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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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ihnen auch andere Mittel als die heute bestehenden, blos negativen des Bittens
und der bittenden Beschwerde gönnen, sonst bleibt das Zugeständniß des Wah¬
rungsrechtes nur eine bittende Ironie. Diese Mittel sind, wenn auch nicht
Theilnahme an der ausübenden Gewalt, doch wenigstens an der gesetzgebenden.

Die Autwort auf die dritte Frage also: "mit welchen Waffen können die
historischen Stände ihre Rechte wahren?" ist, -- durch Recht der Theilnahme an
der Gesetzgebung.

Kann aber eine Negierung, welche in dem Grade absolut herrschen will, wie
dies bei der österreichischen Bureaukratie der Fall ist, zwei einzelne Kasten der
Gesellschaft, ganz abgesehen von jeder Theilnahme an der ausübenden Gewalt (und
selbst diese stände den historischen Ständen in mehreren Provinzen zu) auch nur zur
Theilnahme an der Gesetzgebung berufen wollen? -- kann sie ihnen diese Waffe
in die Hand drücken, oder wenn sie den Ständen verfassungsmäßig und historisch
schon gebührt, kann sie ihnen selbe auch nur eülfach zurückgeben wollen? gewiß
nicht! -- kann sie also historische Stände zurückrufen, sobald sie einsieht, daß
historische Stände factisch nichts anderes als ihre Mitactionäre auf das eroberte
Volk sind?

Gesetzt aber sie wollte es, -- kann die Nation Aktionäre auf die an ihr
gemachte Eroberung, also historische Stände, wünschen? ja kann sie deren Wieder¬
aufleben zulassen? und die Bedingungen, unter welchen dieses einzig möglich ist,
gestatten? -- Im Gegentheil, sie müßte trachten, thuen um jeden Preis zuvorzu¬
kommen.

Man führe hier nicht die Geschichte an, man gebe sich nicht die verlorene
Mühe, Hunderte von Regenten aufzuzählen, die ihre Herrschaft mit dem Clerus
und Adel theilen mußten. Wir wollen nicht leugnen, daß dies der Fall war,
wir wollen selbst zugeben, daß dies damals gut und zweckmäßig gewesen ist; al¬
lein Vieles von dem, was vor Jahrhunderten möglich und gut war, ist jetzt
unmöglich oder schlecht. Studiren wir die urälteste Geschichte der Menschen und
der Nationen, so sehen wir, daß die Eroberung der Massen durch Einzelne un¬
ausbleiblich, -- und nicht nur nöthig, sondern selbst wohlthätig war, in so lange
die Völker das sittliche Verhältniß der Selbstbestimmung nicht
fühlten, eines Vormundes aber durchaus bedurften. Heute aber fühlen sie die¬
ses Bedürfniß; deshalb wäre eine, zwischen dem Monarchen, dem Elerus und
dem Adel getheilte despotische Regierungsform heute schlecht, unhaltbar, unmög¬
lich, weil das Volk nicht mehr das willenlose materielle Ding ist, welches es
ehemals war, weil es sich heute von jenem Geiste belebt fühlt, welcher ursprüng¬
lich in jedes Menschen Brust gelegt wurde, wenn dieser Geist auch bei Millionen
unterdrückt, Jahrhunderte lang in ihnen schlummerte.

Also keine "historischen" Stände der That nach, und auch nicht dem Namen
nach!--Dem Namen nach find sie nur uniformirte, dem Despotismus dienende, ihn


ihnen auch andere Mittel als die heute bestehenden, blos negativen des Bittens
und der bittenden Beschwerde gönnen, sonst bleibt das Zugeständniß des Wah¬
rungsrechtes nur eine bittende Ironie. Diese Mittel sind, wenn auch nicht
Theilnahme an der ausübenden Gewalt, doch wenigstens an der gesetzgebenden.

Die Autwort auf die dritte Frage also: „mit welchen Waffen können die
historischen Stände ihre Rechte wahren?" ist, — durch Recht der Theilnahme an
der Gesetzgebung.

Kann aber eine Negierung, welche in dem Grade absolut herrschen will, wie
dies bei der österreichischen Bureaukratie der Fall ist, zwei einzelne Kasten der
Gesellschaft, ganz abgesehen von jeder Theilnahme an der ausübenden Gewalt (und
selbst diese stände den historischen Ständen in mehreren Provinzen zu) auch nur zur
Theilnahme an der Gesetzgebung berufen wollen? — kann sie ihnen diese Waffe
in die Hand drücken, oder wenn sie den Ständen verfassungsmäßig und historisch
schon gebührt, kann sie ihnen selbe auch nur eülfach zurückgeben wollen? gewiß
nicht! — kann sie also historische Stände zurückrufen, sobald sie einsieht, daß
historische Stände factisch nichts anderes als ihre Mitactionäre auf das eroberte
Volk sind?

Gesetzt aber sie wollte es, — kann die Nation Aktionäre auf die an ihr
gemachte Eroberung, also historische Stände, wünschen? ja kann sie deren Wieder¬
aufleben zulassen? und die Bedingungen, unter welchen dieses einzig möglich ist,
gestatten? — Im Gegentheil, sie müßte trachten, thuen um jeden Preis zuvorzu¬
kommen.

Man führe hier nicht die Geschichte an, man gebe sich nicht die verlorene
Mühe, Hunderte von Regenten aufzuzählen, die ihre Herrschaft mit dem Clerus
und Adel theilen mußten. Wir wollen nicht leugnen, daß dies der Fall war,
wir wollen selbst zugeben, daß dies damals gut und zweckmäßig gewesen ist; al¬
lein Vieles von dem, was vor Jahrhunderten möglich und gut war, ist jetzt
unmöglich oder schlecht. Studiren wir die urälteste Geschichte der Menschen und
der Nationen, so sehen wir, daß die Eroberung der Massen durch Einzelne un¬
ausbleiblich, — und nicht nur nöthig, sondern selbst wohlthätig war, in so lange
die Völker das sittliche Verhältniß der Selbstbestimmung nicht
fühlten, eines Vormundes aber durchaus bedurften. Heute aber fühlen sie die¬
ses Bedürfniß; deshalb wäre eine, zwischen dem Monarchen, dem Elerus und
dem Adel getheilte despotische Regierungsform heute schlecht, unhaltbar, unmög¬
lich, weil das Volk nicht mehr das willenlose materielle Ding ist, welches es
ehemals war, weil es sich heute von jenem Geiste belebt fühlt, welcher ursprüng¬
lich in jedes Menschen Brust gelegt wurde, wenn dieser Geist auch bei Millionen
unterdrückt, Jahrhunderte lang in ihnen schlummerte.

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nach!—Dem Namen nach find sie nur uniformirte, dem Despotismus dienende, ihn


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/570>, abgerufen am 01.09.2024.