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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band.

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Jeder "ut gerichtlichen Angelegenheiten des Comitats führen sollten. Diese Admi¬
nistratoren stehen in voller Abhängigkeit vom Cabinet, das sie ernennt und wieder
absetzen kann. Sie müssen daher alle Mittel aufbieten, um ihre Sendung zu er-
füllen. Sie haben zwar bis jetzt keine creeutive Gewalt, aber ein Präsident übt
immer einen mächtigen Einfluß auf eine Versammlung, zumal auf diese Mitglieder
der ungarischen Cougregativnen, in denen erst vor Kurzem einiges politische Be¬
wußtsein geweckt worden, und die großentheils nicht wissen, was denn vertheidigt
und was bekämpft werden soll. Denke man sich vollends den Banernadel, der bei
weitem der zahlreichste im Lande ist, und dessen Stimme ans den Kongregationen
so gut zählt wie die des höchsten Edelmannes, von einem solchen großen Herrn,
den er obenan in der Kongregation sitzen sah, auf seinem Landgut besucht, herablassend
behandelt, und im Namen des Königs mit aller Gewandheit bearbeitet -- so wird
mau nicht zweifeln können, wie er bei der nächsten Congregation stimmen wird.
Es gab nur drei Angelegenheiten, welche allgemein begriffen und verfochten our
den, und darum auch durchgesetzt wurden: die Erhebung der ungarischen Sprache
zur Amts-, .Kirchen- und Schulsprache, die Gleichstellung der Confessionen und
die Unabhängigkeitserklärung Ungarns dadurch, daß das Neichsvberhanpt, Kaiser
Ferdinand I., in Ungarn sich den Namen Ferdinand V. König von Ungarn gefallen
lasse. Von den übrigen Neichsgeschäften fühlt sich der gemeinere Edelmann wenig
berührt und überläßt sich meist der Leitung der Vicegespane. Diese Leitung fällt
nun in die Hände der Administrators, der unbedingten Regicruugsmäuucr.

Die Opposition fühlte den furchtbaren Schlag, der ihre Bestrebungen durch
diese neue Maßregel traf, und sie setzte Alles daran, um auf den Kongregationen
einen Protest zu erwirken; aber auch die Regierung ließ alle Federn spielen, und
der großen Masse der Edelleute war es nicht einleuchtend, was diese Stellvertreter
der nutzlosen Obergespane ihr schaden sollten, die, wie man vorgab, die Verwal¬
tung überwachen und die kräftiger Hülfe bedürfende materielle Wohlfahrt beför¬
dern sollte.

Die Wirksamkeit der Administratoren hat sich in der That schon gezeigt; eine
Verbesserung der Verwaltung ist zwar noch nicht eingetreten und von einer er¬
höhten materiellen Wohlfahrt ist auch noch nichts zu spüren; aber -- der nächste
Landtag wird eine conservative Färbung haben, wie man sie nicht besser wün¬
schen kann.

Zu den wenigen gegen die Administratoren protestirenden Comitaten, gehört
auch das Pesther Comitat, obgleich es nicht verhindern konnte, daß der Palati",
der Obergespan des Pesther Comitats, sich durch einen Administrator bei der
Kongregation vertreten ließ. Da nun gegenwärtig das Palatinat unbesetzt ist,
wurde der Protest in der Kongregation des Medardi-Marktes in Gegenwart des
Administrators erneuert. Kossuth hielt eine gewaltige Rede über diese Angelegen¬
heit. Eine Stelle dann, die ungeheuern Applaus erhielt und wobei er die Hand


Jeder »ut gerichtlichen Angelegenheiten des Comitats führen sollten. Diese Admi¬
nistratoren stehen in voller Abhängigkeit vom Cabinet, das sie ernennt und wieder
absetzen kann. Sie müssen daher alle Mittel aufbieten, um ihre Sendung zu er-
füllen. Sie haben zwar bis jetzt keine creeutive Gewalt, aber ein Präsident übt
immer einen mächtigen Einfluß auf eine Versammlung, zumal auf diese Mitglieder
der ungarischen Cougregativnen, in denen erst vor Kurzem einiges politische Be¬
wußtsein geweckt worden, und die großentheils nicht wissen, was denn vertheidigt
und was bekämpft werden soll. Denke man sich vollends den Banernadel, der bei
weitem der zahlreichste im Lande ist, und dessen Stimme ans den Kongregationen
so gut zählt wie die des höchsten Edelmannes, von einem solchen großen Herrn,
den er obenan in der Kongregation sitzen sah, auf seinem Landgut besucht, herablassend
behandelt, und im Namen des Königs mit aller Gewandheit bearbeitet — so wird
mau nicht zweifeln können, wie er bei der nächsten Congregation stimmen wird.
Es gab nur drei Angelegenheiten, welche allgemein begriffen und verfochten our
den, und darum auch durchgesetzt wurden: die Erhebung der ungarischen Sprache
zur Amts-, .Kirchen- und Schulsprache, die Gleichstellung der Confessionen und
die Unabhängigkeitserklärung Ungarns dadurch, daß das Neichsvberhanpt, Kaiser
Ferdinand I., in Ungarn sich den Namen Ferdinand V. König von Ungarn gefallen
lasse. Von den übrigen Neichsgeschäften fühlt sich der gemeinere Edelmann wenig
berührt und überläßt sich meist der Leitung der Vicegespane. Diese Leitung fällt
nun in die Hände der Administrators, der unbedingten Regicruugsmäuucr.

