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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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ten Flintenkolben auf den Steinen der Hausflur und eine Grenzjägerpatrouille
trat herein. Der Commissair, dessen Anwesenheit sie draußen erfahren hat¬
ten, ging mit dem Oberjäger vor die Thüre, dort stand ein Mann mit einer
Hucke auf dem Rücken, bei dem ein Jäger Wache hielt. Die Patrouille hatte
den armen Kerl mit Zucker und Tabak im Walde aufgegriffen und erhielt nnn
den Befehl, ihn ungesäumt in die Caserne zu schaffen, wo auch Karl seiner
Strafe entgegensah. Der arme Bursche hatte seinen Staat abgelegt und
saß traurig in der flüstern Stube, den Kops in die Hand gestützt. "Wohin
das freie Studentenleben im alten Prag?" dachte er, "im Seminar wär' es
lange nicht so mühselig und strenge, wie im Wachdienst" -- aber da dachte
er an die braunhaarige Pepi, und sein Kummer wurde sogleich gemildert.
Sie hatte so voll und schmiegsam in seinem Arm gelegen, er hatte ihre
Hand und sie herzhaft an seine Brust gedrückt, als er sie fahren ließ und
trotzdem, daß er auf eine strenge Strafe gefaßt sein mußte und alle Hoff¬
nung, bald zum Oberjäger zu avauciren dahin war, tröstete er sich über
sein Mißgeschick, denn Pepi, das sagte eine jubelnde Stimme in seinem Her¬
zen, war ihm gewonnen. Er dachte im Augenblick gar nicht daran, daß ihm
eine Strafe bevorstehen könne, die schmerzlicher als Arrest und Krnmmschlie-
ßen sei, -- nämlich Versetzung auf einen andern Posten des Gebirgs, Mei¬
lenweit entfernt vou der grauen Baude des Paschhampels und vom Sankt
Peterskirchlein unterm Ziegenrücken, wo er Pepi mindestens am Sonntage
sehen konnte.

Die Patrouille mit dein Arrestanten langte an, an ihrer Spitze der
Commissair, dem mit einer Laterne vorgeleuchtet und dessen Pferd von einem
Jäger am Zügel geführt wurde. Die kurz vorher noch so einsame Stube
erhielt nun ein belebtes Aussehen: ein Paar Lichter wurden angesteckt, der
Commissair nahm ein kurzes Verhör mit dem Pascher vor, versprach ihm ei¬
nige Schock Prügel, und schickte den armen Teufel aufs Neue fort zum
Zollamte, wo erst ein außerordentliches Verhör mit ihm aufgenommen wer¬
den sollte und als dieser in Begleitung eines Jägers, der seine Büchse frisch
lud und das Bajonett aussteckte leise schluchzend abgegangen war, wandte er
sich mit einem Gesicht, als ob er ihn einschlucken wollte, zu dem andern De¬
linquenten.

(Zweite Abtheilung im nächsten Hefte.)




ten Flintenkolben auf den Steinen der Hausflur und eine Grenzjägerpatrouille
trat herein. Der Commissair, dessen Anwesenheit sie draußen erfahren hat¬
ten, ging mit dem Oberjäger vor die Thüre, dort stand ein Mann mit einer
Hucke auf dem Rücken, bei dem ein Jäger Wache hielt. Die Patrouille hatte
den armen Kerl mit Zucker und Tabak im Walde aufgegriffen und erhielt nnn
den Befehl, ihn ungesäumt in die Caserne zu schaffen, wo auch Karl seiner
Strafe entgegensah. Der arme Bursche hatte seinen Staat abgelegt und
saß traurig in der flüstern Stube, den Kops in die Hand gestützt. „Wohin
das freie Studentenleben im alten Prag?" dachte er, „im Seminar wär' es
lange nicht so mühselig und strenge, wie im Wachdienst" — aber da dachte
er an die braunhaarige Pepi, und sein Kummer wurde sogleich gemildert.
Sie hatte so voll und schmiegsam in seinem Arm gelegen, er hatte ihre
Hand und sie herzhaft an seine Brust gedrückt, als er sie fahren ließ und
trotzdem, daß er auf eine strenge Strafe gefaßt sein mußte und alle Hoff¬
nung, bald zum Oberjäger zu avauciren dahin war, tröstete er sich über
sein Mißgeschick, denn Pepi, das sagte eine jubelnde Stimme in seinem Her¬
zen, war ihm gewonnen. Er dachte im Augenblick gar nicht daran, daß ihm
eine Strafe bevorstehen könne, die schmerzlicher als Arrest und Krnmmschlie-
ßen sei, — nämlich Versetzung auf einen andern Posten des Gebirgs, Mei¬
lenweit entfernt vou der grauen Baude des Paschhampels und vom Sankt
Peterskirchlein unterm Ziegenrücken, wo er Pepi mindestens am Sonntage
sehen konnte.

