Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, II. Semester. IV. Band.Die gesetzgebende Macht Deutschlands hätte aus einer Volkskam¬ Aber zur vollkommenen Wiedergeburt Deutschlands würde die vorgeschlagene Eine Ansicht, die vor der Märzrevolution im Stillen den Bestrebungen vieler Der zweite "Umriß einer Staatsverfassung für Deutschland" geht, so com- "Er gründet sich auf die Voraussetzung, daß zur friedlichen Lösung der Auf¬ Die gesetzgebende Macht Deutschlands hätte aus einer Volkskam¬ Aber zur vollkommenen Wiedergeburt Deutschlands würde die vorgeschlagene Eine Ansicht, die vor der Märzrevolution im Stillen den Bestrebungen vieler Der zweite „Umriß einer Staatsverfassung für Deutschland" geht, so com- „Er gründet sich auf die Voraussetzung, daß zur friedlichen Lösung der Auf¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0110" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/276866"/> <p xml:id="ID_312"> Die gesetzgebende Macht Deutschlands hätte aus einer Volkskam¬<lb/> mer und aus einer Fürstenkcumner mit Einschluß des Bundeshanptes zu bestehen.<lb/> Der jeweilige Beschluß in der Fürstenkammer wäre jedoch nicht nach den Viril-<lb/> stiinmen der Fürsten, sondern im Verhältnisse der Volkszahl ihrer Staaten ab¬<lb/> zufassen.</p><lb/> <p xml:id="ID_313"> Aber zur vollkommenen Wiedergeburt Deutschlands würde die vorgeschlagene<lb/> Einigung der Militär- und Civilgewalt noch nicht genügen, sondern es müßte<lb/> auch aus eine angemessene Verschmelzung der Dynastien hingearbeitet<lb/> werden. Es müßten zwischen alle» deutschen Dynastien Erbverbünduugen einge¬<lb/> gangen, und damit die Vereinigung von Ländergebieten nicht in allzuentfernte<lb/> Aussicht gestellt würde, die weibliche Erbfolge ausgeschlossen werden. Die klei¬<lb/> nern Staaten müßten an die zwei Großmächte, und zwar die Staaten Süddeutsch¬<lb/> lands an Oestreich, die Staaten Norddeutschlands an Preußen anheimfallen, und<lb/> auch dieses mit jenem vereinigt werden, sobald der Mannsstamm der Hohenzollern,<lb/> oder jener der Habsburg-Lothringer aussterben würde. Auch müßte, wenn es<lb/> gelänge, eine Dynastie außer Deutschland unterzubringen, z. B. das Hans Wet¬<lb/> tin in Polen, oder das Haus Wittelsbach in Griechenland — Sachsen mit Preußen<lb/> und Baiern mit Oestreich vereinigt werden." —</p><lb/> <p xml:id="ID_314"> Eine Ansicht, die vor der Märzrevolution im Stillen den Bestrebungen vieler<lb/> deutscheu Politiker zum Grunde lag, der aber die ganze gegenwärtige Entwickelung<lb/> entgegensteht. Theils die eigenthümliche Bildung der provisorischen Centralgewalt,<lb/> theils die neue Wendung der Dinge in Oestreich widerstrebt einem solchen System.<lb/> Ob diese Art der Regierung mindere Einheit gewährt, als eine außerhalb der<lb/> wirklichen Staaten stehende Centralgewalt, wäre freilich zu bezweifeln; doch muß<lb/> man in solchen Fällen nicht allein dem historisch Gegebenen, sondern anch der<lb/> öffentlichen Meinung Rechnung tragen. Da übrigens derselbe Verfasser in einer<lb/> ausführlichen Denkschrift seine Ansichten über das Verhältniß Oestreichs zu Deutsch¬<lb/> land niedergelegt hat, so kommen wir im nächsten Heft, wo wir dieselben mitzu¬<lb/> theilen gedenken, ausführlicher darauf zurück.</p><lb/> <p xml:id="ID_315"> Der zweite „Umriß einer Staatsverfassung für Deutschland" geht, so com-<lb/> plicirt er auch auf den ersten Anblick aussieht, im Wesentlichen von der Ansicht<lb/> aus, die den ersten der Nationalversammlung vorgelegten Entwurf hervorrief, der<lb/> aber damals durch den Wuasch einer factischen Einheit beseitigt wurde.</p><lb/> <p xml:id="ID_316" next="#ID_317"> „Er gründet sich auf die Voraussetzung, daß zur friedlichen Lösung der Auf¬<lb/> gabe für eine neue Staatsverfassung Deutschlands die Wahl eines einzigen Fürsten<lb/> als erbliches oder Wahlvberhaupt, sei es mit oder ohne Territorialbesitz, eine Un¬<lb/> möglichkeit ist; sowie in der Ansicht, daß ein Turnus zwischen Oestreich, Preußen<lb/> und Baiern ein Unrecht gegen alle übrigen regierenden Fürstenhäuser Deutschlands<lb/> sein würde, und eine unserer Zeit zu fern liegende Form ist, der systematische<lb/> Einheit bei jedem Wechsel fehlen würde. Die zur Comperenz sämmtlicher verbum-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0110]
Die gesetzgebende Macht Deutschlands hätte aus einer Volkskam¬
mer und aus einer Fürstenkcumner mit Einschluß des Bundeshanptes zu bestehen.
