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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Einen Kamm scheeren zu wollen, diesen s-^Jen mure^Je von Josephs II. Cor-
poralsliberalismus dürste in unsern Tagen Niemand zu wiederholen denken"),
über die Cvnstitntionsscheu der österreichischen Fürsten, wozu einige pikante
Anecdoten erzählt werde"; erzählt ziemlich ausführlich die Geschichte "des
letzten Ritters", "des Ritters der Unwahrscheinlichsten" Maximilian I., pa-
raphrasirt das Thema:


Lslw gersnt sui, tu tslix ^ustria unde,
?^am, <zllav Nars aliis, äat tibi rexna ^grus,

geht dann auf die Zeit Karls des Großen über, spöttelt über die französische
Abkunft des Hauses Lothringen; dann folgt eine halbe Seite Gedankenstriche,
dann die Regierung der Babenberger -- Alles ohne Unterbrechung, in Ei¬
nem Flusse fort, daun eine Reihe von Versen aus der Braut von Messina,
dann der spanische Erbfolgekrieg u. s. w. Ich vermuthe, daß Tyrol und seiue
Geschichte der leitende Faden dieser Abhandlung sein soll, doch ist das eine
ziemlich kühne Conjectur, die ich zu beweisen nicht übernehme. Was aber
in die Augen springt, ist der durchgehende Haß gegen das Haus Oesterreich.
("Die gottseligeu Habsburger hatten bei ihrer in der Regel vorwiegenden
Mittelmäßigkeit, so wenig Ängstlichkeit in der Wahl ihrer Mittel, daß selbst
der fromme Pilgersmann nach Jerusalem und nach Rom, Friedrich IV.:
iclonei et multo corru^ti, >ne"lini ilrtv, Keatrieen solioli Susel^ientlae inlm-
dilizm ro<1"ki curavit, ut cke sua, suorumlzue, s>i Anteil.i8 sino söhnte "biret,
in solio IinnAitrico successions vo cortior lieiet." Nebenher wird das freie
Wahlrecht der Ungarn und Böhmen als rechtlich noch gültig verfochten.
Dann folgt die Geschichte des dreißigjährigen Krieges, aber eben auch nicht
der Reihenfolge nach. Verse aus Voltair und Schiller müssen dieselbe wür¬
zen. Dann sind wir plötzlich in der geheimen Justiz des Kaiser Leopold,
in den Türkenkriegen, in den geheimen Verhandlungen der spanischen Suc¬
cession. Um einen Begriff zu geben von der babylonischen Verwirrung die¬
ses Buches, greise ich hier eine Seite heraus, in der es ununterbrochen also
fortgeht: "Es haben schon einmal Franzosen und Halbfranzosen über Un¬
garn geherrscht, Anjou's und Luxemburg's '). Aus jenen war Karl Robert
muthvoll und staatsklug, Ludwig ein großer Mann, Sigismund hingegen
schön, liebenswürdig, freigebig, aber von heillosen Unbestand. -- Unter die
Habsburgischen Uuwahrscheinlichkeiteu gehört mich, daß kein Haus so viel



*) Warum die Lülzelburgcr Franzosen genannt werden, ist nicht abzusehen.
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Einen Kamm scheeren zu wollen, diesen s-^Jen mure^Je von Josephs II. Cor-
poralsliberalismus dürste in unsern Tagen Niemand zu wiederholen denken"),
über die Cvnstitntionsscheu der österreichischen Fürsten, wozu einige pikante
Anecdoten erzählt werde»; erzählt ziemlich ausführlich die Geschichte „des
letzten Ritters", „des Ritters der Unwahrscheinlichsten" Maximilian I., pa-
raphrasirt das Thema:


Lslw gersnt sui, tu tslix ^ustria unde,
?^am, <zllav Nars aliis, äat tibi rexna ^grus,