Die Opposition fühlte den furchtbaren Schlag, der ihre Bestrebungen durch
diese neue Maßregel traf, und sie setzte Alles daran, um auf den Kongregationen
einen Protest zu erwirken; aber auch die Regierung ließ alle Federn spielen, und
der großen Masse der Edelleute war es nicht einleuchtend, was diese Stellvertreter
der nutzlosen Obergespane ihr schaden sollten, die, wie man vorgab, die Verwal¬
tung überwachen und die kräftiger Hülfe bedürfende materielle Wohlfahrt beför¬
dern sollte.

Die Wirksamkeit der Administratoren hat sich in der That schon gezeigt; eine
Verbesserung der Verwaltung ist zwar noch nicht eingetreten und von einer er¬
höhten materiellen Wohlfahrt ist auch noch nichts zu spüren; aber — der nächste
Landtag wird eine conservative Färbung haben, wie man sie nicht besser wün¬
schen kann.

Zu den wenigen gegen die Administratoren protestirenden Comitaten, gehört
auch das Pesther Comitat, obgleich es nicht verhindern konnte, daß der Palati»,
der Obergespan des Pesther Comitats, sich durch einen Administrator bei der
Kongregation vertreten ließ. Da nun gegenwärtig das Palatinat unbesetzt ist,
wurde der Protest in der Kongregation des Medardi-Marktes in Gegenwart des
Administrators erneuert. Kossuth hielt eine gewaltige Rede über diese Angelegen¬
heit. Eine Stelle dann, die ungeheuern Applaus erhielt und wobei er die Hand


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[0421] Jeder »ut gerichtlichen Angelegenheiten des Comitats führen sollten. Diese Admi¬ nistratoren stehen in voller Abhängigkeit vom Cabinet, das sie ernennt und wieder absetzen kann. Sie müssen daher alle Mittel aufbieten, um ihre Sendung zu er- füllen. Sie haben zwar bis jetzt keine creeutive Gewalt, aber ein Präsident übt immer einen mächtigen Einfluß auf eine Versammlung, zumal auf diese Mitglieder der ungarischen Cougregativnen, in denen erst vor Kurzem einiges politische Be¬ wußtsein geweckt worden, und die großentheils nicht wissen, was denn vertheidigt und was bekämpft werden soll. Denke man sich vollends den Banernadel, der bei weitem der zahlreichste im Lande ist, und dessen Stimme ans den Kongregationen so gut zählt wie die des höchsten Edelmannes, von einem solchen großen Herrn, den er obenan in der Kongregation sitzen sah, auf seinem Landgut besucht, herablassend behandelt, und im Namen des Königs mit aller Gewandheit bearbeitet — so wird mau nicht zweifeln können, wie er bei der nächsten Congregation stimmen wird. Es gab nur drei Angelegenheiten, welche allgemein begriffen und verfochten our den, und darum auch durchgesetzt wurden: die Erhebung der ungarischen Sprache zur Amts-, .Kirchen- und Schulsprache, die Gleichstellung der Confessionen und die Unabhängigkeitserklärung Ungarns dadurch, daß das Neichsvberhanpt, Kaiser Ferdinand I., in Ungarn sich den Namen Ferdinand V. König von Ungarn gefallen lasse. Von den übrigen Neichsgeschäften fühlt sich der gemeinere Edelmann wenig berührt und überläßt sich meist der Leitung der Vicegespane. Diese Leitung fällt nun in die Hände der Administrators, der unbedingten Regicruugsmäuucr. Die Opposition fühlte den furchtbaren Schlag, der ihre Bestrebungen durch diese neue Maßregel traf, und sie setzte Alles daran, um auf den Kongregationen einen Protest zu erwirken; aber auch die Regierung ließ alle Federn spielen, und der großen Masse der Edelleute war es nicht einleuchtend, was diese Stellvertreter der nutzlosen Obergespane ihr schaden sollten, die, wie man vorgab, die Verwal¬ tung überwachen und die kräftiger Hülfe bedürfende materielle Wohlfahrt beför¬ dern sollte. Die Wirksamkeit der Administratoren hat sich in der That schon gezeigt; eine Verbesserung der Verwaltung ist zwar noch nicht eingetreten und von einer er¬ höhten materiellen Wohlfahrt ist auch noch nichts zu spüren; aber — der nächste Landtag wird eine conservative Färbung haben, wie man sie nicht besser wün¬ schen kann. Zu den wenigen gegen die Administratoren protestirenden Comitaten, gehört auch das Pesther Comitat, obgleich es nicht verhindern konnte, daß der Palati», der Obergespan des Pesther Comitats, sich durch einen Administrator bei der Kongregation vertreten ließ. Da nun gegenwärtig das Palatinat unbesetzt ist, wurde der Protest in der Kongregation des Medardi-Marktes in Gegenwart des Administrators erneuert. Kossuth hielt eine gewaltige Rede über diese Angelegen¬ heit. Eine Stelle dann, die ungeheuern Applaus erhielt und wobei er die Hand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_309659/421>, abgerufen am 01.09.2024.