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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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widerstanden und Pepi ihre Erlaubniß gegeben habe, an der heutigen Hoch¬
zeit zu tanzen. Aber der Paschhampel selber ging mit und ließ sein Töch¬
terlein neben sich setzen. Er hatte die Woche gute Einnahme gehabt und
wollte sich auch eine Lust machen, wie er sagte. Die Wirthshausleute hatten
die Stube mit grünem Reisig ausstaffirt und die Musikanten empfingen
den Hampel und sein Töchterlein mit einem schallenden Tusch. Die Bursche,
die sie heute zum ersten Male im Putz, ohne das verhüllende Kopftuch,
Hierlandes "Kitze" genannt, erblickten, stießen sich mit dem Ellbogen an und
flüsterten: "Saht ok fast, wie der'der Zippel schilt flieht, das is veter su a
disch Madla!" die Weiber nahmen die schöne Pepi nicht ohne einige Em¬
pfindlichkeit in ihre Mitte, nur die Braut, die ihren Pferdehannes wie ein Schaf
am Leitseile hinter sich zog, umarmte sie mit aller Herzlichkeit, und der Han-
nes, der in seiner Freude wie sein Schimmel wieherte, sprang mit ihr in
die Mitte, nachdem er den Musikanten ein gebieterisches "Ufspiclen!" zuge¬
rufen hatte.

Es gibt gewisse Künste und Geschicklichkeiten, welche sich die Mädchen
mit unbegreiflicher Leichtigkeit aneignen nud darunter gehört das Tanzen.
Pepi hatte in ihren Leben nie einen Schritt getanzt, aber sie begriff es so¬
gar mit dem ungeschickten Hannes so gut, daß der Herr Pfarrer, in dessen
Nahe der Hampel sich gesetzt, seinem ehemaligen Schulkinde beifällig zunickte
und ausrief: "Seht nur Hampel! wie das gut geht! die könnte in der
Stadt tanzen!" -- "I un passirt Hochwürden" antwortete der geschmeichelte
Paschhampel, "solche Dinge lernen die Weibsbilder alle Mal am schnellsten,
mit a Händen gibts en a su flink, als wie mit a Beeren!" Pepi tanzte
nun mit ein Paar andern Burschen, zu allseitiger Zufriedenheit, aber so oft
sie an der Thüre vorbeikam, blickte sie immer aus, ob uicht der schlanke
Grenzjäger da sei, von dem ihr der Jnstinct sagte, daß er noch viel besser
tanzen müsse, als alle die Tölpel da in ihren hohen Stiefeln, die so nach
Schmeer rochen!

Endlich erhob sich mitten im Tanze draußen ein Geräusch -- es funkelte
etwas in der dunklen Thüre, das war Karl's Mütze mit dem gelben Adler.
Er sah wirklich recht hübsch ans und obwohl der Grenzjäger allenthalben
ein unwillkommener Gast ist, so machen doch die Mädchen und Weiber an
Tanzabenden eine Ausnahme, denn der Jäger ist in der Regel flinker und
geschulter, als die einheimischen Bursche. Der Paschhampel machte zwar ein
finsteres Gesicht, als einer von den verhaßten "Schwefelkerlen", zu welcher
liebevollen Bezeichnung die gelben Aufschläge der Jäger Veranlassung gege¬
ben, sein Töchterlein ergriff und mit ihr in die Reihen trat, aber Pepi war


widerstanden und Pepi ihre Erlaubniß gegeben habe, an der heutigen Hoch¬
zeit zu tanzen. Aber der Paschhampel selber ging mit und ließ sein Töch¬
terlein neben sich setzen. Er hatte die Woche gute Einnahme gehabt und
wollte sich auch eine Lust machen, wie er sagte. Die Wirthshausleute hatten
die Stube mit grünem Reisig ausstaffirt und die Musikanten empfingen
den Hampel und sein Töchterlein mit einem schallenden Tusch. Die Bursche,
die sie heute zum ersten Male im Putz, ohne das verhüllende Kopftuch,
Hierlandes „Kitze" genannt, erblickten, stießen sich mit dem Ellbogen an und
flüsterten: „Saht ok fast, wie der'der Zippel schilt flieht, das is veter su a
disch Madla!" die Weiber nahmen die schöne Pepi nicht ohne einige Em¬
pfindlichkeit in ihre Mitte, nur die Braut, die ihren Pferdehannes wie ein Schaf
am Leitseile hinter sich zog, umarmte sie mit aller Herzlichkeit, und der Han-
nes, der in seiner Freude wie sein Schimmel wieherte, sprang mit ihr in
die Mitte, nachdem er den Musikanten ein gebieterisches „Ufspiclen!" zuge¬
rufen hatte.