geht dann auf die Zeit Karls des Großen über, spöttelt über die französische
Abkunft des Hauses Lothringen; dann folgt eine halbe Seite Gedankenstriche,
dann die Regierung der Babenberger — Alles ohne Unterbrechung, in Ei¬
nem Flusse fort, daun eine Reihe von Versen aus der Braut von Messina,
dann der spanische Erbfolgekrieg u. s. w. Ich vermuthe, daß Tyrol und seiue
Geschichte der leitende Faden dieser Abhandlung sein soll, doch ist das eine
ziemlich kühne Conjectur, die ich zu beweisen nicht übernehme. Was aber
in die Augen springt, ist der durchgehende Haß gegen das Haus Oesterreich.
(„Die gottseligeu Habsburger hatten bei ihrer in der Regel vorwiegenden
Mittelmäßigkeit, so wenig Ängstlichkeit in der Wahl ihrer Mittel, daß selbst
der fromme Pilgersmann nach Jerusalem und nach Rom, Friedrich IV.:
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dilizm ro<1«ki curavit, ut cke sua, suorumlzue, s>i Anteil.i8 sino söhnte »biret,
in solio IinnAitrico successions vo cortior lieiet." Nebenher wird das freie
Wahlrecht der Ungarn und Böhmen als rechtlich noch gültig verfochten.
Dann folgt die Geschichte des dreißigjährigen Krieges, aber eben auch nicht
der Reihenfolge nach. Verse aus Voltair und Schiller müssen dieselbe wür¬
zen. Dann sind wir plötzlich in der geheimen Justiz des Kaiser Leopold,
in den Türkenkriegen, in den geheimen Verhandlungen der spanischen Suc¬
cession. Um einen Begriff zu geben von der babylonischen Verwirrung die¬
ses Buches, greise ich hier eine Seite heraus, in der es ununterbrochen also
fortgeht: „Es haben schon einmal Franzosen und Halbfranzosen über Un¬
garn geherrscht, Anjou's und Luxemburg's '). Aus jenen war Karl Robert
muthvoll und staatsklug, Ludwig ein großer Mann, Sigismund hingegen
schön, liebenswürdig, freigebig, aber von heillosen Unbestand. — Unter die
Habsburgischen Uuwahrscheinlichkeiteu gehört mich, daß kein Haus so viel



*) Warum die Lülzelburgcr Franzosen genannt werden, ist nicht abzusehen.
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[0079] Einen Kamm scheeren zu wollen, diesen s-^Jen mure^Je von Josephs II. Cor- poralsliberalismus dürste in unsern Tagen Niemand zu wiederholen denken"), über die Cvnstitntionsscheu der österreichischen Fürsten, wozu einige pikante Anecdoten erzählt werde»; erzählt ziemlich ausführlich die Geschichte „des letzten Ritters", „des Ritters der Unwahrscheinlichsten" Maximilian I., pa- raphrasirt das Thema: Lslw gersnt sui, tu tslix ^ustria unde, ?^am, <zllav Nars aliis, äat tibi rexna ^grus, geht dann auf die Zeit Karls des Großen über, spöttelt über die französische Abkunft des Hauses Lothringen; dann folgt eine halbe Seite Gedankenstriche, dann die Regierung der Babenberger — Alles ohne Unterbrechung, in Ei¬ nem Flusse fort, daun eine Reihe von Versen aus der Braut von Messina, dann der spanische Erbfolgekrieg u. s. w. Ich vermuthe, daß Tyrol und seiue Geschichte der leitende Faden dieser Abhandlung sein soll, doch ist das eine ziemlich kühne Conjectur, die ich zu beweisen nicht übernehme. Was aber in die Augen springt, ist der durchgehende Haß gegen das Haus Oesterreich. („Die gottseligeu Habsburger hatten bei ihrer in der Regel vorwiegenden Mittelmäßigkeit, so wenig Ängstlichkeit in der Wahl ihrer Mittel, daß selbst der fromme Pilgersmann nach Jerusalem und nach Rom, Friedrich IV.: iclonei et multo corru^ti, >ne«lini ilrtv, Keatrieen solioli Susel^ientlae inlm- dilizm ro<1«ki curavit, ut cke sua, suorumlzue, s>i Anteil.i8 sino söhnte »biret, in solio IinnAitrico successions vo cortior lieiet." Nebenher wird das freie Wahlrecht der Ungarn und Böhmen als rechtlich noch gültig verfochten. Dann folgt die Geschichte des dreißigjährigen Krieges, aber eben auch nicht der Reihenfolge nach. Verse aus Voltair und Schiller müssen dieselbe wür¬ zen. Dann sind wir plötzlich in der geheimen Justiz des Kaiser Leopold, in den Türkenkriegen, in den geheimen Verhandlungen der spanischen Suc¬ cession. Um einen Begriff zu geben von der babylonischen Verwirrung die¬ ses Buches, greise ich hier eine Seite heraus, in der es ununterbrochen also fortgeht: „Es haben schon einmal Franzosen und Halbfranzosen über Un¬ garn geherrscht, Anjou's und Luxemburg's '). Aus jenen war Karl Robert muthvoll und staatsklug, Ludwig ein großer Mann, Sigismund hingegen schön, liebenswürdig, freigebig, aber von heillosen Unbestand. — Unter die Habsburgischen Uuwahrscheinlichkeiteu gehört mich, daß kein Haus so viel *) Warum die Lülzelburgcr Franzosen genannt werden, ist nicht abzusehen. Geer,I>»den. I». l 0

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/79>, abgerufen am 28.07.2024.