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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.

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schlug, durch die tobende Menge, seinen Weg nach Hause ein. "Habt Jhr's denn so
eilig, Herr Minister?" erscholl es von mehrern Seiten, aber Niemand trat ihm ent¬
gegen. Besonders habe ich ihn am 7. September bewundert. Darniedergedrückt durch
eine kaum überstandene Krankheit, verließ er die Singakademie unmittelbar nach seiner
Rede, noch vor dem Beginne der Abstimmungen. Eine zahllose Menge, nicht gerade
in der ruhigsten Stimmung, stand dichtgedrängt im Kastanienwäldchen. Mit Mühe
macht sich der Minister Platz, um seine nahe gelegne Wohnung zu erreichen. Da tritt
ein kleiner Karrikaturenhändler vor ihn hin mit den Worten: "Sieben Minister am
Galgen vor man Sechser! Kaufen sie Herrchen!" Hansemann bleibt ruhig stehen,
zieht seine Börse, besieht sich das Wisch, steckt es sorgfältig in die Tasche und geht
unter dem Jubelruf der verdutzten Menge nach Hause. Schreckeustein, d'er wenige Augen¬
blicke später heraustrat, wurde kaum durch mehrere Bürger vor Mißhandlungen ge¬
schützt und mußte sich in das Finanzgebüude zu Hansemann flüchten. --

Aus dem ganzen Wesen und Auftreten Hansemann's ergibt sich von selbst, daß
er -- gerade umgekehrt wie Waldeck -- nur durch Ueberzeugung wirken kann, daß er
sich nur an den kalten Verstand wenden darf, daß seine Reden ans den Leser einen
bessern Eindruck machen, als auf den Zuhörer. Durch seine Klarheit und Deutlichkeit,
durch den Scharfsinn, mit dem er die Folgen eines Beschlusses im voraus zergliedert,
hat er manchen parlamentarischen Sieg davongetragen, der Kammer manch ein Bravo
abgezwungen. Man erinnere sich mir an seine Rede bei Gelegenheit des Berend'schen
Antrages, der das damalige Ministerium allein die geringe Majorität zu danken hatte,
die es bei der Abstimmung erhielt: an die durchgearbeitete Uebersicht, die er von un¬
serer finanziellen Lage gab, an seine Vortrage über verschiedene Punkte des Steuer¬
wesens. Das Einzige, wodurch er in solchen Fällen mitunter Anstoß erregte, war
eine etwas pedantische Breite und ein gewisser schulmeisterlicher Ton, den die Kammer
bei mehrern Gelegenheiten sehr übel aufnahm. Auch parlamentarische Taktik geht ihm
keineswegs ab' namentlich war es ein guter Kunstgriff, wodurch er bei dem Antrage
Berg's wegen der Frankfurter Mordscene die Ultra's zwang, ihre Hcrzensmeinung klar
darzulegen. Er nahm das Wort gegen den Schluß der Debatte, weil man den Her¬
ren, die gegen die Vorlage wären, zur Entwickelung ihrer Gründe Zeit lassen müßte,
und nunmehr sah sich Elsner genöthigt, Namens seiner Freunde die berüchtigte Erklä¬
rung abzugeben. Verloren ist Hansemann dagegen, sobald er an das Gemüth zu ap-
pelliren versucht; auf dies Feld sollte er sich nie wagen, weil er dabei in steter Gefahr
schwebt, lächerlich zu werden. Hier gilt recht eigentlich des Dichters Wort: "Nie
werdet Ihr Herz zum Herzen schaffen, wenn es Euch nicht von Herzen geht." Ich
erinnere hier nur an die ingcnicusc, aber nichts weniger als gefühlvolle Verbindung
der deutsche" Einheit mit der Runkelrübeustcuer, die durch den sentimentalen Ton, den
der Redner dabei anschlug, einen wirklich komischen Eindruck machte. Gleich am andern
Tage hing an allen Vuchlädeu eine Carricatur: eine große Runkelrübe, aus der Han¬
semann's Brustbild hervorkam, wie er ans der einen Seite dem Reichsverweser und aus
der andern Held die Bruderhand reichte, mit der Unterschrift: "Wenn Sie aber dieses
Gesetz verwerfen, so handeln Sie gerade gegen die deutsche Einheit."

