Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

als in ihnen die Eroberung nach Innen, nämlich die der Menschen durch Ein¬
zelne längst vorüber war.

In Folge der Eroberung nach Innen, also der der Menschen, -- ob sie
nun das Resultat freiwilliger Unterwerfung oder blutiger Gewalt waren, -- bil¬
deten sich ursprünglich die absoluten Monarchien.

Ob nun ein Staat durch Erbschaft (wie Oesterreich größtenteils) oder durch
das Schwert (wie Preußen) groß geworden ist, --> das ändert nichts an dem
Eutstehungsfuudament des nunmehr großen, aus vielen kleinen Ländern bestehen¬
den autokratischen Staates.

Bei diesen Eroberungen der Menschen und der Länder haben die Haupter¬
oberer ihren Helfern besondere Vortheile auf Kosten der Millionen Eroberten zu¬
gestanden, oder es haben sich die Helfer solche selbst ausbedungen, oder endlich
selbst genommen. Diese Vortheile nannte man Recht, und nennt sie heute zum
Unterschiede von Billigkeit und natürlichem Rechte -- historische Rechte.

Die Nachkommen jener Bevorzugten sind die heutigen historischen Stände.

Was sind nun diese historischen Rechte der historischen Stände anders als
Antheile an der Eroberung? und was wären die Besitzer und Wahrer
dieser Rechte, die historischen österreichischen Landstände anders als eine Actien-
Gesellschaft der Eroberer, auf Theilnahme am Eroberten? -- Die historischen
Stände wären somit Actionäre ans Ausbeutung ihres eroberten Eigenthumes, wel¬
ches -- Volk heißt.

Man braucht einfach zu fragen: Worin bestehen diese Rechte, welche sich die
Stände wahren sollen? -- Gegen wen sollen sie selbe wahren? Womit? Mit
welchen Mitteln und Waffen können und sollen sie gewahrt werden? -- so kömmt
man, wie wir dies gleich sehen werden, zu dem Resultat, daß die Wahrer der
Rechte und die Actionäre auf das Volk -- Eins und Dasselbe sind.

Die erste Frage, worin die Rechte bestehen? glauben wir übergehen zu kön¬
nen, denn obschon in den Provinzen Oesterreichs theilweise verschieden, sind sie
doch zu bekannt, als daß deren ausführliche Ausführung noch wünschenswert!)
wäre; es genügt zu sagen, sie bestehen in feudalen, materiellen und formellen
Vorrechten.

Auf die zweite Frage: Gegen wen sollten Oesterreichs Stände (wenn ihnen
nämlich einstens auch die Aufforderung zukommen würde, historisch zu werden)
ehre Rechte wahren? -- gegen die Negierung? oder ein Stand gegen den an¬
dern? -- oder alle zusammen gegen den Nest der Nation von so und so viel
Millionen? müßten wir antworten, wohl das erstere; denn das zweite und dritte
die Aufgabe der Regierung und würde von den historischen Ständen, also vom
Aerus und Adel selbst, statt von der Negierung gelöset, nothwendig den Bürger¬
krieg hervorrufen.

Sollen aber die Stände Rechte gegen die Negierung wahren, so muß diese


als in ihnen die Eroberung nach Innen, nämlich die der Menschen durch Ein¬
zelne längst vorüber war.

In Folge der Eroberung nach Innen, also der der Menschen, — ob sie
nun das Resultat freiwilliger Unterwerfung oder blutiger Gewalt waren, — bil¬
deten sich ursprünglich die absoluten Monarchien.

Ob nun ein Staat durch Erbschaft (wie Oesterreich größtenteils) oder durch
das Schwert (wie Preußen) groß geworden ist, —> das ändert nichts an dem
Eutstehungsfuudament des nunmehr großen, aus vielen kleinen Ländern bestehen¬
den autokratischen Staates.

Bei diesen Eroberungen der Menschen und der Länder haben die Haupter¬
oberer ihren Helfern besondere Vortheile auf Kosten der Millionen Eroberten zu¬
gestanden, oder es haben sich die Helfer solche selbst ausbedungen, oder endlich
selbst genommen. Diese Vortheile nannte man Recht, und nennt sie heute zum
Unterschiede von Billigkeit und natürlichem Rechte — historische Rechte.

Die Nachkommen jener Bevorzugten sind die heutigen historischen Stände.