Es gibt gewisse Künste und Geschicklichkeiten, welche sich die Mädchen
mit unbegreiflicher Leichtigkeit aneignen nud darunter gehört das Tanzen.
Pepi hatte in ihren Leben nie einen Schritt getanzt, aber sie begriff es so¬
gar mit dem ungeschickten Hannes so gut, daß der Herr Pfarrer, in dessen
Nahe der Hampel sich gesetzt, seinem ehemaligen Schulkinde beifällig zunickte
und ausrief: „Seht nur Hampel! wie das gut geht! die könnte in der
Stadt tanzen!" — „I un passirt Hochwürden" antwortete der geschmeichelte
Paschhampel, „solche Dinge lernen die Weibsbilder alle Mal am schnellsten,
mit a Händen gibts en a su flink, als wie mit a Beeren!" Pepi tanzte
nun mit ein Paar andern Burschen, zu allseitiger Zufriedenheit, aber so oft
sie an der Thüre vorbeikam, blickte sie immer aus, ob uicht der schlanke
Grenzjäger da sei, von dem ihr der Jnstinct sagte, daß er noch viel besser
tanzen müsse, als alle die Tölpel da in ihren hohen Stiefeln, die so nach
Schmeer rochen!

Endlich erhob sich mitten im Tanze draußen ein Geräusch — es funkelte
etwas in der dunklen Thüre, das war Karl's Mütze mit dem gelben Adler.
Er sah wirklich recht hübsch ans und obwohl der Grenzjäger allenthalben
ein unwillkommener Gast ist, so machen doch die Mädchen und Weiber an
Tanzabenden eine Ausnahme, denn der Jäger ist in der Regel flinker und
geschulter, als die einheimischen Bursche. Der Paschhampel machte zwar ein
finsteres Gesicht, als einer von den verhaßten „Schwefelkerlen", zu welcher
liebevollen Bezeichnung die gelben Aufschläge der Jäger Veranlassung gege¬
ben, sein Töchterlein ergriff und mit ihr in die Reihen trat, aber Pepi war


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[0062] widerstanden und Pepi ihre Erlaubniß gegeben habe, an der heutigen Hoch¬ zeit zu tanzen. Aber der Paschhampel selber ging mit und ließ sein Töch¬ terlein neben sich setzen. Er hatte die Woche gute Einnahme gehabt und wollte sich auch eine Lust machen, wie er sagte. Die Wirthshausleute hatten die Stube mit grünem Reisig ausstaffirt und die Musikanten empfingen den Hampel und sein Töchterlein mit einem schallenden Tusch. Die Bursche, die sie heute zum ersten Male im Putz, ohne das verhüllende Kopftuch, Hierlandes „Kitze" genannt, erblickten, stießen sich mit dem Ellbogen an und flüsterten: „Saht ok fast, wie der'der Zippel schilt flieht, das is veter su a disch Madla!" die Weiber nahmen die schöne Pepi nicht ohne einige Em¬ pfindlichkeit in ihre Mitte, nur die Braut, die ihren Pferdehannes wie ein Schaf am Leitseile hinter sich zog, umarmte sie mit aller Herzlichkeit, und der Han- nes, der in seiner Freude wie sein Schimmel wieherte, sprang mit ihr in die Mitte, nachdem er den Musikanten ein gebieterisches „Ufspiclen!" zuge¬ rufen hatte. Es gibt gewisse Künste und Geschicklichkeiten, welche sich die Mädchen mit unbegreiflicher Leichtigkeit aneignen nud darunter gehört das Tanzen. Pepi hatte in ihren Leben nie einen Schritt getanzt, aber sie begriff es so¬ gar mit dem ungeschickten Hannes so gut, daß der Herr Pfarrer, in dessen Nahe der Hampel sich gesetzt, seinem ehemaligen Schulkinde beifällig zunickte und ausrief: „Seht nur Hampel! wie das gut geht! die könnte in der Stadt tanzen!" — „I un passirt Hochwürden" antwortete der geschmeichelte Paschhampel, „solche Dinge lernen die Weibsbilder alle Mal am schnellsten, mit a Händen gibts en a su flink, als wie mit a Beeren!" Pepi tanzte nun mit ein Paar andern Burschen, zu allseitiger Zufriedenheit, aber so oft sie an der Thüre vorbeikam, blickte sie immer aus, ob uicht der schlanke Grenzjäger da sei, von dem ihr der Jnstinct sagte, daß er noch viel besser tanzen müsse, als alle die Tölpel da in ihren hohen Stiefeln, die so nach Schmeer rochen! Endlich erhob sich mitten im Tanze draußen ein Geräusch — es funkelte etwas in der dunklen Thüre, das war Karl's Mütze mit dem gelben Adler. Er sah wirklich recht hübsch ans und obwohl der Grenzjäger allenthalben ein unwillkommener Gast ist, so machen doch die Mädchen und Weiber an Tanzabenden eine Ausnahme, denn der Jäger ist in der Regel flinker und geschulter, als die einheimischen Bursche. Der Paschhampel machte zwar ein finsteres Gesicht, als einer von den verhaßten „Schwefelkerlen", zu welcher liebevollen Bezeichnung die gelben Aufschläge der Jäger Veranlassung gege¬ ben, sein Töchterlein ergriff und mit ihr in die Reihen trat, aber Pepi war

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/62>, abgerufen am 01.09.2024.