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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Deutschlands ein höchst zweifelhaftes Ergebniß gewesen sein würde. Dieser erste
Landtag war ein Versuch; und es ist gut, daß der Versuch nicht ganz gelun¬
gen, denn die Maschine würde sich sehr bald als eine in vieler Beziehung den
Bedürfnisse" nicht entsprechende bewährt haben. Die Fragestellung: Recht oder
Gnade, ist die Hauptsache. Das deutsche und preußische Volk wissen jetzt, wie
die Einen und die Andern sie beantworten, und nur ihm würde es zuzurechnen
sein, wenn diese Antwort schließlich uicht zu seinem Vortheile ausfällt.

Die Engländer sind klüger als die Franzosen, scheu tiefer in die deutschen
Zustände hinein, und so spricht denn die dortige Presse offen ans, was hier nur
Einzelne in kleinern, cingeweihtcrn Cirkeln ahnden. Die Times sagt ziemlich
klar: "Es ist gut, daß der Landtag mit einem Bruche endigte, denn nur so er¬
ringt man die Freiheit in den constitutionellen Institutionen." Wir denken im
Wesentlichen wie sie: Es ist Nichts verloren, Vieles gewonnen, denn Jeder weiß
heute, um was es sich handelt: Gnade oder Recht.


II.
Syndikus Karl Sieveking.

Heil dem Staate, der reich ist an Männern von hervorragender Intelligenz,
an bedeutenden Köpfen! -- Wenn da eine Geistcsfackcl erlischt, wenn ein
leuchtender Mensch untersinkt in die Nacht des Grabes, dann glänzen noch so
viele andere Größen rings umher, daß keine Abnahme der Helle im Lande zu
bemerken sein wird. -- Bei allem Respect vor Hamburgs merkantilischen Scharf¬
sinn, vor den ausgezeichneten Intelligenzen im Bereiche der Waaren, Ziffern und
Comptoire, wird doch Nicwand nnserm kleinen Freistaate ein so plumpes Kom¬
pliment machen und sagen können: der Tod eines Mannes wie Karl Sieveking
lasse keine Lücke merkbar werden in unserer geistigen Welt, habe uns nichts ent¬
rissen, wofür nicht, wie für jedes erste Mitglied an einer bedeutenden Bühne,
eine Doublette vorhanden sei. ES ist allerdings zu vermuthen, daß ein Theil
der seltenen Eigenschaften des Verstorbenen auf Diesen oder Jener aus dem jün¬
geren Stamm unserer tüchtigen Männer überging im Lauf der Jahre, während
welcher sie sich nach ihm heranbilden konnten. Sich speziell für die hiesigen Ver¬
hältnisse heranzubilden, dieses vor Allem hätte ihr Bestreben sein sollen -- hof¬
fentlich war es anch so. Sieveking verstand es vortrefflich, für sein Hamburg
mit echtem Nplomb und vieler innern Sicherheit, verbunden mit äußerer Würde
und dem nobelsten Wcltmannszuschuitte, aufzutreten. Eine solche Repräsentation
hätte auch einem großen Staate Ehre gemacht, eben weil sie den kleinen unter¬
geordneten nicht merkbar werden ließ. Seitdem die Feder oder das Wort der
Diplomaten Steigen und Fallen der Waagschaale bedingt, in die man ehemals
klirrende Schwerdter und Kanonenkugeln hineinwarf, um die Geschicke von Staa¬
ten und Völkern abzuwägen, seitdem sind deren gewandte, mit außergewöhnlichem
Talent begabte Vertreter ganz enorm in der Wertschätzung gestiegen. Man hätte
einen sehr schiefen Begriff von dem Verstorbenen (der bekanntlich Hamburgs und


Deutschlands ein höchst zweifelhaftes Ergebniß gewesen sein würde. Dieser erste
Landtag war ein Versuch; und es ist gut, daß der Versuch nicht ganz gelun¬
gen, denn die Maschine würde sich sehr bald als eine in vieler Beziehung den
Bedürfnisse» nicht entsprechende bewährt haben. Die Fragestellung: Recht oder
Gnade, ist die Hauptsache. Das deutsche und preußische Volk wissen jetzt, wie
die Einen und die Andern sie beantworten, und nur ihm würde es zuzurechnen
sein, wenn diese Antwort schließlich uicht zu seinem Vortheile ausfällt.

Die Engländer sind klüger als die Franzosen, scheu tiefer in die deutschen
Zustände hinein, und so spricht denn die dortige Presse offen ans, was hier nur
Einzelne in kleinern, cingeweihtcrn Cirkeln ahnden. Die Times sagt ziemlich
klar: „Es ist gut, daß der Landtag mit einem Bruche endigte, denn nur so er¬
ringt man die Freiheit in den constitutionellen Institutionen." Wir denken im
Wesentlichen wie sie: Es ist Nichts verloren, Vieles gewonnen, denn Jeder weiß
heute, um was es sich handelt: Gnade oder Recht.


II.
Syndikus Karl Sieveking.

Heil dem Staate, der reich ist an Männern von hervorragender Intelligenz,
an bedeutenden Köpfen! — Wenn da eine Geistcsfackcl erlischt, wenn ein
leuchtender Mensch untersinkt in die Nacht des Grabes, dann glänzen noch so
viele andere Größen rings umher, daß keine Abnahme der Helle im Lande zu
bemerken sein wird. — Bei allem Respect vor Hamburgs merkantilischen Scharf¬
sinn, vor den ausgezeichneten Intelligenzen im Bereiche der Waaren, Ziffern und
Comptoire, wird doch Nicwand nnserm kleinen Freistaate ein so plumpes Kom¬
pliment machen und sagen können: der Tod eines Mannes wie Karl Sieveking
lasse keine Lücke merkbar werden in unserer geistigen Welt, habe uns nichts ent¬
rissen, wofür nicht, wie für jedes erste Mitglied an einer bedeutenden Bühne,
eine Doublette vorhanden sei. ES ist allerdings zu vermuthen, daß ein Theil
der seltenen Eigenschaften des Verstorbenen auf Diesen oder Jener aus dem jün¬
geren Stamm unserer tüchtigen Männer überging im Lauf der Jahre, während
welcher sie sich nach ihm heranbilden konnten. Sich speziell für die hiesigen Ver¬
hältnisse heranzubilden, dieses vor Allem hätte ihr Bestreben sein sollen — hof¬
fentlich war es anch so. Sieveking verstand es vortrefflich, für sein Hamburg
mit echtem Nplomb und vieler innern Sicherheit, verbunden mit äußerer Würde
und dem nobelsten Wcltmannszuschuitte, aufzutreten. Eine solche Repräsentation
hätte auch einem großen Staate Ehre gemacht, eben weil sie den kleinen unter¬
geordneten nicht merkbar werden ließ. Seitdem die Feder oder das Wort der
Diplomaten Steigen und Fallen der Waagschaale bedingt, in die man ehemals
klirrende Schwerdter und Kanonenkugeln hineinwarf, um die Geschicke von Staa¬
ten und Völkern abzuwägen, seitdem sind deren gewandte, mit außergewöhnlichem
Talent begabte Vertreter ganz enorm in der Wertschätzung gestiegen. Man hätte
einen sehr schiefen Begriff von dem Verstorbenen (der bekanntlich Hamburgs und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/88>, abgerufen am 27.07.2024.