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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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sie auf dem Provinziallandtage den Entwurf dieses Gesetzes zu berathen haben,
ihre Lage genau in Erwägung ziehen. Sie würden dann zur Ueberzeugung ge¬
langen, daß es sich nicht mehr um die Frage handle: ob und welche aus dem
Feudale herrührenden Bezüge aufzugeben seien, daß es sich vielmehr nur um den
Maßstab der Ablösung handeln könne; möchten sie die Folgen unnützen Wider¬
standes bedenken und redlich das Ihrige dazu beitragen, daß das Ablösungsgesetz
in seinen Grundsätzen billig und das Verfahren ein einfaches sei, damit die Aus-
mittlung der Entschädigung schnell erfolge und so der Erisapfel, welcher Herr¬
schaftsbesitzer und Unterthanen jetzt "och in zwei feindliche Lager theilt, von der
Hand friedlicher Einigung hinweggehoben werde. Möchten sie dies! doch wir
fürchten, daß es nicht geschehen werde; denn wir erinnern uns der Versamm¬
lung, welche mehrere nnadelige Gutsbesitzer am 10. April gehalten und in wel¬
cher einer dieser Herren der Milde und Gerechtigkeitsliebe unserer ritterlichen
Voreltern eine warme Lobrede hielt, die Störung bedauerte, welche eine naseweise
Schulgelehrtheit in das schöne patriarchalische Verhältniß des Unterthans und
Herrn brachte, zum Schutze desselben begehrte, daß das Heer der Beamten redu-
zirt, dagegen die stehende Armee vermehrt und im Lande behalten werde, daß
man die Patrimonial-Gerichtsbarkeit dieses Verhältnisses wegen (?) ans keinen Fall
aufgebe" solle und von Aufhebung der Zehende u. f. w. nur dann die Rede sein
könne, wenn diese Gefälle schnell, gut und baar bezahlt werden. Wir erinnern
uns ferner des Benehmens dreier nnadeligen Gutsbesitzer auf dem permanenten
Landtage, welche, ohne ein Recht des Erscheinens zu haben, sich ein solches selbst
nahmen, die Bedeutung der t'iüts "ceomvlis kennend, wie sie einen Landtagsbe¬
schluß, der bereits gefaßt war, anzugreifen und umzustürzen möglich fanden; wie
sie, die heftigsten Gegner der gebornen Stände, welche auf den künftigen Provin-
ziallandtagcn laut des umgestürzten Beschlusses nnr durch zwanzig Deputirte zu
vertreten sein sollen, wie sie, sagen wir, begehrten: daß für den Provinziallandtag,
auf welchem die Ablösungsfrage zur Sprache komme, alle gebornen Landstände
erscheinen und stimmberechtigt sein sollen, damit sie (die durch zehn Deputirte
zu erscheinen hätten) vereint mit jenen eine feste Phalanx gegen die Anmaßung
der dreißig Abgeordneten des Bauernstandes bilden könnten; wie sie ferner als
kluge Feldherren für die Neutralität des Bürgerstandes dadurch sorgten, daß selber,
wenn es sich um das bezeichnete Gesetz handle, von der Verhandlung ausgeschlos¬
sen sein soll u. s. w. -- Dieses Benehmen hat zwar auf dem Landtage prompte
Züchtigung erfahren und wir hätten desselben hier weiter nicht erwähnt, wollten
wir nicht den unadeligen Gutsbesitzern zu Gemüthe führen: wie sehr ihr Interesse
es fordere, die öffentliche Meinung nicht aus den Augen zu verlieren und dar¬
nach ihre Abgeordneten zu wählen.


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sie auf dem Provinziallandtage den Entwurf dieses Gesetzes zu berathen haben,
ihre Lage genau in Erwägung ziehen. Sie würden dann zur Ueberzeugung ge¬
langen, daß es sich nicht mehr um die Frage handle: ob und welche aus dem
Feudale herrührenden Bezüge aufzugeben seien, daß es sich vielmehr nur um den
Maßstab der Ablösung handeln könne; möchten sie die Folgen unnützen Wider¬
standes bedenken und redlich das Ihrige dazu beitragen, daß das Ablösungsgesetz
in seinen Grundsätzen billig und das Verfahren ein einfaches sei, damit die Aus-
mittlung der Entschädigung schnell erfolge und so der Erisapfel, welcher Herr¬
schaftsbesitzer und Unterthanen jetzt »och in zwei feindliche Lager theilt, von der
Hand friedlicher Einigung hinweggehoben werde. Möchten sie dies! doch wir
fürchten, daß es nicht geschehen werde; denn wir erinnern uns der Versamm¬
lung, welche mehrere nnadelige Gutsbesitzer am 10. April gehalten und in wel¬
cher einer dieser Herren der Milde und Gerechtigkeitsliebe unserer ritterlichen
Voreltern eine warme Lobrede hielt, die Störung bedauerte, welche eine naseweise
Schulgelehrtheit in das schöne patriarchalische Verhältniß des Unterthans und
Herrn brachte, zum Schutze desselben begehrte, daß das Heer der Beamten redu-
zirt, dagegen die stehende Armee vermehrt und im Lande behalten werde, daß
man die Patrimonial-Gerichtsbarkeit dieses Verhältnisses wegen (?) ans keinen Fall
aufgebe» solle und von Aufhebung der Zehende u. f. w. nur dann die Rede sein
könne, wenn diese Gefälle schnell, gut und baar bezahlt werden. Wir erinnern
uns ferner des Benehmens dreier nnadeligen Gutsbesitzer auf dem permanenten
Landtage, welche, ohne ein Recht des Erscheinens zu haben, sich ein solches selbst
nahmen, die Bedeutung der t'iüts »ceomvlis kennend, wie sie einen Landtagsbe¬
schluß, der bereits gefaßt war, anzugreifen und umzustürzen möglich fanden; wie
sie, die heftigsten Gegner der gebornen Stände, welche auf den künftigen Provin-
ziallandtagcn laut des umgestürzten Beschlusses nnr durch zwanzig Deputirte zu
vertreten sein sollen, wie sie, sagen wir, begehrten: daß für den Provinziallandtag,
auf welchem die Ablösungsfrage zur Sprache komme, alle gebornen Landstände
erscheinen und stimmberechtigt sein sollen, damit sie (die durch zehn Deputirte
zu erscheinen hätten) vereint mit jenen eine feste Phalanx gegen die Anmaßung
der dreißig Abgeordneten des Bauernstandes bilden könnten; wie sie ferner als
kluge Feldherren für die Neutralität des Bürgerstandes dadurch sorgten, daß selber,
wenn es sich um das bezeichnete Gesetz handle, von der Verhandlung ausgeschlos¬
sen sein soll u. s. w. — Dieses Benehmen hat zwar auf dem Landtage prompte
Züchtigung erfahren und wir hätten desselben hier weiter nicht erwähnt, wollten
wir nicht den unadeligen Gutsbesitzern zu Gemüthe führen: wie sehr ihr Interesse
es fordere, die öffentliche Meinung nicht aus den Augen zu verlieren und dar¬
nach ihre Abgeordneten zu wählen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/347>, abgerufen am 03.07.2024.