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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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nicht, was zu lernen an der Zeit wäre. Alle hohen Staatsbedieunngen, das
Forstwesen und die Armee, gehören dem Adel als ein zukommendes Recht; wie
lange wird sich das Verdienst noch einen solchen Vorzug der Geburt gefallen las¬
sen? -- Die Idee, daß es anders sein könne und müsse, fängt schon an in eini¬
gen Köpfen zu spuken, und Stimmen wollen hier und da laut werden, die die
bestehenden Mißbräuche rügen; aber eine strenge Censur wacht auch hier über des
freien Mannes ausgesprochenen Gedanken und nur die Spatzen mögen singen wie
sie wollen. --

Mecklenburg zählt viele Advokaten, eine höchst formirte Bureaukratie, einen
sehr blasirten Adel, viele Philologen und sonstige Stubengelehrte; aber an unter-
nehmenden Geschäftsmännern und Schriftstellern ist es noch nicht reich, und man¬
cher Tag muß noch verstreichen, ehe es solche aus sich herauszubilden im Stande
sein wird. -- An guten Handwerkern fehlt es gleichfalls, und diese Classe zu för¬
dern, daran denkt weder die Negierung noch der Magistrat der Städte. Alles
muß hier von selbst kommen, wenn es überall kommeu soll; denn von oben her
wird kein Licht aufgesteckt, das deu Meuscheu erwärme und anfeuere. Glasbrenncr
hat in Neustrelitz sehr hübsche Reden im Jndustrieverein gehalten; Mecklenburg-
Schwerin denkt aber noch nicht an Industrie. Manufacturen hat das Land uicht,
Fabriken hat es nicht, gute Handwerker hat es uicht, große Talente hat es auch'
nicht, so bleibt am Ende von dem armen kleinen Ländchen nichts zu sagen übrig,
als daß es nothdürftigen Ackerbau und Viehzucht treibe.

Ein Zweig des Verkehrs hat sich aber doch in den letzten zehn Jahren bedeutend
emporgeschwungen: das ist der Buchhandel. Außerdem, daß der Hosbuchhändlcr
Hiustorff ein Dvppclgeschäft für Parchim und Ludwigslust eröffnet hat, für das er
nicht nur alle Zeitschriften,bezieht, hat er noch alle neuen Romane in einer Leihbiblio¬
thek und sonstige gute Werke zum Verkauf. -- Auch in den übrigen Städten Meck¬
lenburgs, sowohl kleinern als größeren, gibt es jetzt Buchhandlungen, und manche
derselben geben sogar kleine Volksschriften heraus, die freilich nie ihren Weg über
die Grenze dieses kleinen Landes finden, aber in demselben doch so viel Absatz
haben, um bestehen zu können. Die Hanptschriftsteller für diese Schriften sind
Raabe, der, so freisinnig er darf und kann, für die Rechte und das Wohl seiner
Mitbürger streitet, und David Assur oder Rusa, der Herausgeber einer Volksbi-
l'liothek, die in Schwerin erscheint und noch das beste enthält, was diese noch
unversuchten Talente liefern können. An Damen sind wir reicher, ja eigentlich
sehr reich; denn erstens haben wir die Ehre die Fran Gräfin Jda Hahn-Hahn
zu den Landeskindern zu zählen, was ihre Vorliebe für die Aristokratie hinrei¬
chend entschuldigt; dann Louise Mühlbach, die Tochter des Bürgermeisters Müller
in Neu-Brandenburg, die die Welt gleichfalls schou mit manchem Werke beschenkt
hat. Bedauern muß man nur, daß beide Damen ihren Ruf als Schriftstellerinnen


nicht, was zu lernen an der Zeit wäre. Alle hohen Staatsbedieunngen, das
Forstwesen und die Armee, gehören dem Adel als ein zukommendes Recht; wie
lange wird sich das Verdienst noch einen solchen Vorzug der Geburt gefallen las¬
sen? — Die Idee, daß es anders sein könne und müsse, fängt schon an in eini¬
gen Köpfen zu spuken, und Stimmen wollen hier und da laut werden, die die
bestehenden Mißbräuche rügen; aber eine strenge Censur wacht auch hier über des
freien Mannes ausgesprochenen Gedanken und nur die Spatzen mögen singen wie
sie wollen. —

Mecklenburg zählt viele Advokaten, eine höchst formirte Bureaukratie, einen
sehr blasirten Adel, viele Philologen und sonstige Stubengelehrte; aber an unter-
nehmenden Geschäftsmännern und Schriftstellern ist es noch nicht reich, und man¬
cher Tag muß noch verstreichen, ehe es solche aus sich herauszubilden im Stande
sein wird. — An guten Handwerkern fehlt es gleichfalls, und diese Classe zu för¬
dern, daran denkt weder die Negierung noch der Magistrat der Städte. Alles
muß hier von selbst kommen, wenn es überall kommeu soll; denn von oben her
wird kein Licht aufgesteckt, das deu Meuscheu erwärme und anfeuere. Glasbrenncr
hat in Neustrelitz sehr hübsche Reden im Jndustrieverein gehalten; Mecklenburg-
Schwerin denkt aber noch nicht an Industrie. Manufacturen hat das Land uicht,
Fabriken hat es nicht, gute Handwerker hat es uicht, große Talente hat es auch'
nicht, so bleibt am Ende von dem armen kleinen Ländchen nichts zu sagen übrig,
als daß es nothdürftigen Ackerbau und Viehzucht treibe.

Ein Zweig des Verkehrs hat sich aber doch in den letzten zehn Jahren bedeutend
emporgeschwungen: das ist der Buchhandel. Außerdem, daß der Hosbuchhändlcr
Hiustorff ein Dvppclgeschäft für Parchim und Ludwigslust eröffnet hat, für das er
nicht nur alle Zeitschriften,bezieht, hat er noch alle neuen Romane in einer Leihbiblio¬
thek und sonstige gute Werke zum Verkauf. — Auch in den übrigen Städten Meck¬
lenburgs, sowohl kleinern als größeren, gibt es jetzt Buchhandlungen, und manche
derselben geben sogar kleine Volksschriften heraus, die freilich nie ihren Weg über
die Grenze dieses kleinen Landes finden, aber in demselben doch so viel Absatz
haben, um bestehen zu können. Die Hanptschriftsteller für diese Schriften sind
Raabe, der, so freisinnig er darf und kann, für die Rechte und das Wohl seiner
Mitbürger streitet, und David Assur oder Rusa, der Herausgeber einer Volksbi-
l'liothek, die in Schwerin erscheint und noch das beste enthält, was diese noch
unversuchten Talente liefern können. An Damen sind wir reicher, ja eigentlich
sehr reich; denn erstens haben wir die Ehre die Fran Gräfin Jda Hahn-Hahn
zu den Landeskindern zu zählen, was ihre Vorliebe für die Aristokratie hinrei¬
chend entschuldigt; dann Louise Mühlbach, die Tochter des Bürgermeisters Müller
in Neu-Brandenburg, die die Welt gleichfalls schou mit manchem Werke beschenkt
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/553>, abgerufen am 01.09.2024.