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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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ließ die Milchsuppe anmachen und jagte die Kinder alle zu Bett -- sie sel¬
ber setzte sich vor die Thüre hinaus, um ihren Mann zu erwarten, der heute
Nacht kommen sollte.


2. ^

Unter den Hütten und Bauden der Hochdorfer steht alle Mal eine, an
der ein schwarzes Bret hangt, mit der weißen Inschrift "k. k. Grenzwach-
Caserue." Da leben wie in einem Kloster die Gesellen darin, welchen die
Obhut der Grenzen anvertraut ist und von denen stets drei Viertel ledigen
Standes sein sollen. Zu sehen ist nicht viel an solchen Kasernen, so viel
Betten von Tannenholz, und so viel Kisten als Mann auf dem Zettel stehen,
der an der Thüre hängt, weiße rauhe Decken darüber, ein großer Tisch in
der Mitte und für jeden ein Stuhl. An der Wand länft ein Rechen, daran
die dienstfreien Jäger ihre Armatur aufhängen -- alles andere, Küchen-
und Wirthschaftsgeräth, ist über alle Maßen nothdürftig bestellt. -- Je¬
den Morgen trifft der Commandant des Postens, der ans vier bis zehn
und zwölf Maun besteht, seiue Dispositionen, und der Mann muß zwölf
Stunden Dienst thun -- dann wird er abgelöst und kann eine gleiche
Zeit ausruhen. Diese Posten werden nun unausgesetzt vou ihren Cvm-
missairen, Führern und Obereommissairen der Greuzwachtcompagnicn visi-
tirt, und stehen strenge Strafen ans jeder, auch der geringsten Vernach¬
lässigung. Einer muß stets zu Hause bleiben, um bei vorkommenden Fäl¬
len Rede und Auskunft zu geben, und das war heute, am Tage, wo der
Pferdehannes mit der Lauferthrese Hochzeit machten, der verliebte Karl.
Er hatte mit dem Oberjäger die Sache abgekartet, und versprach den Schlüssel
beim Nachbar abzugeben, wenn er fortginge, damit die Andern in's Haus
köunten, das ohne Obhut blieb. Alle waren fort -- es mochte schon sieben
Uhr sein, und Karl fing an sich zu putzen. Die Bürste wurde gewaschen,
der Bart mit Wachs eingeschmiert und ungarisch zugedreht, die kalblederuen
Stiefel, deren Sohlen keine Nägel hatten, und die nur bei besonderen Ge¬
legenheiten zum Vorschein kamen, blankgeputzt und das weiße Beinkleid, der
Stolz jedes Grenzjägers, vorsichtig über die Stuhllehne gehängt. Der
Spiegel war freilich einer von jenen kleinen in Papier gefaßten, die in der
Regel nur das halbe Gesicht wiedergeben, aber Karl war in den Anblick so
vertieft, daß er gar nicht merkte, wie ein Reiter unterhalb der Caserne vom
Pferde stieg und raschen Schrittes heraufstieg. Eben hatte Karl sein Haar
zur größten Zufriedenheit geordnet, als die Thüre aufflog und sporenklingend


ließ die Milchsuppe anmachen und jagte die Kinder alle zu Bett — sie sel¬
ber setzte sich vor die Thüre hinaus, um ihren Mann zu erwarten, der heute
Nacht kommen sollte.


2. ^

Unter den Hütten und Bauden der Hochdorfer steht alle Mal eine, an
der ein schwarzes Bret hangt, mit der weißen Inschrift „k. k. Grenzwach-
Caserue." Da leben wie in einem Kloster die Gesellen darin, welchen die
Obhut der Grenzen anvertraut ist und von denen stets drei Viertel ledigen
Standes sein sollen. Zu sehen ist nicht viel an solchen Kasernen, so viel
Betten von Tannenholz, und so viel Kisten als Mann auf dem Zettel stehen,
der an der Thüre hängt, weiße rauhe Decken darüber, ein großer Tisch in
der Mitte und für jeden ein Stuhl. An der Wand länft ein Rechen, daran
die dienstfreien Jäger ihre Armatur aufhängen — alles andere, Küchen-
und Wirthschaftsgeräth, ist über alle Maßen nothdürftig bestellt. — Je¬
den Morgen trifft der Commandant des Postens, der ans vier bis zehn
und zwölf Maun besteht, seiue Dispositionen, und der Mann muß zwölf
Stunden Dienst thun — dann wird er abgelöst und kann eine gleiche
Zeit ausruhen. Diese Posten werden nun unausgesetzt vou ihren Cvm-
missairen, Führern und Obereommissairen der Greuzwachtcompagnicn visi-
tirt, und stehen strenge Strafen ans jeder, auch der geringsten Vernach¬
lässigung. Einer muß stets zu Hause bleiben, um bei vorkommenden Fäl¬
len Rede und Auskunft zu geben, und das war heute, am Tage, wo der
Pferdehannes mit der Lauferthrese Hochzeit machten, der verliebte Karl.
Er hatte mit dem Oberjäger die Sache abgekartet, und versprach den Schlüssel
beim Nachbar abzugeben, wenn er fortginge, damit die Andern in's Haus
köunten, das ohne Obhut blieb. Alle waren fort — es mochte schon sieben
Uhr sein, und Karl fing an sich zu putzen. Die Bürste wurde gewaschen,
der Bart mit Wachs eingeschmiert und ungarisch zugedreht, die kalblederuen
Stiefel, deren Sohlen keine Nägel hatten, und die nur bei besonderen Ge¬
legenheiten zum Vorschein kamen, blankgeputzt und das weiße Beinkleid, der
Stolz jedes Grenzjägers, vorsichtig über die Stuhllehne gehängt. Der
Spiegel war freilich einer von jenen kleinen in Papier gefaßten, die in der
Regel nur das halbe Gesicht wiedergeben, aber Karl war in den Anblick so
vertieft, daß er gar nicht merkte, wie ein Reiter unterhalb der Caserne vom
Pferde stieg und raschen Schrittes heraufstieg. Eben hatte Karl sein Haar
zur größten Zufriedenheit geordnet, als die Thüre aufflog und sporenklingend


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/60>, abgerufen am 01.09.2024.