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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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dafür desto freundlicher. Es war zum ersten Mal, daß ihr ein Mann Wort
gehalten hatte, das erste Selbstgefühl ihres Lebens machte sie glücklich, wenn
es anch ein noch halb unbewußtes war.

Ein Prager Student kann zuweilen nichts beim Examen, aber tanzen
kann er gewiß. -- Das liegt im Blut, das ist ein so angeborenes Geschick,
wie das für Musik. Ach wie wohl war Pepi zu Muth, als sie so leicht
gehoben von seinem Arm durch das große Zimmer wirbelte; das war freilich
ein anderes Tanzen als mit dem stolpernden Pfcrdehannes. Hochanfathmend
und erglühend stellte sie Karl neben den Vater hin, selbst außer Athem und
das glühende Gesicht wischend -- da blies die Klarinette einen langen fal¬
schen Ton, die Trompete verstummte und als alle umsahen, stand der Herr
Commissair mit einem rothen zornigen Gesicht mitten in der Stube, die
Gerte in der Hand schwingend lind suchte mit den funkelnden Augen in al¬
len Winkeln herum. Endlich blieben seine Blicke auf Karl haften, dem der
Schreck alle Rothe aus den Wangen getrieben hatte, und der mechanisch den
abgelegten Säbel nnihing. "Also darum haben Sie sich so aufgeputzt!"
sagte die Stirne gräulich runzelnd der Commissair, "lind haben die Caserne
allein gelassen? Gleich packen Sie sich nach Hause. Sie haben drei Tage
Arrest, das andere wird sich anch finden! Sie fangen gut an!"

Karl beschämt und die spöttischen Gesichter ringsum, die dem Grenz¬
jäger, der ihre Eifersucht bereits erregt hatte, die Strafe von Herzen gönnten,
wohl bemerkend warf einen Blick aus Pepi und es that ihm wohl, daß auch
sie blaß und betroffen war. Sie ahnte, daß Karl um ihretwillen leide, und
war zum Weinen traurig, als sie sah, wie er an die Mütze griff und hin¬
ausging, während Alles um sie her schadenfroh flüsterte und kicherte.

"Dem Huildekerl geschieht schou Recht!" murmelte giftig ein Bursch
dem Paschhampel zu, über dessen Gesicht ein Zucken boshafter Freude flog.
Der Commissair fixirte nun anch den Paschhampel mit seinen durchdringen¬
den Augen, aber während Alles stand und schwieg, sogar der Herr Pfarrer
Platz machte und den Commissair einen Stuhl bot, blieb der Hampel sitzen
und blickte gleichmüthig ans seine Pfeife, ans der ruckweise die dicken dun¬
kelgrauen Wolken stiegen. Der Commissair setzte sich und sprach leise
mit dem Pfarrer -- während dessen stand der Hampel auf und ging zur
Thüre hinaus. Er blickte mit den salkenhelleu Augen rundum, in der Tiefe
flimmerten die Lichter deö Zollamtes, iir den meiste" Banden war es finster,
denn wenn der Tag um vier Uhr beginnt, gehen die Leute mit den Hühnern
schlafen. Er horchte nach dem Wind, und kehrte dann in die Stube zurück.
Sein Ohr hatte ihn nicht getäuscht, es dauerte keine Viertelstunde, so llirr-


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dafür desto freundlicher. Es war zum ersten Mal, daß ihr ein Mann Wort
gehalten hatte, das erste Selbstgefühl ihres Lebens machte sie glücklich, wenn
es anch ein noch halb unbewußtes war.

Ein Prager Student kann zuweilen nichts beim Examen, aber tanzen
kann er gewiß. — Das liegt im Blut, das ist ein so angeborenes Geschick,
wie das für Musik. Ach wie wohl war Pepi zu Muth, als sie so leicht
gehoben von seinem Arm durch das große Zimmer wirbelte; das war freilich
ein anderes Tanzen als mit dem stolpernden Pfcrdehannes. Hochanfathmend
und erglühend stellte sie Karl neben den Vater hin, selbst außer Athem und
das glühende Gesicht wischend — da blies die Klarinette einen langen fal¬
schen Ton, die Trompete verstummte und als alle umsahen, stand der Herr
Commissair mit einem rothen zornigen Gesicht mitten in der Stube, die
Gerte in der Hand schwingend lind suchte mit den funkelnden Augen in al¬
len Winkeln herum. Endlich blieben seine Blicke auf Karl haften, dem der
Schreck alle Rothe aus den Wangen getrieben hatte, und der mechanisch den
abgelegten Säbel nnihing. „Also darum haben Sie sich so aufgeputzt!"
sagte die Stirne gräulich runzelnd der Commissair, „lind haben die Caserne
allein gelassen? Gleich packen Sie sich nach Hause. Sie haben drei Tage
Arrest, das andere wird sich anch finden! Sie fangen gut an!"

Karl beschämt und die spöttischen Gesichter ringsum, die dem Grenz¬
jäger, der ihre Eifersucht bereits erregt hatte, die Strafe von Herzen gönnten,
wohl bemerkend warf einen Blick aus Pepi und es that ihm wohl, daß auch
sie blaß und betroffen war. Sie ahnte, daß Karl um ihretwillen leide, und
war zum Weinen traurig, als sie sah, wie er an die Mütze griff und hin¬
ausging, während Alles um sie her schadenfroh flüsterte und kicherte.

„Dem Huildekerl geschieht schou Recht!" murmelte giftig ein Bursch
dem Paschhampel zu, über dessen Gesicht ein Zucken boshafter Freude flog.
Der Commissair fixirte nun anch den Paschhampel mit seinen durchdringen¬
den Augen, aber während Alles stand und schwieg, sogar der Herr Pfarrer
Platz machte und den Commissair einen Stuhl bot, blieb der Hampel sitzen
und blickte gleichmüthig ans seine Pfeife, ans der ruckweise die dicken dun¬
kelgrauen Wolken stiegen. Der Commissair setzte sich und sprach leise
mit dem Pfarrer — während dessen stand der Hampel auf und ging zur
Thüre hinaus. Er blickte mit den salkenhelleu Augen rundum, in der Tiefe
flimmerten die Lichter deö Zollamtes, iir den meiste» Banden war es finster,
denn wenn der Tag um vier Uhr beginnt, gehen die Leute mit den Hühnern
schlafen. Er horchte nach dem Wind, und kehrte dann in die Stube zurück.
Sein Ohr hatte ihn nicht getäuscht, es dauerte keine Viertelstunde, so llirr-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/63>, abgerufen am 01.09.2024.