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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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nigstens wurde nichts von alle dem, was Einer von ihnen vorgebracht hatte, von
einem Anderen widerlegt; -- der Unterschied bestand nur darin, daß jeder wieder
neues Material zu der Masse des bereits vorhandenen zubrachte.

Während z. B. Graf Friedrich Deym eine Unzahl geschichtlicher Daten bei¬
brachte, welche alle bewiesen, wie die Stände zu allen Zeiten, nicht nur über die
Fragen -in und "juouwilo berathen, -- sondern auch über beide abgesprochen, und
königliche Propositionen aller Art modulirt, manchmal auch ganz abgelehnt hatten"),
während er also die vorliegende Frage vorzüglich geschichtlich beleuchtete, drangen
Andere um so tiefer in das Moralische und Logische derselben ein, ohne jedoch ei¬
nen bestimmten Antrag zu stellen; -- und noch Andere beleuchteten grade wieder
das peinliche Dilemma, in welchem sich die Stände gegenwärtig befinden; -- be¬
sprachen das Mittel, welches jetzt versucht werden sollte, und schlugen als solches
eine zweite Landtagsschrift vor, -- deuteten endlich auch darauf hin, was, wenn
auch die zweite Landtagsschrift erfolglos bleiben sollte, zuletzt zu thun sei, um we¬
nigstens mit Ehren zu fallen, und die Verantwortlichkeit für das, was dann die
Zukunft bringen dürfte, Jenen zu überlassen, die es mit Gewalt hervorgerufen
haben würden. --

Noch in keiner ständischen und keiner Landtagsversammlung ist mit der Auf¬
merksamkeit zugehört, aber auch mit der Ruhe und Würde, mit dem Ernste ge¬
sprochen worden, wie in dieser.

Man sah es den acht Rednern an, wie sie jedes Wort wohl überlegt hatten,
wie tief sie aber auch jedes fühlten, und wie ihre Zunge nichts, als der getreue
Dollmetsch einer festwurzelnden Ueberzeugung sei.

Die hervorragendsten Redner waren, außer dem bereits genannten Grasen
Deym, der Fürst Karl Auersperg, die Grafen Erwein und Albert Nostiz.

Als die Debatte geschlossen war, und der Landtagsdirector nunmehr zur Ab¬
stimmung schreiten zu wollen erklärte, überschritt er darin seine Grenzen, indem
er nach Resumirung der ganzen Verhandlung nicht sogleich zur Abstimmung aus¬
lief, sondern vorerst sein eigenes Votum einschaltete, und durch die darin vorkom¬
menden merkwürdigen Worte: "Die Herren Stände werden es sich selbst zuzu¬
schreiben haben, wenn sich die Warnung des Vaters in die Ungnade
des Herrn verwandelt," einzuschüchtern suchte*").

Dieser Vorgang hatte für des LandtagSdirectors Zweck die übelsten Folgen,
denn statt einzuschüchtern, erbitterte er, und stachelte erst recht auf. In wessen




Es wäre wirklich nöthig, daß bei der Hofkanzlei ein Cursus über die Geschichte sämmt¬
licher Provinzialstände Oesterreichs eröffnet, und der Besuch desselben für die Hofräthe obligat
gemacht würde.
**) Obschon in Oesterreich nicht nur bei den gerichtlichen, sondern auch bei den politischen
Behörden fast überall Gremial-Sitzungen bestehen, in welchen der Vorsitzende nur dann ein
Grenzüotm. III. I8i7. gs)

nigstens wurde nichts von alle dem, was Einer von ihnen vorgebracht hatte, von
einem Anderen widerlegt; — der Unterschied bestand nur darin, daß jeder wieder
neues Material zu der Masse des bereits vorhandenen zubrachte.

Während z. B. Graf Friedrich Deym eine Unzahl geschichtlicher Daten bei¬
brachte, welche alle bewiesen, wie die Stände zu allen Zeiten, nicht nur über die
Fragen -in und «juouwilo berathen, — sondern auch über beide abgesprochen, und
königliche Propositionen aller Art modulirt, manchmal auch ganz abgelehnt hatten"),
während er also die vorliegende Frage vorzüglich geschichtlich beleuchtete, drangen
Andere um so tiefer in das Moralische und Logische derselben ein, ohne jedoch ei¬
nen bestimmten Antrag zu stellen; — und noch Andere beleuchteten grade wieder
das peinliche Dilemma, in welchem sich die Stände gegenwärtig befinden; — be¬
sprachen das Mittel, welches jetzt versucht werden sollte, und schlugen als solches
eine zweite Landtagsschrift vor, — deuteten endlich auch darauf hin, was, wenn
auch die zweite Landtagsschrift erfolglos bleiben sollte, zuletzt zu thun sei, um we¬
nigstens mit Ehren zu fallen, und die Verantwortlichkeit für das, was dann die
Zukunft bringen dürfte, Jenen zu überlassen, die es mit Gewalt hervorgerufen
haben würden. —

Noch in keiner ständischen und keiner Landtagsversammlung ist mit der Auf¬
merksamkeit zugehört, aber auch mit der Ruhe und Würde, mit dem Ernste ge¬
sprochen worden, wie in dieser.

Man sah es den acht Rednern an, wie sie jedes Wort wohl überlegt hatten,
wie tief sie aber auch jedes fühlten, und wie ihre Zunge nichts, als der getreue
Dollmetsch einer festwurzelnden Ueberzeugung sei.

Die hervorragendsten Redner waren, außer dem bereits genannten Grasen
Deym, der Fürst Karl Auersperg, die Grafen Erwein und Albert Nostiz.

Als die Debatte geschlossen war, und der Landtagsdirector nunmehr zur Ab¬
stimmung schreiten zu wollen erklärte, überschritt er darin seine Grenzen, indem
er nach Resumirung der ganzen Verhandlung nicht sogleich zur Abstimmung aus¬
lief, sondern vorerst sein eigenes Votum einschaltete, und durch die darin vorkom¬
menden merkwürdigen Worte: „Die Herren Stände werden es sich selbst zuzu¬
schreiben haben, wenn sich die Warnung des Vaters in die Ungnade
des Herrn verwandelt," einzuschüchtern suchte*").

Dieser Vorgang hatte für des LandtagSdirectors Zweck die übelsten Folgen,
denn statt einzuschüchtern, erbitterte er, und stachelte erst recht auf. In wessen




Es wäre wirklich nöthig, daß bei der Hofkanzlei ein Cursus über die Geschichte sämmt¬
licher Provinzialstände Oesterreichs eröffnet, und der Besuch desselben für die Hofräthe obligat
gemacht würde.
**) Obschon in Oesterreich nicht nur bei den gerichtlichen, sondern auch bei den politischen
Behörden fast überall Gremial-Sitzungen bestehen, in welchen der Vorsitzende nur dann ein
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/459>, abgerufen am 01.09.2024.