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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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ßer würde, wenn sie sich, wie gesagt, zu einer Erklärung einmal gezwungen
sehen sollte. --

Der König von Preußen sagte in seiner Thronrede: "Historisch-germanische
Stände sind Vertreter und Wahrer der eigenen Rechte!"

Würde man diese Worte eines Tages für unsere Verhältnisse in's Oesterrei--
chische übersetzen, so würde wahrscheinlich die ofstcielle Uebersetzung so lauten:
"Ihr, Bischöfe, Prälaten, Fürsten, Grafen, Herren und Ritter! Ihr geistlichen
und adeligen Besitzer, währet Eure Feudal-Rechte! Vertretet und währet
sie! gebt Euch aber keine Mühe etwa nachzuforschen, ob der grundbesttzende
Bürger und Bauer, ob Kunst, Wissenschaft, Industrie, Handel, Gewerbe, ob
endlich die Proletarier billigerweise auch Rechte und Ansprüche zu wahren und
zu vertheidigen haben; -- untersucht ja nicht, ob diese Eure Kasten-Rechte, wel¬
che Ihr vertheidigen sollt, uicht etwa ein großes Unrecht gegen andere Kasten,
etwa gar gegen das Ganze der Nation seien! Denket daher nicht darüber nach,
ob jene historischen Rechte, -- welche etwa ein moralisches Unrecht sind, nicht
lieber aufgegeben oder abgelöset, statt gewahrt werden sollten. - Dies Alles sei
fern von Euch - denn Eure einzige Aufgabe ist, Euch und Eure Rechte zu
wahren!"

Man kann nicht in Abrede stellen, daß der preußische Urtext viel weniger
feudalistisch ausgelegt werden muß, als die österreichische Uebersetzung*), indem in
Preußen dies "währet" auch den gewählten Repräsentanten der Ritterschaft,
Städte und Landgemeinden zugerufen wurde, während in Oesterreich die Landge¬
meinden, selbst nicht dem Namen nach, die Städte aber nie dem Namen nach
repräsentirt sind -- mit Ausnahme Tyrol's, wo eben so viele Bauern als Geist¬
liche, Herren und Städte auf dem Landtage erscheinen. >-- Leider ist aber dies
auch mir eine leere Form, denn die Stände Tyrol's sind noch viel abhängiger
von der Regierung als die irgend einer andern Provinz.

Noch einen Satz der preußischen Thronrede müssen wir hier hervorheben:
"Preußen ist durch das Schwert groß geworden." --

Wahr! denn es wurde erobert!

Allein nicht durch das Schwert der Könige allein wurde es groß, nicht
durch dieses allein wurde viel erobert, sondern auch durch das der Fürsten, Gra¬
fen, Ritter, Städte, Gemeinden.

Diese Eroberung der Länder durch Preußens Schwert fand erst dann statt,



*) Die Benennung preußischer Urtext und österreichische Uebersetzung soll weder ein
schlechter noch ein guter, überhaupt gar kein Witz sein; sie soll nur recht klar herausheben,
wie die Verhältnisse in diesen zwei deutschen Bundesstaaten so verschieden sind, daß die¬
selben deutschen Worte sehr verschiedene Begriffe und sehr verschiedene Bilder hervor¬
rufen. --

ßer würde, wenn sie sich, wie gesagt, zu einer Erklärung einmal gezwungen
sehen sollte. —

Der König von Preußen sagte in seiner Thronrede: „Historisch-germanische
Stände sind Vertreter und Wahrer der eigenen Rechte!"

Würde man diese Worte eines Tages für unsere Verhältnisse in's Oesterrei--
chische übersetzen, so würde wahrscheinlich die ofstcielle Uebersetzung so lauten:
„Ihr, Bischöfe, Prälaten, Fürsten, Grafen, Herren und Ritter! Ihr geistlichen
und adeligen Besitzer, währet Eure Feudal-Rechte! Vertretet und währet
sie! gebt Euch aber keine Mühe etwa nachzuforschen, ob der grundbesttzende
Bürger und Bauer, ob Kunst, Wissenschaft, Industrie, Handel, Gewerbe, ob
endlich die Proletarier billigerweise auch Rechte und Ansprüche zu wahren und
zu vertheidigen haben; — untersucht ja nicht, ob diese Eure Kasten-Rechte, wel¬
che Ihr vertheidigen sollt, uicht etwa ein großes Unrecht gegen andere Kasten,
etwa gar gegen das Ganze der Nation seien! Denket daher nicht darüber nach,
ob jene historischen Rechte, — welche etwa ein moralisches Unrecht sind, nicht
lieber aufgegeben oder abgelöset, statt gewahrt werden sollten. - Dies Alles sei
fern von Euch - denn Eure einzige Aufgabe ist, Euch und Eure Rechte zu
wahren!"

Man kann nicht in Abrede stellen, daß der preußische Urtext viel weniger
feudalistisch ausgelegt werden muß, als die österreichische Uebersetzung*), indem in
Preußen dies „währet" auch den gewählten Repräsentanten der Ritterschaft,
Städte und Landgemeinden zugerufen wurde, während in Oesterreich die Landge¬
meinden, selbst nicht dem Namen nach, die Städte aber nie dem Namen nach
repräsentirt sind — mit Ausnahme Tyrol's, wo eben so viele Bauern als Geist¬
liche, Herren und Städte auf dem Landtage erscheinen. >— Leider ist aber dies
auch mir eine leere Form, denn die Stände Tyrol's sind noch viel abhängiger
von der Regierung als die irgend einer andern Provinz.

Noch einen Satz der preußischen Thronrede müssen wir hier hervorheben:
„Preußen ist durch das Schwert groß geworden." —

Wahr! denn es wurde erobert!

Allein nicht durch das Schwert der Könige allein wurde es groß, nicht
durch dieses allein wurde viel erobert, sondern auch durch das der Fürsten, Gra¬
fen, Ritter, Städte, Gemeinden.

Diese Eroberung der Länder durch Preußens Schwert fand erst dann statt,



*) Die Benennung preußischer Urtext und österreichische Uebersetzung soll weder ein
schlechter noch ein guter, überhaupt gar kein Witz sein; sie soll nur recht klar herausheben,
wie die Verhältnisse in diesen zwei deutschen Bundesstaaten so verschieden sind, daß die¬
selben deutschen Worte sehr verschiedene Begriffe und sehr verschiedene Bilder hervor¬
rufen. —
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/568>, abgerufen am 01.09.2024.