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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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trifft, so ist Heidelberg in ganz entschiedenem Vorzug und hat darin ein großes,
ja in unseren Augen unersetzbares Uebergewicht. Der Neckar, an dem es liegt,
ist gar ein wunderlieblicher Fluß mit klaren, schnellranschenden Fluthen besäet, in
seinem Bette mit unzähligen größeren oder kleineren Felsblöcken, die wenn sie auch
die Schifffahrt sehr erschweren, doch sonst manchen malerischen Anblick gewähren,
dazu von ganz ansehnlicher Breite, so daß die über ihn führende schöne Brücke
aus Sandstein eine Länge von 300 Fuß hat. Hingegen die Oos, welche das
Bader-Thal durchströmt, ein unbedeutender kleiner Gebirgsbach, der zwar im Früh¬
ling ziemliche Überschwemmungen anrichtet, im Sommer aber fast ganz ausgetrock¬
net ist. Sein Bett gewährt dann mit seinem schwarzen Morast und Unrath aller
Art, nur einen widerlichen Anblick und verpestet die Lust mit eklen Gerüche. Da¬
gegen sind die Bergformatiouen bei Baden viel bedeutender und mannigfaltiger,
als bei Heidelberg, obgleich der "Alexkux" die höchste Kuppe ersterer Umgegend,
nicht viel höher als der "Königsstuhl", welcher Letztern beherrscht, sein wird. Der
Schwarzwald hat das Eigenthümliche, daß er in seiner Gebilduug so sehr mannigfaltig
ist, seine Höhen so ganz aneinander abweichend gestaltet. Dies tritt besonders
in der nähern und fernern Umgebung Badens recht hervor, und trägt ungemein
viel dazu bei, der Landschaft so reiche Schönheiten zu verleihen. Jede Kuppe ist
verschieden geformt, keine gleicht der anderen; die ist wie ein Kegel, jene wie eine
lang gestreckte Mulde, die eine schroffe sich scharf ab, die audere senkt sich ganz
allmälig in die Ebene und das Auge kann kaum unterscheiden, wo sie aufhört oder
beginnt; dadurch erhält das ländliche Panorama Badens ganz unendlich viel Ab¬
wechselung und Neiz. Bei jeder Wendung des Weges hat man ein anderes Bild
vor Augen, glaubt in eine neue Gegend versetzt zu sein. Jeder Berg, jeder Ein¬
schnitt, jedes Thal hat immer eine eigenthümliche Gestaltung, unterscheidet si'es so
ganz von allen Uebrigen. Diese Mannigfaltigkeit fehlt Heidelberg fast ganz, der
"Odenwald" ist wellenförmig geformt, jeder Berg gleicht fast dem andern, eine
Abwechselung tritt nicht leicht hervor, die Einförmigkeit macht sich bald geltend.
Dann sind mehrere Höhen bei Heidelberg und besonders anch der dem Schlosse
gegenüber liegende "Heiligenberg", fast bis zum Gipfel kahl, was störend dem
Ange entgegentritt, während in Baden überall der schönste üppige Baumwuchs
erfreuet. Solch' riesige Fichten, die gleich schlanken Säulen weit in die blaue
Wölbung des Himmels hineinragen, solche Linden, unter deren Schatten ganze
Gesellschaften sich sammeln können, wie Baden, hat Heidelberg nicht, obgleich auch
dort eine üppige Natur herrscht, die edele Kastanie und der Mandelbaum in fri¬
schem Wachsthum grünet und blühet, und der Weinstock sich an den Bergen hin¬
auszieht. Was Heidelberg auch gänzlich fehlt, sind die wilden zerklüfteten Felsen-
parthien, so schaurig-großartig, wie mir eine hohe Alpengegend sie ausweisen kann,
die Baden an einigen Punkten besonders auch in der Nähe des alten Schlosses


trifft, so ist Heidelberg in ganz entschiedenem Vorzug und hat darin ein großes,
ja in unseren Augen unersetzbares Uebergewicht. Der Neckar, an dem es liegt,
ist gar ein wunderlieblicher Fluß mit klaren, schnellranschenden Fluthen besäet, in
seinem Bette mit unzähligen größeren oder kleineren Felsblöcken, die wenn sie auch
die Schifffahrt sehr erschweren, doch sonst manchen malerischen Anblick gewähren,
dazu von ganz ansehnlicher Breite, so daß die über ihn führende schöne Brücke
aus Sandstein eine Länge von 300 Fuß hat. Hingegen die Oos, welche das
Bader-Thal durchströmt, ein unbedeutender kleiner Gebirgsbach, der zwar im Früh¬
ling ziemliche Überschwemmungen anrichtet, im Sommer aber fast ganz ausgetrock¬
net ist. Sein Bett gewährt dann mit seinem schwarzen Morast und Unrath aller
Art, nur einen widerlichen Anblick und verpestet die Lust mit eklen Gerüche. Da¬
gegen sind die Bergformatiouen bei Baden viel bedeutender und mannigfaltiger,
als bei Heidelberg, obgleich der „Alexkux" die höchste Kuppe ersterer Umgegend,
nicht viel höher als der „Königsstuhl", welcher Letztern beherrscht, sein wird. Der
Schwarzwald hat das Eigenthümliche, daß er in seiner Gebilduug so sehr mannigfaltig
ist, seine Höhen so ganz aneinander abweichend gestaltet. Dies tritt besonders
in der nähern und fernern Umgebung Badens recht hervor, und trägt ungemein
viel dazu bei, der Landschaft so reiche Schönheiten zu verleihen. Jede Kuppe ist
verschieden geformt, keine gleicht der anderen; die ist wie ein Kegel, jene wie eine
lang gestreckte Mulde, die eine schroffe sich scharf ab, die audere senkt sich ganz
allmälig in die Ebene und das Auge kann kaum unterscheiden, wo sie aufhört oder
beginnt; dadurch erhält das ländliche Panorama Badens ganz unendlich viel Ab¬
wechselung und Neiz. Bei jeder Wendung des Weges hat man ein anderes Bild
vor Augen, glaubt in eine neue Gegend versetzt zu sein. Jeder Berg, jeder Ein¬
schnitt, jedes Thal hat immer eine eigenthümliche Gestaltung, unterscheidet si'es so
ganz von allen Uebrigen. Diese Mannigfaltigkeit fehlt Heidelberg fast ganz, der
„Odenwald" ist wellenförmig geformt, jeder Berg gleicht fast dem andern, eine
Abwechselung tritt nicht leicht hervor, die Einförmigkeit macht sich bald geltend.
Dann sind mehrere Höhen bei Heidelberg und besonders anch der dem Schlosse
gegenüber liegende „Heiligenberg", fast bis zum Gipfel kahl, was störend dem
Ange entgegentritt, während in Baden überall der schönste üppige Baumwuchs
erfreuet. Solch' riesige Fichten, die gleich schlanken Säulen weit in die blaue
Wölbung des Himmels hineinragen, solche Linden, unter deren Schatten ganze
Gesellschaften sich sammeln können, wie Baden, hat Heidelberg nicht, obgleich auch
dort eine üppige Natur herrscht, die edele Kastanie und der Mandelbaum in fri¬
schem Wachsthum grünet und blühet, und der Weinstock sich an den Bergen hin¬
auszieht. Was Heidelberg auch gänzlich fehlt, sind die wilden zerklüfteten Felsen-
parthien, so schaurig-großartig, wie mir eine hohe Alpengegend sie ausweisen kann,
die Baden an einigen Punkten besonders auch in der Nähe des alten Schlosses


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/482>, abgerufen am 28.07.2024.