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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Polizei in den Regimentern, der Mangel an Bildung, der selbst unter
den Offizieren herrschen soll, die Excesse, die von Seiten des Militärs
gegen den Bürger vorkommen, die Brutalität des Strassystems, die
Unzulänglichkeit und die Willkür des Pcnsionswesens -- das alles sind
Uebelstände, die, wenn jene Berichte wahr sind, wohl zu Reformen ver¬
anlassen sollten. "Weit entfernt, die fortschreitende Ausbildung der Armeen
und deren Waffenübungen im Großen wie im Kleinen verwerfen zu wollen,
halte ich nur dafür, daß, wenn schon stehende Heere sein müssen, alle
Anstrengungen zu erhöhter militärischen Wissenschaft und Schlagfertigkeit
nur dann nutzbringend sein können, wenn das Volk, das die Reihen der
Armee bildet, im Falle des Krieges mit Bewußtsein seiner Rechte, mit
dem Gefühl der Heiligkeit wie der Gerechtigkeit des Kampfes, der nicht
nur in des Monarchen, sondern anch in des Landes eignem empfundenen
Interesse liegen muß, zu diesem Kampfe zieht."

4) Anemonen aus dem Tagebuch eines alten PilgcrsmannS.
* 4 Bde. Jena 1845 -- 47. Frommaim.

Diese Schrift ist unter all' den angeführten Schriften diejenige, die sich der
meisten Verbreitung und des größten Rufes erfreut, zum Theil des mannig¬
fachen Materials halber, das darin gegeben wird, vor Allem aber wohl we¬
gen ihrer bissigen Angriffe anf das Haus Oesterreich. Das Bissige ist im¬
mer pikant. Wenn mau das Buch ansieht, so müßte man zunächst fragen,
für wen ist es eigentlich geschrieben? was hat es für einen Zweck? Und
da fällt die Antwort schwer. Es sind Collectaneen, wie man sie zu seiner
eignen Belehrung zur Unterstützung seines Gedächtnisses wohl sammelt, hi¬
storische Notizen, Urkunden, genealogische Tafeln u. s. w., auf die seltsamste
Weise mit Versen ans Schiller, Shakespeare, Körner, Uhland u. s. w. durch¬
spickt, und von Bemerkungen, die in dem seltsamsten, buntscheckigen Styl*)



*) Einzelne Beispiele, auf gut Glück herausgegriffen. "Ein zu Wien besonders ver-
hängnißvoll gedeutetes und ungeprägtes Wort ist die vom Pfäfflein Talleyrand dem
Congreßwallsisch vorgeworfene Legitimitätstonne." "Dem sich entgegenstellenden Haufe"
fränkischer Bischöfler marschirte Mayer kurzweg über ihren Bauch nach Böhmen mit
reicher Beute, indessen das heilige römische Reich, oder vielmehr römisch-arm, die Don¬
nerkeile Napoleon'S und Jerome's gegen Stein, Braunschweig, Schill, Chastcler und
Hormayr anticipirend, den momens Mayer, angeblich General in preußischen Diensten,
als einen Bösewicht und Olot >!" bi-ixanlls und seine Truppe als vagabundirendes

Polizei in den Regimentern, der Mangel an Bildung, der selbst unter
den Offizieren herrschen soll, die Excesse, die von Seiten des Militärs
gegen den Bürger vorkommen, die Brutalität des Strassystems, die
Unzulänglichkeit und die Willkür des Pcnsionswesens — das alles sind
Uebelstände, die, wenn jene Berichte wahr sind, wohl zu Reformen ver¬
anlassen sollten. „Weit entfernt, die fortschreitende Ausbildung der Armeen
und deren Waffenübungen im Großen wie im Kleinen verwerfen zu wollen,
halte ich nur dafür, daß, wenn schon stehende Heere sein müssen, alle
Anstrengungen zu erhöhter militärischen Wissenschaft und Schlagfertigkeit
nur dann nutzbringend sein können, wenn das Volk, das die Reihen der
Armee bildet, im Falle des Krieges mit Bewußtsein seiner Rechte, mit
dem Gefühl der Heiligkeit wie der Gerechtigkeit des Kampfes, der nicht
nur in des Monarchen, sondern anch in des Landes eignem empfundenen
Interesse liegen muß, zu diesem Kampfe zieht."

4) Anemonen aus dem Tagebuch eines alten PilgcrsmannS.
* 4 Bde. Jena 1845 — 47. Frommaim.

Diese Schrift ist unter all' den angeführten Schriften diejenige, die sich der
meisten Verbreitung und des größten Rufes erfreut, zum Theil des mannig¬
fachen Materials halber, das darin gegeben wird, vor Allem aber wohl we¬
gen ihrer bissigen Angriffe anf das Haus Oesterreich. Das Bissige ist im¬
mer pikant. Wenn mau das Buch ansieht, so müßte man zunächst fragen,
für wen ist es eigentlich geschrieben? was hat es für einen Zweck? Und
da fällt die Antwort schwer. Es sind Collectaneen, wie man sie zu seiner
eignen Belehrung zur Unterstützung seines Gedächtnisses wohl sammelt, hi¬
storische Notizen, Urkunden, genealogische Tafeln u. s. w., auf die seltsamste
Weise mit Versen ans Schiller, Shakespeare, Körner, Uhland u. s. w. durch¬
spickt, und von Bemerkungen, die in dem seltsamsten, buntscheckigen Styl*)



*) Einzelne Beispiele, auf gut Glück herausgegriffen. „Ein zu Wien besonders ver-
hängnißvoll gedeutetes und ungeprägtes Wort ist die vom Pfäfflein Talleyrand dem
Congreßwallsisch vorgeworfene Legitimitätstonne." „Dem sich entgegenstellenden Haufe»
fränkischer Bischöfler marschirte Mayer kurzweg über ihren Bauch nach Böhmen mit
reicher Beute, indessen das heilige römische Reich, oder vielmehr römisch-arm, die Don¬
nerkeile Napoleon'S und Jerome's gegen Stein, Braunschweig, Schill, Chastcler und
Hormayr anticipirend, den momens Mayer, angeblich General in preußischen Diensten,
als einen Bösewicht und Olot >!« bi-ixanlls und seine Truppe als vagabundirendes
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/77>, abgerufen am 28.07.2024.