Die Patrouille mit dein Arrestanten langte an, an ihrer Spitze der
Commissair, dem mit einer Laterne vorgeleuchtet und dessen Pferd von einem
Jäger am Zügel geführt wurde. Die kurz vorher noch so einsame Stube
erhielt nun ein belebtes Aussehen: ein Paar Lichter wurden angesteckt, der
Commissair nahm ein kurzes Verhör mit dem Pascher vor, versprach ihm ei¬
nige Schock Prügel, und schickte den armen Teufel aufs Neue fort zum
Zollamte, wo erst ein außerordentliches Verhör mit ihm aufgenommen wer¬
den sollte und als dieser in Begleitung eines Jägers, der seine Büchse frisch
lud und das Bajonett aussteckte leise schluchzend abgegangen war, wandte er
sich mit einem Gesicht, als ob er ihn einschlucken wollte, zu dem andern De¬
linquenten.

(Zweite Abtheilung im nächsten Hefte.)




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[0064] ten Flintenkolben auf den Steinen der Hausflur und eine Grenzjägerpatrouille trat herein. Der Commissair, dessen Anwesenheit sie draußen erfahren hat¬ ten, ging mit dem Oberjäger vor die Thüre, dort stand ein Mann mit einer Hucke auf dem Rücken, bei dem ein Jäger Wache hielt. Die Patrouille hatte den armen Kerl mit Zucker und Tabak im Walde aufgegriffen und erhielt nnn den Befehl, ihn ungesäumt in die Caserne zu schaffen, wo auch Karl seiner Strafe entgegensah. Der arme Bursche hatte seinen Staat abgelegt und saß traurig in der flüstern Stube, den Kops in die Hand gestützt. „Wohin das freie Studentenleben im alten Prag?" dachte er, „im Seminar wär' es lange nicht so mühselig und strenge, wie im Wachdienst" — aber da dachte er an die braunhaarige Pepi, und sein Kummer wurde sogleich gemildert. Sie hatte so voll und schmiegsam in seinem Arm gelegen, er hatte ihre Hand und sie herzhaft an seine Brust gedrückt, als er sie fahren ließ und trotzdem, daß er auf eine strenge Strafe gefaßt sein mußte und alle Hoff¬ nung, bald zum Oberjäger zu avauciren dahin war, tröstete er sich über sein Mißgeschick, denn Pepi, das sagte eine jubelnde Stimme in seinem Her¬ zen, war ihm gewonnen. Er dachte im Augenblick gar nicht daran, daß ihm eine Strafe bevorstehen könne, die schmerzlicher als Arrest und Krnmmschlie- ßen sei, — nämlich Versetzung auf einen andern Posten des Gebirgs, Mei¬ lenweit entfernt vou der grauen Baude des Paschhampels und vom Sankt Peterskirchlein unterm Ziegenrücken, wo er Pepi mindestens am Sonntage sehen konnte. Die Patrouille mit dein Arrestanten langte an, an ihrer Spitze der Commissair, dem mit einer Laterne vorgeleuchtet und dessen Pferd von einem Jäger am Zügel geführt wurde. Die kurz vorher noch so einsame Stube erhielt nun ein belebtes Aussehen: ein Paar Lichter wurden angesteckt, der Commissair nahm ein kurzes Verhör mit dem Pascher vor, versprach ihm ei¬ nige Schock Prügel, und schickte den armen Teufel aufs Neue fort zum Zollamte, wo erst ein außerordentliches Verhör mit ihm aufgenommen wer¬ den sollte und als dieser in Begleitung eines Jägers, der seine Büchse frisch lud und das Bajonett aussteckte leise schluchzend abgegangen war, wandte er sich mit einem Gesicht, als ob er ihn einschlucken wollte, zu dem andern De¬ linquenten. (Zweite Abtheilung im nächsten Hefte.)

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/64>, abgerufen am 01.09.2024.