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Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band.

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Styl -- wenn auch vielleicht Einiges gegen die Ausführung seines Buches vor¬
gebracht werden könnte.

Der Verfasser, schon bekannt durch mehrere Forschungen auf dem Gebiete
des Alterthums, erklärt: "man müsse das Alterthum fruchtbar machen, daß es
warm und voll an uns herantrete." Und, in Wahrheit, durch diese volle Ueber¬
zeugung steht er entschieden auf der Höhe seiner Zeit, kommt er der Sehnsucht
Aller entgegen. Man ringt jetzt in Deutschland aller Orten darnach, das Alter¬
thum endlich einmal nach seinem Geiste anzuschauen. Die vielen Gymmsialreform-
bestrebungen, Gymnastalvereine, welche bestehen, wollen nichts anderes bezwecken
oder werden nichts Besseres erreichen. Allein die Aufgabe gehört unter die schwie¬
rigsten. So kindlich uns die alte Geschichte anspricht, so unerläßlich ein Jeder
die Erlernung der Geschichte mit ihr beginnen muß, als eben vom Anfange --
so schwer wird es doch immer sein, tiefer in dieselbe einzudringen, wenn wir nicht
zuvor das ganze Feld der Universalgeschichte bis auf die neueste Zeit und die
Gegenwart durchgereist sind, um dann weltgekräftigt und durch die Fülle der Er¬
scheinungen an den Augen gestärkt, das Alte von Neuem und weit klarer über¬
schauen zu können. Aehnlich verhält es sich auch im Großen mit der Entwickelung
der Geschichtswissenschaft. Die Behandlung der alten Geschichte wird für uns
jetzt erst fruchtbar werden können, nachdem man sich so viel und erfolgreich mit
neuer und neuester Geschichte beschäftigt hat.

Nachdem der Verfasser in der Einleitung seine Geschichtsanschauung dem Leser
klar dargelegt, auch seine mit uns übereinstimmende Ansicht über Behandlung des
Alterthums ausgesprochen, gibt er seine Meinung über den Begriff der Dent-
und Glaubensfreiheit und fügt einen Ueberblick des geschichtlichen
Hergangs und einen Hinblick auf die Zukunft bei (Cap. I. -- III.) --
von der Denkfreiheit bei den Orientalen und bei den Griechen; vom Repressiv¬
systeme, welches im Mittelalter culminirt, von der Verwandlung desselben in die
Censur und von unseren heutigen Zuständen, die zum Repressivsysteme zurückzu¬
kehren geneigt sind, wozu zuletzt der Satz: daß die Denk- und Glaubens¬
freiheit sich noch nie und nirgends vollständig entwickelt (S. oben).
-- Sodann gelangt er zum Hauptgegenstande: Monarchie im Kampfe mit
der Rede- und Schrift fr eiden (Cap. IV.) Die Regierungsgeschichten von
Cäsar bis Nero werden aus diesem Gesichtspunkte genau betrachtet; zuvor der
Gedankenzwang schon in den Proscriptionen der letzten Zeit der Republik gezeigt;
die Keime präventiver Censur in der Staatszeitung (.4alle Konsens)
Nun wird zunächst eine ausführliche Schilderung des literarischen Verkehrs
im Alterthum (Cap. V.) gegeben -- (ein ganz vortreffliches Capitel, von über¬
raschend neuem Aufschluß über Buchhandel und das Verhältniß der Lesewelt zur
Literatur, bis in das Kleinste. Resultat: der literarische Verkehr in jener Zeit
war mindestens eben so lebendig, als in unserer). Darauf wird (Cap. VI.) Mo-
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Styl — wenn auch vielleicht Einiges gegen die Ausführung seines Buches vor¬
gebracht werden könnte.

Der Verfasser, schon bekannt durch mehrere Forschungen auf dem Gebiete
des Alterthums, erklärt: „man müsse das Alterthum fruchtbar machen, daß es
warm und voll an uns herantrete." Und, in Wahrheit, durch diese volle Ueber¬
zeugung steht er entschieden auf der Höhe seiner Zeit, kommt er der Sehnsucht
Aller entgegen. Man ringt jetzt in Deutschland aller Orten darnach, das Alter¬
thum endlich einmal nach seinem Geiste anzuschauen. Die vielen Gymmsialreform-
bestrebungen, Gymnastalvereine, welche bestehen, wollen nichts anderes bezwecken
oder werden nichts Besseres erreichen. Allein die Aufgabe gehört unter die schwie¬
rigsten. So kindlich uns die alte Geschichte anspricht, so unerläßlich ein Jeder
die Erlernung der Geschichte mit ihr beginnen muß, als eben vom Anfange —
so schwer wird es doch immer sein, tiefer in dieselbe einzudringen, wenn wir nicht
zuvor das ganze Feld der Universalgeschichte bis auf die neueste Zeit und die
Gegenwart durchgereist sind, um dann weltgekräftigt und durch die Fülle der Er¬
scheinungen an den Augen gestärkt, das Alte von Neuem und weit klarer über¬
schauen zu können. Aehnlich verhält es sich auch im Großen mit der Entwickelung
der Geschichtswissenschaft. Die Behandlung der alten Geschichte wird für uns
jetzt erst fruchtbar werden können, nachdem man sich so viel und erfolgreich mit
neuer und neuester Geschichte beschäftigt hat.

