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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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ein starker, bärtiger Mann hereintrat, den der blanke Schleppsäbel und die
Mütze mit silberner Decoration als einen der Compagnietyrannen, den
Herrn Commissair des Bezirkes kenntlich machten. Der arme Karl erschrak
bis in den Magen, als der braune Holofernes, hochaufgerichtet wie ein Mast¬
baum, mit seiner rauhen, kratzigen Stimme anfing: "Na, was lecken Sie sich
wie eine Katze? was soll denn das? wollen Sie in Schuhen und Strümpfen
auf Patrouille gehn?" -- Karl stotterte einige Worte, "daß er zu Hause
geblieben sei, weil ihm ganz unwohl geworden" -- holte seufzend das Dienst¬
buch herbei, in dem der Commissair blätterte, und fuhr mittlerweile in den
grünen Waffenrock, und das rauhe Zeug, das alle seine Toilettenkünste mit
ein Mal wieder zu uicht machte.

"Nichts passirt?" -- "Nichts Herr Commissair!" -- "Ihr seid entweder
faul oder dünnn," sagte dieser die Beine ausstreckend und faltete die Hände
auf dem Säbelgriff, "von diesem Posten ist seit vierzehn Tagen kein An¬
stand gemacht worden! ich werde die ganze Mannschaft versetzen! Wissen Sie
schon etwas von den Dienstvorschriften? Sie als ein gewesener Student
sollten das schon im kleinen Finger haben! --- was ist denn das?" fuhr er
mit einem Male auf, "was hat denn der Oberjäger da für eine Vorschrei¬
bung gemacht! Tausend Sakerment! was soll denn das bedeuten?" --
"Bitte gehorsamst, was denn?" -- Der Commissair warf einen durchdrin¬
genden Blick auf den Grenzjäger, schlug das Buch zu und wandte sich zum
Abgehen. "Sagen Sie dem Oberjäger, daß ich ihm nächstens wie einem
Betty---r den Kopf waschen werde! Und Sie -- daß Sie sich nicht fort¬
rühren, das sage ich Ihnen!"

Die Thür flog zu, Karl begleitete aufathmend den strengen Herrn bis
zu seinem Pferde, half ihm in den Sattel und machte vorschriftsmäßig Front,
als jener mit einem derben Gertenhicb seine Stute aufmunternd, in kurzem
Trab davouritt. Der Commissair nahm die Richtung, die er gekommen war.
Karl horchte noch eine Zeitlang auf die klappernden Husschläge im Walde
und dann kehrte er eilfertig in die Caserne zurück, und suchte das Versäumte
nachzuholen. Es war schon ziemlich spät, der Tanz mußte längst begonnen
haben, in's Wirthshaus hatte er eine gute halbe Stunde zu laufen und so
flog er in seine Gallabeinkleider, band das seidene schwarze Tuch um den
Hals, nachdem er den weißen Hemdkragen studentisch genial umgebogen hatte
und knöpfte nun den knappen Waffenrock zu, der seinen Staat vollendete.
Der Säbel wurde umgehangen, die Thüre versperrt, der Nachbar erhielt
den Schlüssel und Karl machte sich auf den Weg. Er hatte schon erfahren,
daß die Paschhamplin dem Andringen des Hannes und der Threse nicht


ein starker, bärtiger Mann hereintrat, den der blanke Schleppsäbel und die
Mütze mit silberner Decoration als einen der Compagnietyrannen, den
Herrn Commissair des Bezirkes kenntlich machten. Der arme Karl erschrak
bis in den Magen, als der braune Holofernes, hochaufgerichtet wie ein Mast¬
baum, mit seiner rauhen, kratzigen Stimme anfing: „Na, was lecken Sie sich
wie eine Katze? was soll denn das? wollen Sie in Schuhen und Strümpfen
auf Patrouille gehn?" — Karl stotterte einige Worte, „daß er zu Hause
geblieben sei, weil ihm ganz unwohl geworden" — holte seufzend das Dienst¬
buch herbei, in dem der Commissair blätterte, und fuhr mittlerweile in den
grünen Waffenrock, und das rauhe Zeug, das alle seine Toilettenkünste mit
ein Mal wieder zu uicht machte.

„Nichts passirt?" — „Nichts Herr Commissair!" — „Ihr seid entweder
faul oder dünnn," sagte dieser die Beine ausstreckend und faltete die Hände
auf dem Säbelgriff, „von diesem Posten ist seit vierzehn Tagen kein An¬
stand gemacht worden! ich werde die ganze Mannschaft versetzen! Wissen Sie
schon etwas von den Dienstvorschriften? Sie als ein gewesener Student
sollten das schon im kleinen Finger haben! —- was ist denn das?" fuhr er
mit einem Male auf, „was hat denn der Oberjäger da für eine Vorschrei¬
bung gemacht! Tausend Sakerment! was soll denn das bedeuten?" —
„Bitte gehorsamst, was denn?" — Der Commissair warf einen durchdrin¬
genden Blick auf den Grenzjäger, schlug das Buch zu und wandte sich zum
Abgehen. „Sagen Sie dem Oberjäger, daß ich ihm nächstens wie einem
Betty—-r den Kopf waschen werde! Und Sie — daß Sie sich nicht fort¬
rühren, das sage ich Ihnen!"

Die Thür flog zu, Karl begleitete aufathmend den strengen Herrn bis
zu seinem Pferde, half ihm in den Sattel und machte vorschriftsmäßig Front,
als jener mit einem derben Gertenhicb seine Stute aufmunternd, in kurzem
Trab davouritt. Der Commissair nahm die Richtung, die er gekommen war.
Karl horchte noch eine Zeitlang auf die klappernden Husschläge im Walde
und dann kehrte er eilfertig in die Caserne zurück, und suchte das Versäumte
nachzuholen. Es war schon ziemlich spät, der Tanz mußte längst begonnen
haben, in's Wirthshaus hatte er eine gute halbe Stunde zu laufen und so
flog er in seine Gallabeinkleider, band das seidene schwarze Tuch um den
Hals, nachdem er den weißen Hemdkragen studentisch genial umgebogen hatte
und knöpfte nun den knappen Waffenrock zu, der seinen Staat vollendete.
Der Säbel wurde umgehangen, die Thüre versperrt, der Nachbar erhielt
den Schlüssel und Karl machte sich auf den Weg. Er hatte schon erfahren,
daß die Paschhamplin dem Andringen des Hannes und der Threse nicht


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/61>, abgerufen am 01.09.2024.