Der jeweilige Beschluß in der Fürstenkammer wäre jedoch nicht nach den Viril-
stiinmen der Fürsten, sondern im Verhältnisse der Volkszahl ihrer Staaten ab¬
zufassen.
Aber zur vollkommenen Wiedergeburt Deutschlands würde die vorgeschlagene
Einigung der Militär- und Civilgewalt noch nicht genügen, sondern es müßte
auch aus eine angemessene Verschmelzung der Dynastien hingearbeitet
werden. Es müßten zwischen alle» deutschen Dynastien Erbverbünduugen einge¬
gangen, und damit die Vereinigung von Ländergebieten nicht in allzuentfernte
Aussicht gestellt würde, die weibliche Erbfolge ausgeschlossen werden. Die klei¬
nern Staaten müßten an die zwei Großmächte, und zwar die Staaten Süddeutsch¬
lands an Oestreich, die Staaten Norddeutschlands an Preußen anheimfallen, und
auch dieses mit jenem vereinigt werden, sobald der Mannsstamm der Hohenzollern,
oder jener der Habsburg-Lothringer aussterben würde. Auch müßte, wenn es
gelänge, eine Dynastie außer Deutschland unterzubringen, z. B. das Hans Wet¬
tin in Polen, oder das Haus Wittelsbach in Griechenland — Sachsen mit Preußen
und Baiern mit Oestreich vereinigt werden." —
Eine Ansicht, die vor der Märzrevolution im Stillen den Bestrebungen vieler
deutscheu Politiker zum Grunde lag, der aber die ganze gegenwärtige Entwickelung
entgegensteht. Theils die eigenthümliche Bildung der provisorischen Centralgewalt,
theils die neue Wendung der Dinge in Oestreich widerstrebt einem solchen System.
Ob diese Art der Regierung mindere Einheit gewährt, als eine außerhalb der
wirklichen Staaten stehende Centralgewalt, wäre freilich zu bezweifeln; doch muß
man in solchen Fällen nicht allein dem historisch Gegebenen, sondern anch der
öffentlichen Meinung Rechnung tragen. Da übrigens derselbe Verfasser in einer
ausführlichen Denkschrift seine Ansichten über das Verhältniß Oestreichs zu Deutsch¬
land niedergelegt hat, so kommen wir im nächsten Heft, wo wir dieselben mitzu¬
theilen gedenken, ausführlicher darauf zurück.
Der zweite „Umriß einer Staatsverfassung für Deutschland" geht, so com-
plicirt er auch auf den ersten Anblick aussieht, im Wesentlichen von der Ansicht
aus, die den ersten der Nationalversammlung vorgelegten Entwurf hervorrief, der
aber damals durch den Wuasch einer factischen Einheit beseitigt wurde.
„Er gründet sich auf die Voraussetzung, daß zur friedlichen Lösung der Auf¬
gabe für eine neue Staatsverfassung Deutschlands die Wahl eines einzigen Fürsten
als erbliches oder Wahlvberhaupt, sei es mit oder ohne Territorialbesitz, eine Un¬
möglichkeit ist; sowie in der Ansicht, daß ein Turnus zwischen Oestreich, Preußen
und Baiern ein Unrecht gegen alle übrigen regierenden Fürstenhäuser Deutschlands
sein würde, und eine unserer Zeit zu fern liegende Form ist, der systematische
Einheit bei jedem Wechsel fehlen würde. Die zur Comperenz sämmtlicher verbum-
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