Nachdem der Verfasser in der Einleitung seine Geschichtsanschauung dem Leser
klar dargelegt, auch seine mit uns übereinstimmende Ansicht über Behandlung des
Alterthums ausgesprochen, gibt er seine Meinung über den Begriff der Dent-
und Glaubensfreiheit und fügt einen Ueberblick des geschichtlichen
Hergangs und einen Hinblick auf die Zukunft bei (Cap. I. — III.) —
von der Denkfreiheit bei den Orientalen und bei den Griechen; vom Repressiv¬
systeme, welches im Mittelalter culminirt, von der Verwandlung desselben in die
Censur und von unseren heutigen Zuständen, die zum Repressivsysteme zurückzu¬
kehren geneigt sind, wozu zuletzt der Satz: daß die Denk- und Glaubens¬
freiheit sich noch nie und nirgends vollständig entwickelt (S. oben).
— Sodann gelangt er zum Hauptgegenstande: Monarchie im Kampfe mit
der Rede- und Schrift fr eiden (Cap. IV.) Die Regierungsgeschichten von
Cäsar bis Nero werden aus diesem Gesichtspunkte genau betrachtet; zuvor der
Gedankenzwang schon in den Proscriptionen der letzten Zeit der Republik gezeigt;
die Keime präventiver Censur in der Staatszeitung (.4alle Konsens)
Nun wird zunächst eine ausführliche Schilderung des literarischen Verkehrs
im Alterthum (Cap. V.) gegeben — (ein ganz vortreffliches Capitel, von über¬
raschend neuem Aufschluß über Buchhandel und das Verhältniß der Lesewelt zur
Literatur, bis in das Kleinste. Resultat: der literarische Verkehr in jener Zeit
war mindestens eben so lebendig, als in unserer). Darauf wird (Cap. VI.) Mo-
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[0129] Styl — wenn auch vielleicht Einiges gegen die Ausführung seines Buches vor¬ gebracht werden könnte. Der Verfasser, schon bekannt durch mehrere Forschungen auf dem Gebiete des Alterthums, erklärt: „man müsse das Alterthum fruchtbar machen, daß es warm und voll an uns herantrete." Und, in Wahrheit, durch diese volle Ueber¬ zeugung steht er entschieden auf der Höhe seiner Zeit, kommt er der Sehnsucht Aller entgegen. Man ringt jetzt in Deutschland aller Orten darnach, das Alter¬ thum endlich einmal nach seinem Geiste anzuschauen. Die vielen Gymmsialreform- bestrebungen, Gymnastalvereine, welche bestehen, wollen nichts anderes bezwecken oder werden nichts Besseres erreichen. Allein die Aufgabe gehört unter die schwie¬ rigsten. So kindlich uns die alte Geschichte anspricht, so unerläßlich ein Jeder die Erlernung der Geschichte mit ihr beginnen muß, als eben vom Anfange — so schwer wird es doch immer sein, tiefer in dieselbe einzudringen, wenn wir nicht zuvor das ganze Feld der Universalgeschichte bis auf die neueste Zeit und die Gegenwart durchgereist sind, um dann weltgekräftigt und durch die Fülle der Er¬ scheinungen an den Augen gestärkt, das Alte von Neuem und weit klarer über¬ schauen zu können. Aehnlich verhält es sich auch im Großen mit der Entwickelung der Geschichtswissenschaft. Die Behandlung der alten Geschichte wird für uns jetzt erst fruchtbar werden können, nachdem man sich so viel und erfolgreich mit neuer und neuester Geschichte beschäftigt hat. Nachdem der Verfasser in der Einleitung seine Geschichtsanschauung dem Leser klar dargelegt, auch seine mit uns übereinstimmende Ansicht über Behandlung des Alterthums ausgesprochen, gibt er seine Meinung über den Begriff der Dent- und Glaubensfreiheit und fügt einen Ueberblick des geschichtlichen Hergangs und einen Hinblick auf die Zukunft bei (Cap. I. — III.) — von der Denkfreiheit bei den Orientalen und bei den Griechen; vom Repressiv¬ systeme, welches im Mittelalter culminirt, von der Verwandlung desselben in die Censur und von unseren heutigen Zuständen, die zum Repressivsysteme zurückzu¬ kehren geneigt sind, wozu zuletzt der Satz: daß die Denk- und Glaubens¬ freiheit sich noch nie und nirgends vollständig entwickelt (S. oben). — Sodann gelangt er zum Hauptgegenstande: Monarchie im Kampfe mit der Rede- und Schrift fr eiden (Cap. IV.) Die Regierungsgeschichten von Cäsar bis Nero werden aus diesem Gesichtspunkte genau betrachtet; zuvor der Gedankenzwang schon in den Proscriptionen der letzten Zeit der Republik gezeigt; die Keime präventiver Censur in der Staatszeitung (.4alle Konsens) Nun wird zunächst eine ausführliche Schilderung des literarischen Verkehrs im Alterthum (Cap. V.) gegeben — (ein ganz vortreffliches Capitel, von über¬ raschend neuem Aufschluß über Buchhandel und das Verhältniß der Lesewelt zur Literatur, bis in das Kleinste. Resultat: der literarische Verkehr in jener Zeit war mindestens eben so lebendig, als in unserer). Darauf wird (Cap. VI.) Mo- " 16

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 7, 1848, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341561_276205/129>, abgerufen am 23.07.2024.