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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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stimmten Oertlichkeiten aus localen Rücksichten des Verkehrs u. s. w. zu verbieten. Ein
solcher Zusatz wurde in weniger klarer Fassung von der Abtheilung vorgeschlagen und an¬
genommen. Bei dieser Gelegenheit gab Herr V. Vincke seiner Popularität einen großen
Stoß, indem er gegen das Versammluugsrccht die alten polizeilichen Bedenken hervor¬
kehrte und sogar meinte, daß Volksversammlungen die Freiheit des gesetzgebenden Kör¬
pers zu stören geeignet seien. Mit Recht bemerkte der Abgeordnete v. Beckerath, daß
dies eine Verkennung des Geistes sei, der die gegenwärtige Versammlung belebe und
die künftige beleben werde, eben so eine Verkennung des Geistes unseres Volkes. Wer
friedliche Volksversammlungen fürchte, fürchte das Volk selbst.

Der zweite Theil des §. stellt das Vereiniguugsrecht ebenfalls von polizeilicher
Erlaubniß unabhängig her und wurde mit einer Redactionsverbesscrung durch die Ab¬
theilung angenommen.

§. 5. "Die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte ist fortan von dem religiösen
Glaubensbekenntniß" unabhängig, wird ohne Discusston angenommen. Der sofortige
Erlaß dieses Gesetzes ist sehr dankenswert!) auch darum, weil es eine wichtige Voraus¬
setzung für das Wahlgesetz bildet.

§. 6., welcher die Zusicherung eines Minimums von Rechten der künftigen Volks¬
vertretung enthält, hat eine ganz schiefe Stellung. Er gehört in ein Programm. Die
Schiefheit entspringt aus dem unklaren Gedanken der ganzen Propositivn. Was hel¬
fen Grundlagen einer Verfassung, welche der Landtag acceptirt, wenn die cvnstitnireNde
Versammlung sie ablehnt? Und dazu hat das entscheidende Organ doch wohl das
Recht? Das tritt bei § 6. am deutlichsten hervor, weil er bloße Zusicherungen, kein
sofort einzuführendes Gesetz enthält. Dieser Uebelstand wurde auch von der Versamm¬
lung bemerkt, aber Übergängen, mir um Aufenthalt zu vermeiden. Mit Recht hob man
auch hervor, daß diese Zusicherungen selbst als Minimum ungenügend seien. Die Mini¬
ster können sich jedenfalls durch sie nicht der Nothwendigkeit überhoben glauben, bald
A U ein Programm zu erlassen, oder den Verfassungsentwurf zu veröffentlichen.

(Ueber die dritte und vierte Sitzung im nächsten Heft.)




Sämmtliche geehrte Korrespondenten der Grenzboten werden dringend
ersucht, uns künstig ihre Berichte spätestens Mittwoch Morgens zukommen zu
lassen. D. Red.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur: Z. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.

stimmten Oertlichkeiten aus localen Rücksichten des Verkehrs u. s. w. zu verbieten. Ein
solcher Zusatz wurde in weniger klarer Fassung von der Abtheilung vorgeschlagen und an¬
genommen. Bei dieser Gelegenheit gab Herr V. Vincke seiner Popularität einen großen
Stoß, indem er gegen das Versammluugsrccht die alten polizeilichen Bedenken hervor¬
kehrte und sogar meinte, daß Volksversammlungen die Freiheit des gesetzgebenden Kör¬
pers zu stören geeignet seien. Mit Recht bemerkte der Abgeordnete v. Beckerath, daß
dies eine Verkennung des Geistes sei, der die gegenwärtige Versammlung belebe und
die künftige beleben werde, eben so eine Verkennung des Geistes unseres Volkes. Wer
friedliche Volksversammlungen fürchte, fürchte das Volk selbst.

Der zweite Theil des §. stellt das Vereiniguugsrecht ebenfalls von polizeilicher
Erlaubniß unabhängig her und wurde mit einer Redactionsverbesscrung durch die Ab¬
theilung angenommen.

§. 5. „Die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte ist fortan von dem religiösen
Glaubensbekenntniß" unabhängig, wird ohne Discusston angenommen. Der sofortige
Erlaß dieses Gesetzes ist sehr dankenswert!) auch darum, weil es eine wichtige Voraus¬
setzung für das Wahlgesetz bildet.

§. 6., welcher die Zusicherung eines Minimums von Rechten der künftigen Volks¬
vertretung enthält, hat eine ganz schiefe Stellung. Er gehört in ein Programm. Die
Schiefheit entspringt aus dem unklaren Gedanken der ganzen Propositivn. Was hel¬
fen Grundlagen einer Verfassung, welche der Landtag acceptirt, wenn die cvnstitnireNde
Versammlung sie ablehnt? Und dazu hat das entscheidende Organ doch wohl das
Recht? Das tritt bei § 6. am deutlichsten hervor, weil er bloße Zusicherungen, kein
sofort einzuführendes Gesetz enthält. Dieser Uebelstand wurde auch von der Versamm¬
lung bemerkt, aber Übergängen, mir um Aufenthalt zu vermeiden. Mit Recht hob man
auch hervor, daß diese Zusicherungen selbst als Minimum ungenügend seien. Die Mini¬
ster können sich jedenfalls durch sie nicht der Nothwendigkeit überhoben glauben, bald
A U ein Programm zu erlassen, oder den Verfassungsentwurf zu veröffentlichen.

(Ueber die dritte und vierte Sitzung im nächsten Heft.)




Sämmtliche geehrte Korrespondenten der Grenzboten werden dringend
ersucht, uns künstig ihre Berichte spätestens Mittwoch Morgens zukommen zu
lassen. D. Red.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur: Z. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrä.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/90>, abgerufen am 22.07.2024.