Nach seiner politischen Ueberzeugung ist Hansemann ein liberaler Whig; vor allen
Dingen mochte er der Bourgeoisie wieder zu Ansehen verhelfen, wie er denn auch bei
der Berathung des Geschwornengcsetzcs im Staatsrathe entschieden auf Einführung eines
Census gedrungen hat. Die Revolution ist ihm, wie vielen andern Freisinnigen, nicht
recht gelegen gekommen, er hätte sie gern zu einer Transaktion umgeformt, eben weil


schlug, durch die tobende Menge, seinen Weg nach Hause ein. „Habt Jhr's denn so
eilig, Herr Minister?" erscholl es von mehrern Seiten, aber Niemand trat ihm ent¬
gegen. Besonders habe ich ihn am 7. September bewundert. Darniedergedrückt durch
eine kaum überstandene Krankheit, verließ er die Singakademie unmittelbar nach seiner
Rede, noch vor dem Beginne der Abstimmungen. Eine zahllose Menge, nicht gerade
in der ruhigsten Stimmung, stand dichtgedrängt im Kastanienwäldchen. Mit Mühe
macht sich der Minister Platz, um seine nahe gelegne Wohnung zu erreichen. Da tritt
ein kleiner Karrikaturenhändler vor ihn hin mit den Worten: „Sieben Minister am
Galgen vor man Sechser! Kaufen sie Herrchen!" Hansemann bleibt ruhig stehen,
zieht seine Börse, besieht sich das Wisch, steckt es sorgfältig in die Tasche und geht
unter dem Jubelruf der verdutzten Menge nach Hause. Schreckeustein, d'er wenige Augen¬
blicke später heraustrat, wurde kaum durch mehrere Bürger vor Mißhandlungen ge¬
schützt und mußte sich in das Finanzgebüude zu Hansemann flüchten. —

Aus dem ganzen Wesen und Auftreten Hansemann's ergibt sich von selbst, daß
er — gerade umgekehrt wie Waldeck -- nur durch Ueberzeugung wirken kann, daß er
sich nur an den kalten Verstand wenden darf, daß seine Reden ans den Leser einen
bessern Eindruck machen, als auf den Zuhörer. Durch seine Klarheit und Deutlichkeit,
durch den Scharfsinn, mit dem er die Folgen eines Beschlusses im voraus zergliedert,
hat er manchen parlamentarischen Sieg davongetragen, der Kammer manch ein Bravo
abgezwungen. Man erinnere sich mir an seine Rede bei Gelegenheit des Berend'schen
Antrages, der das damalige Ministerium allein die geringe Majorität zu danken hatte,
die es bei der Abstimmung erhielt: an die durchgearbeitete Uebersicht, die er von un¬
serer finanziellen Lage gab, an seine Vortrage über verschiedene Punkte des Steuer¬
wesens. Das Einzige, wodurch er in solchen Fällen mitunter Anstoß erregte, war
eine etwas pedantische Breite und ein gewisser schulmeisterlicher Ton, den die Kammer
bei mehrern Gelegenheiten sehr übel aufnahm. Auch parlamentarische Taktik geht ihm
keineswegs ab' namentlich war es ein guter Kunstgriff, wodurch er bei dem Antrage
Berg's wegen der Frankfurter Mordscene die Ultra's zwang, ihre Hcrzensmeinung klar
darzulegen. Er nahm das Wort gegen den Schluß der Debatte, weil man den Her¬
ren, die gegen die Vorlage wären, zur Entwickelung ihrer Gründe Zeit lassen müßte,
und nunmehr sah sich Elsner genöthigt, Namens seiner Freunde die berüchtigte Erklä¬
rung abzugeben. Verloren ist Hansemann dagegen, sobald er an das Gemüth zu ap-
pelliren versucht; auf dies Feld sollte er sich nie wagen, weil er dabei in steter Gefahr
schwebt, lächerlich zu werden. Hier gilt recht eigentlich des Dichters Wort: „Nie
werdet Ihr Herz zum Herzen schaffen, wenn es Euch nicht von Herzen geht." Ich
erinnere hier nur an die ingcnicusc, aber nichts weniger als gefühlvolle Verbindung
der deutsche» Einheit mit der Runkelrübeustcuer, die durch den sentimentalen Ton, den
der Redner dabei anschlug, einen wirklich komischen Eindruck machte. Gleich am andern
Tage hing an allen Vuchlädeu eine Carricatur: eine große Runkelrübe, aus der Han¬
semann's Brustbild hervorkam, wie er ans der einen Seite dem Reichsverweser und aus
der andern Held die Bruderhand reichte, mit der Unterschrift: „Wenn Sie aber dieses
Gesetz verwerfen, so handeln Sie gerade gegen die deutsche Einheit."

Nach seiner politischen Ueberzeugung ist Hansemann ein liberaler Whig; vor allen
Dingen mochte er der Bourgeoisie wieder zu Ansehen verhelfen, wie er denn auch bei
der Berathung des Geschwornengcsetzcs im Staatsrathe entschieden auf Einführung eines
Census gedrungen hat. Die Revolution ist ihm, wie vielen andern Freisinnigen, nicht
recht gelegen gekommen, er hätte sie gern zu einer Transaktion umgeformt, eben weil


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276755/119>, abgerufen am 26.12.2024.