Was sind nun diese historischen Rechte der historischen Stände anders als
Antheile an der Eroberung? und was wären die Besitzer und Wahrer
dieser Rechte, die historischen österreichischen Landstände anders als eine Actien-
Gesellschaft der Eroberer, auf Theilnahme am Eroberten? — Die historischen
Stände wären somit Actionäre ans Ausbeutung ihres eroberten Eigenthumes, wel¬
ches — Volk heißt.

Man braucht einfach zu fragen: Worin bestehen diese Rechte, welche sich die
Stände wahren sollen? — Gegen wen sollen sie selbe wahren? Womit? Mit
welchen Mitteln und Waffen können und sollen sie gewahrt werden? — so kömmt
man, wie wir dies gleich sehen werden, zu dem Resultat, daß die Wahrer der
Rechte und die Actionäre auf das Volk — Eins und Dasselbe sind.

Die erste Frage, worin die Rechte bestehen? glauben wir übergehen zu kön¬
nen, denn obschon in den Provinzen Oesterreichs theilweise verschieden, sind sie
doch zu bekannt, als daß deren ausführliche Ausführung noch wünschenswert!)
wäre; es genügt zu sagen, sie bestehen in feudalen, materiellen und formellen
Vorrechten.

Auf die zweite Frage: Gegen wen sollten Oesterreichs Stände (wenn ihnen
nämlich einstens auch die Aufforderung zukommen würde, historisch zu werden)
ehre Rechte wahren? — gegen die Negierung? oder ein Stand gegen den an¬
dern? — oder alle zusammen gegen den Nest der Nation von so und so viel
Millionen? müßten wir antworten, wohl das erstere; denn das zweite und dritte
die Aufgabe der Regierung und würde von den historischen Ständen, also vom
Aerus und Adel selbst, statt von der Negierung gelöset, nothwendig den Bürger¬
krieg hervorrufen.

