworden find. Es ist eine Revolu¬ tion, die durchaus negativer Natur ist und den Beginn eines langen, zersetzenden Pro¬ zesses, gleichsam den Paroxismus der Demokratie, in sich enthält. Die sprichwörtlich gewordene Gutmüthigkeit des Wiener Volkes, die trotz allen demokratischen Ernstes bei den frühern Bewegungen immer hindurchlcuchtetc, hat hier einer kannibalischen Wild¬ heit Platz gemacht. Der StephanSdom wird zum Schauplatz eines entsetzlichen Kam¬ pfes zwischen der Wicdncr Garde und der Stadtgarde — der furchtbar verstümmelte Leichnam L alö n r's wird an einer Gaslaterne gegenüber dem Kriegsgebäude aufgehängt und Hunderte von Musketen werden noch zum Hohne auf den Leichnam abgefeuert. Und auf diese Bacchanalien der Roheit folgte die Abreise des Kaisers, die Dualisirung deS Reichstags, die Auflösung des Ministeriums mit der trüben Aussicht auf ein Cabinet Stadion und der panische Schrecken vor Militärreaction im größten Maßstabe. Ich will jetzt nur an gewisse Seiten der Bewegung meine Betrachtungen anknü¬ pfen und dann in einem zweiten Aufsatze besonders die Reflexe berücksichtigen, welche die in Wien geschwungene Brandfackel an den Horizont von Prag warf. Schon das Faktum, welches die Bewegung eröffnet, ist von außerordentlicher Be¬ deutung. Die deutschen Grenadiere, die zum Abmarsch nach Ungarn beordert sind, um die Heeresmacht des Baums zu verstärken, werden vom Volke, von der Garde und Legion daran gehindert. Sie leisten nicht mir keinen Widerstand, sondern gehen vielmehr mit dem bestimmt ausgesprochenen Entschlüsse: „Wir gehen nicht!" zum Volke über. Der Kriegsminister schickt, ihnen eine Abtheilung Infanterie mit Kanonen entgegen — und nun stehen dem mit dem Volke verbündeten Militair die durch die Disciplin zusammen-, GrmMm. IV. ihl». ig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/129>, abgerufen am 26.12.2024.