Sollen aber die Stände Rechte gegen die Negierung wahren, so muß diese


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0569" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184729"/>
          <p xml:id="ID_2033" prev="#ID_2032"> als in ihnen die Eroberung nach Innen, nämlich die der Menschen durch Ein¬<lb/>
zelne längst vorüber war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2034"> In Folge der Eroberung nach Innen, also der der Menschen, &#x2014; ob sie<lb/>
nun das Resultat freiwilliger Unterwerfung oder blutiger Gewalt waren, &#x2014; bil¬<lb/>
deten sich ursprünglich die absoluten Monarchien.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2035"> Ob nun ein Staat durch Erbschaft (wie Oesterreich größtenteils) oder durch<lb/>
das Schwert (wie Preußen) groß geworden ist, &#x2014;&gt; das ändert nichts an dem<lb/>
Eutstehungsfuudament des nunmehr großen, aus vielen kleinen Ländern bestehen¬<lb/>
den autokratischen Staates.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2036"> Bei diesen Eroberungen der Menschen und der Länder haben die Haupter¬<lb/>
oberer ihren Helfern besondere Vortheile auf Kosten der Millionen Eroberten zu¬<lb/>
gestanden, oder es haben sich die Helfer solche selbst ausbedungen, oder endlich<lb/>
selbst genommen. Diese Vortheile nannte man Recht, und nennt sie heute zum<lb/>
Unterschiede von Billigkeit und natürlichem Rechte &#x2014; historische Rechte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2037"> Die Nachkommen jener Bevorzugten sind die heutigen historischen Stände.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2038"> Was sind nun diese historischen Rechte der historischen Stände anders als<lb/>
Antheile an der Eroberung? und was wären die Besitzer und Wahrer<lb/>
dieser Rechte, die historischen österreichischen Landstände anders als eine Actien-<lb/>
Gesellschaft der Eroberer, auf Theilnahme am Eroberten? &#x2014; Die historischen<lb/>
Stände wären somit Actionäre ans Ausbeutung ihres eroberten Eigenthumes, wel¬<lb/>
ches &#x2014; Volk heißt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2039"> Man braucht einfach zu fragen: Worin bestehen diese Rechte, welche sich die<lb/>
Stände wahren sollen? &#x2014; Gegen wen sollen sie selbe wahren? Womit? Mit<lb/>
welchen Mitteln und Waffen können und sollen sie gewahrt werden? &#x2014; so kömmt<lb/>
man, wie wir dies gleich sehen werden, zu dem Resultat, daß die Wahrer der<lb/>
Rechte und die Actionäre auf das Volk &#x2014; Eins und Dasselbe sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2040"> Die erste Frage, worin die Rechte bestehen? glauben wir übergehen zu kön¬<lb/>
nen, denn obschon in den Provinzen Oesterreichs theilweise verschieden, sind sie<lb/>
doch zu bekannt, als daß deren ausführliche Ausführung noch wünschenswert!)<lb/>
wäre; es genügt zu sagen, sie bestehen in feudalen, materiellen und formellen<lb/>
Vorrechten.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2041"> Auf die zweite Frage: Gegen wen sollten Oesterreichs Stände (wenn ihnen<lb/>
nämlich einstens auch die Aufforderung zukommen würde, historisch zu werden)<lb/>
ehre Rechte wahren? &#x2014; gegen die Negierung? oder ein Stand gegen den an¬<lb/>
dern? &#x2014; oder alle zusammen gegen den Nest der Nation von so und so viel<lb/>
Millionen? müßten wir antworten, wohl das erstere; denn das zweite und dritte<lb/>
die Aufgabe der Regierung und würde von den historischen Ständen, also vom<lb/>
Aerus und Adel selbst, statt von der Negierung gelöset, nothwendig den Bürger¬<lb/>
krieg hervorrufen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_2042" next="#ID_2043"> Sollen aber die Stände Rechte gegen die Negierung wahren, so muß diese</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0569] als in ihnen die Eroberung nach Innen, nämlich die der Menschen durch Ein¬ zelne längst vorüber war. In Folge der Eroberung nach Innen, also der der Menschen, — ob sie nun das Resultat freiwilliger Unterwerfung oder blutiger Gewalt waren, — bil¬ deten sich ursprünglich die absoluten Monarchien. Ob nun ein Staat durch Erbschaft (wie Oesterreich größtenteils) oder durch das Schwert (wie Preußen) groß geworden ist, —> das ändert nichts an dem Eutstehungsfuudament des nunmehr großen, aus vielen kleinen Ländern bestehen¬ den autokratischen Staates. Bei diesen Eroberungen der Menschen und der Länder haben die Haupter¬ oberer ihren Helfern besondere Vortheile auf Kosten der Millionen Eroberten zu¬ gestanden, oder es haben sich die Helfer solche selbst ausbedungen, oder endlich selbst genommen. Diese Vortheile nannte man Recht, und nennt sie heute zum Unterschiede von Billigkeit und natürlichem Rechte — historische Rechte. Die Nachkommen jener Bevorzugten sind die heutigen historischen Stände. Was sind nun diese historischen Rechte der historischen Stände anders als Antheile an der Eroberung? und was wären die Besitzer und Wahrer dieser Rechte, die historischen österreichischen Landstände anders als eine Actien- Gesellschaft der Eroberer, auf Theilnahme am Eroberten? — Die historischen Stände wären somit Actionäre ans Ausbeutung ihres eroberten Eigenthumes, wel¬ ches — Volk heißt. Man braucht einfach zu fragen: Worin bestehen diese Rechte, welche sich die Stände wahren sollen? — Gegen wen sollen sie selbe wahren? Womit? Mit welchen Mitteln und Waffen können und sollen sie gewahrt werden? — so kömmt man, wie wir dies gleich sehen werden, zu dem Resultat, daß die Wahrer der Rechte und die Actionäre auf das Volk — Eins und Dasselbe sind. Die erste Frage, worin die Rechte bestehen? glauben wir übergehen zu kön¬ nen, denn obschon in den Provinzen Oesterreichs theilweise verschieden, sind sie doch zu bekannt, als daß deren ausführliche Ausführung noch wünschenswert!) wäre; es genügt zu sagen, sie bestehen in feudalen, materiellen und formellen Vorrechten. Auf die zweite Frage: Gegen wen sollten Oesterreichs Stände (wenn ihnen nämlich einstens auch die Aufforderung zukommen würde, historisch zu werden) ehre Rechte wahren? — gegen die Negierung? oder ein Stand gegen den an¬ dern? — oder alle zusammen gegen den Nest der Nation von so und so viel Millionen? müßten wir antworten, wohl das erstere; denn das zweite und dritte die Aufgabe der Regierung und würde von den historischen Ständen, also vom Aerus und Adel selbst, statt von der Negierung gelöset, nothwendig den Bürger¬ krieg hervorrufen. Sollen aber die Stände Rechte gegen die Negierung wahren, so muß diese

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/569
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/569>, abgerufen am 01.09.2024.